Rumänien 2004


Portugal
 
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6.9. unterwegs von Trier nach Göttingen
Nun gehts bald richtig on tour!
Was bisher geschah: am vergangenen Wochenende starteten wir nach alter Tradition unseren Urlaub beim MRT (Motorradreisetreffen) in Gieboldehausen. Durch die Gespräche mit anderen "Verrückten" ähnlicher Art und den vielen Diavorträgen wird dort das Reisefieber so richtig angekurbelt. Als besondere Attraktion war dieses Mal der "Vater" der Motorradweltenbummler,Ted Simon, mit von der Partie, der, tapfer auf deutsch, von seiner zweiten Weltumrundung erzählte. Tröstlich zu hören, daß er ähnliche Fehler macht wie wir " Anfänger" und daß es eindeutig möglich ist, auch noch mit siebzig Jahren solche Reisen zu unternehmen.
Zwischendurch sammelten wir Infos über unser Reiseziel Rumänien, wo scheinbar außer uns schon jeder gewesen ist. Dementsprechend ergiebig war die Ausbeute. Irgendwie sind die Gespräche am Sonntagmorgen beim Frühstück immer am interessantesten,,,
Sonntag mittag dann kurz nach Göttingen, Hänger und Moppeds bei Christoph und Renate in der Garage abgestellt und nach kleiner Tee- und Duschpause mit dem Auto Richtung Trier losgebraust. Dort wollten wir unseren Freund und rettenden Engel Mose aus St Louis / Senegal treffen, der in Trier an der Uni zu tun hat. Eine weite Fahrt für ein kurzes Treffen, aber niemand weiß, ob und wann wir uns wiedersehen können.
Nun sind wir also auf dem Rückweg, nach einem schönen Abend mit opulentem Mahl und interessantem Gedankenaustausch und morgens einem gemütlichen Frühstück in Giselas Wohnung. Heute abend bleiben wir in Göttingen, morgen brechen wir auf Richtung Osten, mal sehen, wo wir Auto und Hänger parken können.
Di, 7.9. Cunnersdorf
Was haben wir es wieder gut! Nach laaanger Autofahrt quer durch die Republik haben wir tatsächlich Moni in Cunnersdorf erreicht, die meine Anfragemail deshalb nicht beantwortet hatte, weil ihr PC nicht arbeitet. Zuhause war sie aber und kommen durften wir auch, sogar mit Übernachtung im alten Neumannhaus. Abends nette Unterhaltung mit ihr und Friedhelm, gut geschlafen, üppig gefrühstückt und dann endlich (!) die Moppeds vom Hänger abgeladen und bepackt.
Mi,8.9.Campingplatz bei Sec
Seit Mittag gondeln wir nun durch Tschechien. Was für ein volles Land. Überall Straßen, Dörfer, Menschen! Alle paar Kilometer eine Abzweigung, an der man wieder neu auf die Karte gucken muß. Die Ortsnamen kann ich mir nicht länger als fünf Minuten merken, sie klingen so fremd. Zwischen den langweiligen Abschnitten immer wieder sehr schöne Landschaften, kleine Berge mit Wald, kurvenreiche Straßen mit zum Teil abenteuerlichen Schlaglöchern und Bodenwellen. Sehr kleingliedrige Gegend, die Ortschaften auf dem Weg zur Modernisierung, teilweise schon sehr schön renoviert, ab und zu noch Verfall und Plattenbau. Viel Verkehr auf den größeren Straßen, einzelne stinkende Laster auf den kleinen.
Lustig an der Grenze das Warenangebot der aufgebauten Stände: Gartenzwerge in allen Größen, Korbwaren und Benzinkanister! Bei 25 Kronen pro Liter 95 Oktansprit kein Wunder ( 32 Kronen entsprechen 1 _). Und lustig auch die Schilder an den vielen kleinen Brücken: für jede Brücke gilt ein anderes Höchstgewicht. Bei der einen darf man mit 22t noch rüberfahren, die nächste ist nur für 13t zugelassen oder sogar nur für 4t. Besonders interessant fand ich eine für 20t: unter dem großen Schild obiger Aufschrift hing noch ein kleines mit dem Hinweis auf 35t Tragkraft...
Do, 9.9. Zd'ar
Das übliche Käffchen nach einer Stunde Fahrt am Vormittag. Zwei Cappuccino und zwei Stückchen Kuchen für knapp 1_, das ist okay, wenn auch der Cappuccino eher dünn ist, heiß ist er jedenfalls. So auch die Sonne. Während der Fahrt und im Schatten ist es ziemlich kühl, morgens um neun hatten wir 13°C, die Nacht war auch recht frisch, aber nun brennt uns die Sonne am fast wolkenlosen Himmel ordentlich auf den Pelz.
Abends erreichen wir fast die slowakische Grenze. Nach anstrengender Fahrt auf voller Landstraße mit kräftigem, kalten Seitenwind habe ich keine Lust mehr auf Platzsuche in der Pampa, so landen wir wieder auf einem Campingplatz. Etwas teurer als der gestrige ( soll ca 8_ kosten, da wir nur 210 Kronen klein haben, geht es auch so, will heißen ca 7_), dafür aber mit Duschen und abends mit Licht. Sagt der Besitzer, der jetzt aber nach Hause gefahren ist, schauen wir mal..
Sa, 11.9. kurz hinter der ungarischen Grenze bei Salgotarjan..
Gestern abend war es schon zu dunkel zum Schreiben, deshalb nun der Nachtrag. Wir überquerten gestern morgen, naja, mittag die slowakische Grenze bei immer noch herrlichem Wetter und verbrachten den größten Teil des Tages auf kleinen kurvigen Strecken durch bergige Wälder. Erst am späten Nachmittag stellten wir fest, daß wir kaum Kilometer zurückgelegt hatten und stürzten uns für anderthalb Stunden ins Getümmel der Hauptstraßen. Wirklich abenteuerlich! Überholen geht eigentlich immer, scheint es: falls in der Kurve dann doch Gegenverkehr kommt, quetscht man sich halt schnell irgendwo dazwischen. Sollen doch die anderen sehen, wo sie bleiben, das paßt schon! Für Motorradfahrer ein echtes Erlebnis! Immerhin spülte uns dieser stinkende Blechstrom schneller als erwartet ins Land der Magyaren. So schnell, daß wir die wirklich schöne Slowakei gar nicht gebührend bewundern konnten. Im Gegensatz zu Tschechien ist sie nicht so voll mit Straßen, Städten und Menschen. Schöne Mittelgebirgsgegenden mit bewaldeten Bergen, kleine Dörfer mit hübschen und gepflegten Häusern und nur wenige Querverbindungen zwischen den Straßen, dadurch bleibt mehr Landschaft unverbaut erhalten. Lohnt sich für eine längere Betrachtung!
Als wir dann über die Grenze nach Ungarn kamen, war es auch schon höchste Zeit, einen Schlafplatz zu suchen, die Sonne ging schon unter. Also hieß es, schnell etwas Geld aus einem Bankautomaten ziehen, damit wir morgens was einkaufen können und dann ab in die Pampa. Kurz hinter Salgotarjan fanden wir ein nettes Plätzchen auf einem mit Akazien bewachsenen Hügel in der Nähe eines Dorfes. Leider auch ziemlich dicht an der Straße. Nachts bellten viele Hunde mit großer Ausdauer, ein einzelner Wolf war zu hören in der Ferne, daraufhin wurde das Gebell sehr viel lauter und wütender, es kam in allen meinen Träumen vor. Trotzdem wachten wir morgens gut ausgeschlafen auf. Der Himmel zeigt sich auch heute wieder von seiner besten Seite, die Luft ist ruhig, Grillen zirpen, eine Kuhherde bimmelt in der Nähe herum. Der Hirte liegt abeits im Gras mit seinen Hütehunden, die Kühe machen, was sie wollen und stromern durchs Gebüsch. Zu jeder vollen Stunde hört man aus uns nicht sichtbaren Lautsprechern eine synthetische Musik, gestern abend war es " Que sera", heute morgen um acht gabs "Aloha he". Nun heißt es einpacken und weiter Richtung Rumänien.
120km weiter gibt es eine Keks-und-Cappuccino-Pause in Miskolc. Herrliche Landschaften liegen hinter uns. Die ersten 50km kamen wir durch ein hügeliges Gebiet mit kleinen, gepflegten Ortschaften. Die Hügel bewachsen mit lockerem Buschwerk und niedrigem Laubwald, dazwischen viel brachliegendes, nicht eingezäuntes Weideland. In Eger bogen wir nach Nordosten ab in Richtung Felsötarkany. Der Name war Programm: es ging in die Berge auf wechselhafter Teerqualität. Mal konnte man unbeschwert durch die Serpentinen cruisen, dann hieß es wieder aufpassen, denn es reihte sich ein Schlagloch an das andere: für Abwechslung war gesorgt. Mittendrin mal wieder eine versagende CDI, naja, das kennen wir inzwischen. Der Austausch gehört zur Routine, leider.
Auf der gesamten Strecke nach Miskolc viele Wochenendausflügler, viele auf Fahrrädern, einige im Auto und in Bussen unterwegs. Kurz vor der Stadt dann eine auffällige Häufung der freizeithungrigen Ungarn an einem kleinen Stausee, der voll war mit Tretbooten. Restaurants, Busparkplätze und Souvenirstände drum herum, bloß weg hier! Das Wetter ist herrlich, es geht eindeutig gen Süden und die Sonne scheint viel heller als in Tschechien, erinnert schon eher an Spanien oder Südfrankreich. Auch die letzte Nacht war nicht so kalt, kam mir jedenfalls so vor...
Nach der gemütlichen Gondelei durch die Berge war der restliche Tag pure Meilenfresserei bis kurz vor die rumänische Grenze. Eigentlich schade, denn die Landschaft war zwar hauptsächlich flach, aber doch interessant. Da muß nochmal mit Muße durchgefahren werden, mit Aufenthalten zum Gucken und Erleben. Z.B. Tokaj, durch den gleichnamigen süßen Wein bekannt. Ein hübsches Städtchen voller Leben, mit Blumenampeln entlang der Hauptstraßen, schönen Häusern und Lokalen, wo man das leckere Getränk probieren kann. Mitten im Flachland einige Hügel, an deren Südlagen die Reben wachsen, von einem der Hügel schwebten ein paar Gleitschirme gen Tal: Freizeitgestaltung nach westeuropäischer Manier. Überhaupt entspricht der Standart eher dem, was wir gewohnt sind: große, neue Autos und Motorräder ( die übrigens fahren, als wäre der Teufel hinter ihnen her), in den Städten Fitnessclubs und ähnlicher "Schickimickikram", teure Häuser auf großen Grundstücken...Auf jeden Fall gibt es in Ungarn Menschen, die sich was leisten können.
Nach ca hundert km Landstraßenjagerei hatten wir keine Lust mehr und suchten im Städtchen Nyirbator den Campingplatz, den unsere Karte ankündigte. Mal wieder hatten wir Glück: der Platz hatte eigentlich schon geschlossen, doch ließ sich der Inhaber nicht abhalten, die zusätzlichen 2000 Forint noch zu nehmen und ließ uns ein. Mit Händen und Füßen verständigten wir uns, soweit nötig, und dann schlugen wir unser Lager auf. Wir genossen den Luxus eines offiziellen Lagerfeuers und heißer Duschen, kochten uns was und ließen es uns richtig gut gehen. Die Nachtruhe war, wie gehabt, durchsetzt von bellenden Hunden und trötenden Zügen, aber dank Oropax ließ ich mich davon nicht weiter tangieren. Gut ausgeruht begann ich den neuen, sonnig-warmen Tag. Auf geht's!
So,12.9. E60, zwischen Alesd und Ciucea
Wir warten an der vielbefahrenen Hauptstraße im Restaurant auf die Möglichkeit, Essen zu bestellen. Die ersten ca 150km Rumänien haben uns hungrig gemacht. Die Sonne scheint hier ziemlich heiß auf uns herab, es wird Zeit für die Sommerhandschuhe. Auf den ersten Kilometern des Landes machten wir gleich Bekanntschaft mit dem hiesigen Unterschied zwischen arm und reich: in Satu Mare vor der Bank, bei der wir uns die ersten Lei-Millionen ziehen wollten, wurden wir zweimal angebettelt, erst von einem leidend dreinschauenden jungen Mann, dann von einem kleinen Jungen. Beide waren sehr ausdauernd. Erfreulicher war einige km weiter ein Zusammentreffen mit einer Familie des fahrenden Volkes: wir saßen auf einem Rastplatz an der Landstraße und futterten unser Mittagsmüsli, als zwei vollgepackte Wagen mit jeweils zwei Pferden davor auf den Platz gefahren kamen. Heraus quollen mehrere Erwachsene und ein ganzer Schwung Kinder in allen Größen, dreckig und barfuß. Nachdem die Pferde mit einem Arm voll Heu versorgt waren, kam ein Mann mit einem kleinen Kind an der Hand zu uns rüber und bemühte sich, ein Gespräch mit uns zu initiieren. Klappte wunderbar, wenn auch keiner den anderen verstand. Wo wir herkämen, wollte er wohl wissen und wie lange wir unterwegs gewesen seien. Dann versuchte er, uns den weiteren Weg zu erklären, wobei ich ihn, so gut ich konnte, mit den paar Worten Rumänisch aus dem Reiseführer unterstützte. Thomas gab den vorsichtig bettelnden Kindern, die von dem anderen Mann der Familie immer wieder mit einer Gerte vertrieben wurden, ein paar von unseren, vom Obstacker in Ungarn geklauten, Äpfeln, auf die sie sich gierig stürzten ( ein paar Minuten später flog einer der Äpfel alllerdings auf die Straße, war wohl nicht so lecker..) Als wir weiterfuhren, winkte die ganze Sippschaft freundlich hinterher.
Wir haben hier nun straßenmäßig die Wahl zwischen gutem Asphalt mit viel Verkehr (schnell und ruppig) oder kleineren Straßen mit wechselhaftem Belag, den allseits angekündigten riesigen Schlaglöchern und weniger Verkehr. Beides hat seine Reize und seine Schattenseiten. Die kleinen Straßen zu fahren, macht natürlich viel mehr Spaß, schafft aber nicht viel Strecke. Gleich werden wir deshalb eine Weile Hauptstraße fahren, um zum 80km entfernten Campingplatz zu kommen. Da es schon spät ist, müssen wir uns nun sputen, denn es ist hier nicht angesagt, im Dunkeln zu fahren wegen unbeleuchteter Pferdefuhrwerke oder Kühen auf der Straße.
Zwei Stunden später haben wir den Campingplatz doch nicht erreicht, dafür aber ein Motel. Es wurde schon sehr dunkel und die Autofahrer sind hier völlig wahnsinnig! Überholverbot hin oder Gegenverkehr her, es muß überholt werden! In einer Ortschaft dann ein Stau: ein Unfall. Ein Mopped lag total verknotet auf der Straße, ein par Meter weiter der dazugehörige Helm. Vom Fahrer war nichts zu sehen... Auf der anderen Straßenseite lag ein Auto schräg auf einer Mauer mit völlig zerdengeltem Dach. Das sah ziemlich schlimm aus, mir steckte der Schreck noch lange in den Knochen, so schnell passiert es! Zu guter Letzt streikte mein Kreislauf vor lauter Anspannung. Als Thomas auf den Parkplatz des Motels fuhr, kippte ich fast aus den Latschen. Keinen Meter mehr heute auf dieser Mörderstraße! Stattdessen ein frisch bezogenes Bett und eine warme Dusche, alles zusammen mit Frühstück für 600000 Lei, sprich 15_, da kann man nicht meckern.
Mo, 13.9. noch im Motel
Laute Nacht im bequemen Bett. Morgens ist keine Sonne mehr da, alles dicht bezogen und von Westen kommen immer dunklere Wolken hoch. Was soll das? Gut gefrühstückt mit Bedienung vom deutschsprechenden Kellner: noch mehr Tee? Beim Bezahlen stellte sich dann heraus, daß das Frühstück doch nicht inklusive war, sehr witzig!
Für ein kurzes Stück mußten wir wieder auf die Schnellstraße, die allerdings heute lange nicht so voll war wie gestern abend. Dann ins Abenteuer, das da heißt: rumänische Nebenstraße. Erstaunlicherweise war die Straße ziemlich gut, von vereinzelten Schlaglöchern mal abgesehen. Sie führte so ganz allmählich in die Berge. Erst durch sanfte Hügel mit ein paar Bäumen, dann immer entlang eines Flusses, der sehr lehmiges Wasser führte. Beidseits des Flusses wurden die Berge langsam höher, einzelne Felsspitzen guckten durch den hier dichten Mischwald, wunderschön. Am Straßenrand bunte Blumenvielfalt, auf ein paar Metern bestimmt 15-20 verschiedene Blumen! Wenig Verkehr, überall freundlich-interessiert schauende Menschen. Pferdefuhrwerke mit Heu beladen, Kühe, die am Halfter die Straße entlang geführt werden, kleine winkende Jungs. Allmählich klart der Himmel etwas auf, die vereinzelten Regentropfen bleiben aus. In einem Dorf halten wir kurz zum Fotografieren an, da kommt eine freundliche Frau auf uns zu und beginnt ein Gespräch mit mir. In allen mir bekannten Sprachen verständigen wir uns ganz gut, sie ist sehr nett und offen. Weiter gehts, in einem der nächsten Dörfer kehren wir zum Kaffee ein an der Straße. Kaffee bedeutet hier Espresso, ist mir immer zu wenig drin, schmeckt aber lecker und kostet für zwei 20000 Lei, also 50 Cent. Oh, die Sonne kommt raus! Dann kann die Fleecejacke jetzt in den Koffer.
Mit uns sitzen ein paar junge Typen vor dem Cafe, sie amüsieren sich prächtig, lachen herzhaft und ansteckend, worüber wohl? Aus der offenen Tür klingt laute rumänische Musik: viele Bläser, leicht orientalisch anmutende Melodik.
Abends um 19:45 steht das Zelt an einem rauschenden Bach. Mal wieder ziemlich dicht an der Straße, aber die ist hier bald zuende und es fahren nicht viele Autos vorbei. Dichter Wald überall drumherum. Eigentlich war eine Übernachtung am See geplant, aber der See ist zu dicht an der Industriestadt Deva gelegen und daher an allen zugängigen Ufern mit Wochenendhäusern gepflastert oder dichtgemüllt. Die Stadt Deva und ihre Vororte trafen mich wie ein Schock nach dem gemütlichen Fahren in den Bergen. Schnell, laut, die Menschen wirken irgendwie heruntergekommen, riesige Schwerindustrieanlagen, zum Teil stillgelegt und halb zerfallen. Ziemlich morbid; und dann im Vorort Hunedoara eine tolle alte Burg mit Zinnen und Türmchen,auch etwas verwahrlost, aber noch komplett und sehr stimmungsvoll in dem düsteren Ambiente. Nein, Draculas Schloß war es nicht, das steht woanders.
Di, 14.9. Hateg (Hatzeg)
Gut geschlafen am murmelnden Bach, bis um halb zehn die Sonne zu sehr lockte. Ein kurzer Abstecher ins nachbarliche Dorf, gemütliche Gegend im einsamen Tal, gute Schotterstraße, nette Leute, die alle gerne quatschen wollen. Sie sagen, dap die eingezeichneten Wege auf der Karte nicht befahrbar, weil zu steil, sind. Also müssen wir doch die Straße am See zurück nach Hunedoara fahren. Dort fanden wir dann auch einen kleinen Höker, wo wir Brot, Eier, Käse und Tomaten für insgesamt 1,5_ kaufen konnten. Schnell noch die Tanks gefüllt und weiter Richtung Süden, eine schöne hügelige Strecke mit interessanten Weitblicken über hier relativ kahle Berge. In Hateg auf einmal buntes Leben auf einem großen parkartigen Platz. Teils schön restaurierte Bauten, viele, modisch gestylte, junge Leute. Der Stadt scheint es gut zu gehen. Aus den Lautsprechern des Cafes, wo wir einen Cappuccino schlürfen, laute Chartmusik, auf den Bänken im Park sitzen entspannt wirkende Menschen aller Altersstufen.
Mi, 15.9. Caransebes
Nach 24h sitzen wir wieder im Cafe, diesmal zwischen halbmaroden Plattenbauten in der Einflugschneise der Hauptstraße der Stadt. Gestern abend war es schon zu dunkel zum Schreiben, als das Zelt endlich stand. Wir hatten nämlich unseren großen, sinnlosen Offroad-Einsatz bis zum Sonnenuntergang, nach dem die Landkarte neu geschrieben werden muß, denn sie lügt! Die Strecke, die wir fahren wollten, gab es gar nicht! Stattdessen eine viele Kilometer lange, erst sehr gute, dann immer steilere und grobschotterigere Waldarbeitspiste, die mich an den Rand der Panik und der Erschöpfung trieb. Als ich mich dann bis ganz nach oben gequält hatte, war sie einfach zuende!! Ich konnte es erst gar nicht fassen, daß ich den ganzen Weg wieder zurückfahren mußte. Nach ein paar Minuten der Überlegung, oben das Zelt aufzuschlagen und morgens wieder runterzufahren, machten wir uns doch lieber gleich auf den Weg. Mit dieser Aussicht hätte ich bestimmt nicht gut geschlafen.. Als wir tatsächlich wieder unfallfrei unten angekommen waren, wollte ich sehr gerne in eine Pension, um dort den ganzen Angstschweiß abduschen zu können. Wir fragten in dem, leider schon recht touristischen Ort Poiana-Marului in einer Pension nach dem Preis und legten uns fast lang: 700000 Lei nur fürs Zimmer, das war uns dann doch zu teuer. Außerdem war der Besitzer ziemlich unsympatisch, das erleichterte die Entscheidung. Auf der Suche nach der Pension hatte ich eine Frau nach dem Weg gefragt, die dort ihre Kühe nach Hause trieb. Als sie verstand, daß wir einen Schlafplatz suchten, bot sie strahlend an, wir könnten doch bei ihr übernachten. Leider fuhr Thomas schon weg und ich mußte hinterher, so konnte ich nicht herausfinden, ob ich sie richtig verstanden hatte. Es wäre bestimmt eine tolle Möglichkeit gewesen, wirklich etwas über das Land zu erfahren, andererseits war ich auch ziemlich fertig und hätte mich sehr anstrengen müssen, um mich ihrer Gastfreundschaft noch würdig zu zeigen. Langer Suche Ende war dann vorübergehend ein Obstgarten am Dorfrand, wo wir im Dunkeln unter einem Apfelbaum das Zelt aufschlugen. Das hätten wir nicht tun sollen, denn der Baum warf des nachts mit Äpfeln nach uns, was ziemlich laut und schlafstörend war. Wenn man dann nicht schlafen kann, macht die Phantasie, was sie will und erzählt von wilden Bären, die harmlose, schlafende Reisende überfallen. Zuletzt wurde das Zelt und alles andere zwanzig Meter weiter getragen, wo ein, z.Zt. nicht bewohnetes Ferienhaus stand mit einem großen Zaun drumherum. Garantiert bärensicher! Und mit Straßenlaterne. Da konnte man dann ruhiger schlafen, mußte allerdings auch früh raus, denn das Betreten fremder Leute Gärten wird sicher auch in Rumänien nicht gern gesehen. Nach der kurzen Nacht ein Frühstück am Wildbach, danach, zum Wachwerden, eine Waschung in demselben, uiiih,kalt! Nach ausgiebiger Beratung mit der Karte haben wir nun bedauernd von der Vorstellung Abschied genommen, im Schwarzen Meer zu plantschen. Zu weit ist der Weg oder zu kurz unsere Zeit, schade! Aber nur hetzen wollen wir nicht, lieber ganz da sein, wo wir in Ruhe hinkommen können. Dabei ist es heute richtig heiß, ein Bad wäre schon schön! Vielleicht ergibt sich was in einem See oder so...
In einem See oder so...sitze ich hier beim Schreiben. Kaum zu glauben, aber wahr, wir haben tatsächlich die Hotelanlage mit den kleinen Häuschen gefunden, von der uns ein paar Bikerkollegen in Gieboldehausen erzählt haben. Nachdem wir uns über die gefährliche Landstraße und durch das Wahnsinnsurlaubsbad Baile Herculane gekämpft hatten, fing ein wunderschönes Flußtal zwischen hohen, sonnenbeschienenen Felsenbergen an. Relativ guter Straßenbelag ließ uns etwas Zeit, uns umzugucken und wir cruisten gemütlich in Richtung Baia de Arama, bis zum Abzweiger nach Cerna, wo laut handgeschriebenen Hinweisen auf einer Mauer ein Hotel oder sowas sein sollte, in 12km Entfernung. Das waren allerdings ziemlich lange 12km, die Piste war dermaßen löcherig, daß man eigentlich nur im ersten Gang fahren konnte, wenn man nicht jedes Schlagloch mitnehmen wollte. Naja, wer langsam fährt, kommt auch zum Ziel und plötzlich sahen wir diese lustige Anlage: ein künstlicher See, die Ränder schön bepflanzt, drumherum kleine Holzhäuschen in verschiedenen Größen, das Ganze in einem kuscheligen Talkessel gelegen in einem Dorf. Unser Zimmerchen enthält ein ausreichend großes Bett und ein Tischchen mit zwei Hockern. Gegenüber ein einfaches, nicht ganz sauberes Bad, immerhin mit heißem Wasser. Aus der Nachbarschaft tönt die ortsübliche Musik, laut genug, daß wir auch was abkriegen können. Und ein paar Hundchen haben uns gleich freundlich begrüßt, hoffen wahrscheinlich auf ein paar Anteile an unserem Essen...
Heute werden wir ohne Bärenfantasien schlafen.
Do.16.9. Cerna Sat
Ruhetag. Nach ausgiebiger ungestörter Nachtruhe und gemütlichem Frühstück unter einer kleinen Weide wollen wir heute mal Urlaub machen. Warme Dusche, Wäche waschen, spazierengehen. Als wir beim Frühstück saßen, kamen zwei deutsche Moppeds des Weges: ein Pärchen aus Starnberg, er auf 950 Adventure, sie auf 500 KLE(Kawa). Schon gestern waren sie an uns vorbeigefahren, als wir in Baile Herculane Pause machten, nun waren sie unterwegs zum See in der Nähe und hatten auf ihrer Karte sogar eine durchgehende Straße gefunden, die auf unserer Karte nicht zu sehen ist. Nun schauen wir mal, ob sie zurückkommen.
Sind sie scheinbar nicht. Ein Weilchen, nachdem die beiden weitergefahren sind, haben wir uns zu Fuß auf den gleichen Weg gemacht und wir haben sie nicht wieder gesehen, also muß er wohl dort irgendwo hin führen. Auf unserer Wanderung liefen wir erst ein Stück durchs Dorf, dann an kleinen Feldern vorbei, wo ein älterer Mann den ganzen Tag mit Heuwenden beschäftigt war. Als nächstes sahen wir einen freien Campingplatz, sehr schön am Bach gelegen. Hinter dem Platz ging ein Weg mit Geländer in den Berg hinein, den mußten wir natürlich erforschen: er führte in eine Klamm, wo das Wasser in Jahrtausende langer Arbeit Kurven, Höhlen und kleine Badewannen ausgewaschen hat. Jetzt läuft nur noch ein kleiner Fluß durch die Klamm, aber es muß sehr viel mehr gewesen sein früher. Sehr gewaltig, welche gestaltende Kraft das Wasser hat. Ein Eisvogel zischte durch die Schlucht, sein Rücken blitzte hellblau-metallisch über dem klaren, dunklen Wasser.
Wieder zurück auf der Holperpiste marschierten wir den Berg hinauf bis zu einem Paß, von dem aus wir einen fantastischen Blick in beide Richtungen hatten: felsige Berge mit Buchen- und Eichenwäldern bewachsen, zwischen den Wäldern abgeweidete Almen. Herrliche Ruhe da oben, ab und zu eine Kuhglocke, sonst kaum ein Geräusch. Nach ein paar Kilometern wurde der holperige Weg zu einer recht brauchbaren Betonstraße, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, daß es sich um eine Durchgangsstraße handelt... Für ein Weilchen verließen wir den Weg, um über einen kleinen Berg querfeldein zu klettern. Hinauf gings schwitzend über Wiese und Farnkraut, dann durch den Wald wieder hinab zu einem momentan fast trockenen Bachlauf. Diesem folgend in Richtung Straße kamen wir durch eine weitere Klamm, dunkel unter den Bäumen versteckt, die Felsen grün von Moos. Ein verwunschenes Plätzchen mit tiefen Spalten und Höhlen an den Seiten.
Und weiter ging es der Straße nach, irgendwo muß doch mal der eingezeichnete See kommen! Der Bach rauschte immer neben der Straße, aber kein See zu finden. Inzwischen wurde es auch langsam Zeit zum Umkehren, der Magen verlangte nach Füllung und die Sonne zeigte auf Spätnachmittag. Als wir zurück am Platz waren, taten mir ordentlich die Füße weh, ein guter Tag, eine gute Tour. Es folgte ein gutes Abendessen aus den Katakomben des Küchenkoffers und nun ist Zeit zum Lesen, Löcher in die Luft gucken und Cappuccino trinken.
Fr.17.9. Cerna Sat
Warten auf die Lady zum Bezahlen unseres Zimmerchens, scheinbar haben wir eine ungünstige Zeit gewählt für die Abreise. Naja, mittags um eins wäre bei uns wohl auch nicht so günstig. Die vergangene Nacht war sehr geräuschvoll: die Waldarbeiter feierten ihren gleichnamigen Abend in der nachbarlichen Kneipe mit lauter Musik, lautem Gegröhle und zum Schluß fuhren sie betrunken mit ihren sowieso sehr lauten LKWs durchs Dorf davon, manche sogar noch dauerhupend. Was für ein Glück, daß wir ihnen jetzt nicht im Dunklen begegnen müssen! Dazu bellten sämtliche Hunde des Dorfes... gegen dieses Konzert kamen selbst meine bewährten Ohrstöpsel nicht an. Aber da es heute morgen gar nicht so recht hell werden wollte und ein stetiger Nieselregen fiel, blieben wir halt länger im Bett und kamen erst langsam in Gang. Bis dann geduscht, gefrühstückt und gepackt ist, ist es dann auch Mittag. Inzwischen hat der Regen, jedenfalls vorläufig, aufgehört...
Abends um halb acht Ortszeit sitze ich auf einem weichen Bett nicht sehr weit von unserem heutigen Startpunkt, aber doch mit ca 100km mehr auf der Uhr und mit den Kräften ziemlich am Ende. Wir sind natürlich voll in die Falle gegangen, von wegen, die beiden Starnberger kamen nicht zurück! Erst fuhren wir ca dreißig km raufrunter durch Schotter und Matsch, wie gesagt, es regnete! Dann fragten wir die allgegenwärtigen Waldarbeiter und fuhren brav ihrer Weisung nach. Sah zuerst auch ganz gut aus, bis wir irgendwann in ein Gebiet kamen, wo eindeutig erst der Weg vorbereitet wurde, große Schieber standen abgestellt mitten auf der Piste, es sah aus, als wäre noch nicht ganz klar, wo der Weg eigentlich entlang gehen soll, dazu mußte man schon wieder den Bach durchqueren...Streik!! Also wieder zurück zu den letzten Bauarbeitern, die uns bestätigten, daß das auf jeden Fall nicht der richtige Weg zum nächsten Asphalt war. Also weiter zurück bis zur großen Brücke, an der wir, laut der ersten freundlichen Hinweise, unbedingt links abbiegen sollten. Nun also doch rechts ab, durch den dichten Nieselnebel den nächsten Berg hoch und wieder runter, ausgewaschene Schotterpisten, lehmige Pfützen bis zum Abwinken. ca 60km weit. Irgendwann, als ich schon nicht mehr an das Vorhandensein einer Welt außerhalb der Nebelberge glauben konnte, fanden wir tatsächlich eine fragmentarische Teerstraße! Das Berglabyrinth hat uns wieder ausgespuckt! Im bald auftauchenden Dorf winkten uns wieder alle Jungs freundlich zu, the winners are back, so kam ich mir vor, endlich wieder in der Zivilisation. Ich hätte sie alle knutschen können! Schnell im kleinen "Magazin mixt" die nötigsten Dinge einkaufen und weiter, ein Hotel suchen, denn es dämmerte schon. Der Zufall, oder wer sonst, spülte uns in ein kleines, etwas gammeliges Hotel namens Villa Ursu in der Nähe von Tismana. Ein Zimmer für 500000 Lei, also 12,50_, da bleibt noch was übrig für eine warme Mahlzeit: die haben wir uns heute verdient. Ein englischsprechender, freundlicher Kellner half uns durch die Speisekarte, ein anderer Angestellter rückte auf der Hotelterrasse extra für unsere Pferde die Stühle beiseite, damit sie trocken unterm Schirm stehen können, Wie nett!
Jetzt sitzen wir im Speisesaal, hören laute Musik aus einem Rechner, der in der Ecke steht und erwarten unser Futter. Ich schlürfe ein kühles Heineken, das tut gut!
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