Reiseberichte


Australien
 
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Freitag, 22.10. - Secret Harbour
Ein kleiner Einblick in diese Trabantenstadt, 50km südlich der westaustralischen Hauptstadt Perth: Als die Verbaans, unsere Gastgeber, hier vor 15 Jahren ihr Ferienhaus gebaut haben, gab es den Ort noch nicht. Ihr Haus war das Dritte in der ganzen Gegend, die ansonsten aus Busch- und Dünenlandschaft bis zum Strand bestand. Seitdem hat hier der Bauboom eingeschlagen und es leben inzwischen mehrere Tausend Menschen hier. Es wird fleißig weiter gebaut, ein Wohngebiet nach dem anderen entsteht. Alle Häuser sind also neu, für die vielen jungen Familien gibt es jede nötige Infrastruktur: Schulen, Kindergärten, Einkaufszentren, Tankstellen, Baumärkte für die Selberbastler und Baumschulen für die Bepflanzung der vielen Gärten... Sehr viel perfekt getrimmtes Grün, kleine Ententeiche in schattigen Parks, ein großer Golfplatz auf seichtem Hügelland, um den herum sich die perfekten Einfamilienhäuser gruppieren. Selbst mitten am Tag, mitten in der Woche ist der Parkplatz der Golfer gut gefüllt, man sieht die Spieler mit ihren Wägelchen über das samtige Grün spazieren. Gut gekleidete junge Frauen, meist schwanger und/oder mit Kleinkind im modernen Multifunktions-Kinderwagen, schlendern entspannt durch den großen Supermarkt, fahren mit neuen Autos durch die neuen Straßen. Landschaftsgärtner kümmern sich mit kreissägenartigem Werkzeug darum, dass die Seitenkanten der auf 1,5cm Länge geschnittenen und vollautomatisch bewässerten englischen Rasenflächen der Betonsteinumrandung nicht zu nahe kommen oder schützen den Boden unter den subtropischen Büschen und Bäumen mit einer dicken Mulchschicht vor der Austrocknung durch Wind und Sonne. Der ganze Ort wirkt wie ein großer Garten, genau geplant und bestens gepflegt für die Ansprüche der Besserverdienenden. Eine Vorortbahn als Angebot für die Vielen, die jeden Tag nach Perth zur Arbeit fahren. Ob sie viel in Anspruch genommen wird? Alles hier ist sehr hübsch und sehr bequem, aber auch extrem künstlich. Die Miete für ein Haus, für diejenigen, die sich ein eigenes noch nicht leisten können oder nur vorübergehend hier wohnen, beträgt ungefähr 400 Dollar pro Woche. Gemessen an den Mietpreisen von Port Hedland sind das Peanuts. Dort zahlt man in einer Woche so viel wie hier für den ganzen Monat! Der ganze Reichtum der Gegend baut auf den großen Minen mit ihren hohen Verdienstmöglichkeiten auf. Wie wird es hier sein, wenn in etwa 50 Jahren alle Erze aus dem Boden gebuddelt, auf Schiffe verladen und verkauft sein werden? Werden dann all die neuen Häuser leerstehen und verfallen? Oder noch etwas später, wenn das Erdöl knapp wird und man wieder enger zusammenrücken muss, um Energie zu sparen... Hier braucht jede Familie mindestens ein Auto, denn alle Wege sind lang. Einkaufen kann man nur im Shopping Center - kleine Läden in der Nachbarschaft gibt es hier nirgendwo. Wir spazieren durch die Straßen, bewundern die großzügigen und fantasievollen Häuser und denken zurück an Borroloola. Welch ein Kontrast! Aboriginals sieht man hier in Secret Harbour überhaupt nicht... In Perth leben viele von ihnen, aber auch dort fallen sie im Straßenbild kaum auf. Sigi hat uns erzählt, bei ihm hätten schon zweimal "Schwarze", wie man hier sagt, eingebrochen... Die gesellschaftliche Kluft scheint unüberbrückbar.
Sonnabend, 23.10. - Secret Harbour
Thomas hat gestern mal wieder an seinem Vergaser herumexperimentiert (Foster ist nach wie vor nicht belastbar und stottert bei kräftigem Dreh am Gasgriff Protest). Vor der Abfahrt aus Secret Harbour, die für Montag geplant ist, braucht er daher noch eine Probefahrt. Das trifft sich gut, denn wir wollen uns sowieso gern noch etwas in der Gegend umschauen. Erst fahren wir Richtung Norden, nach Safety Bay, der nächsten Bucht. Dort hat Rhoda uns die Penguin Island empfohlen, eine kleine, der Küste vorgelagerte Insel, die man entweder bei Ebbe zu Fuß durch hüfttiefes Wasser oder durch Nutzung eines kleinen Fährbootes erreichen kann. Da es heute an der Waterkant sehr windig ist, sehen wir als erstes eine große Zahl von Kite-Surfern im Flachwasser dahinfliegen. Sie brausen ganz schön schnell über die Wellen mit ihren großen Gleitschirmen. Offensichtlich richtet sich die Größe des Schirmes nach dem Ausbildungsstand, denn mit den größeren kann man richtig abheben bis zu einer Höhe von 10-20 Metern über dem Wasser! Das macht bestimmt riesig Spaß! Seit unserem Gleitschirmkursus habe ich einen besonderen Blick für diese Art der Freizeitgestaltung entwickelt... Während wir am Strand stehen und den Surfern zuschauen, versammeln sich ein paar neugierige Leute um unsere Motorräder. Als ich zu ihnen gehe, um die üblichen Fragen zu beantworten, stellen sie sich als Deutsche heraus, die seit einem halben Jahr für vier Jahre in Perth leben. Wenig später gesellt sich noch ein weiteres, ebenfalls deutsches Paar dazu. Auch hier lebend, aber schon seit zwei Jahren, und, weil nicht sehr glücklich hier, in der Planung für baldige Heimkehr begriffen. Schon entstand rund um mein Motorrad, das sich einer eigenen Meinung zum Thema stillschweigend enthielt, eine lebhafte Debatte über das Für und Wider einer Umsiedlung von Deutschland nach Australien. Sehr interessant! Es scheint nicht unbedingt einfach, als Neuling hier in die Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Petra erzählt, dass auch ihr zehnjähriger Sohn nur wenig Kontakt zu australischen Kindern bekommen hat. Einfacher ist es mit den zahlreichen Südafrikanern, die im Wesen wohl irgendwie europäischer geblieben sind, sagt sie. Als unsere Gesprächsrunde sich endlich auflöst, ist es schon fast vier Uhr nachmittags. Und wir wollten doch ein bisschen was sehen! Also los - wir drehen von der windigen Küste ab und fahren ins Inland. Über die großen Nord-Süd-Straßen hinweg und auf die Hügelkette zu, die man in der Ferne sehen kann. Kaum haben wir die belebte Küste hinter uns gelassen, fahren wir durch landwirtschaftliche Flächen, auf denen große Heu-Rundballen trocknen oder Pferde grasen. Eine schmale Straße, wenig Verkehr, aufatmen. Bald erreichen wir die, mit dichtem hohen Wald bewachsenen, Hügel und folgen den Wegweisern zum "Serpentine Dam", einem großen Trinkwassereservoir der Stadt Perth. Der See hat ziemlich wenig Wasser nach dem relativ trockenen Winter. Dafür schwirren auf dem Parkplatz, wo wir absteigen, umso mehr der lästigen australischen Buschfliegen herum. Nein, nicht in die Nase krabbeln! Ein paar hundert Meter weiter noch ein Parkplatz mit Picnic-Area und ohne Fliegen, merkwürdig, wonach sich die Fliegen wohl richten? Und hier stromert eine Gruppe von Ringneck- (Halsband-) Papageien herum, etwas größer als meine geliebten Rainbow-Lorikeets und mit grünem Deckgefieder, schwarzem Kopf und gelbem Halsband sehr apart aussehend. Ein Mann gibt mir und einigen anderen Besuchern aus einer Tüte ungeschälte Sonnenblumenkerne, die er offensichtlich extra zum Füttern der Papageien mitgebracht hat. Kaum habe ich meine Hand ausgestreckt, kommen sie auch schon angeflogen, kabbeln sich heftig um die besten Plätze auf der Hand und genießen die kostenlose Zwischenmahlzeit ohne jede Scheu. Nun wird es für uns Zeit, umzukehren, denn in einer Stunde wird es dunkel. Auf einem anderen Weg fahren wir wieder nach Westen, die tiefstehende Sonne blendet gewaltig. Auf dem Westhang der Hügel kommen wir an einem großen buddhistischen Kloster vorbei. Eine hohe Mauer schützt das Gelände vor neugierigen Blicken. So richtig zur Ruhe kommen in solch einer geschützten Umgebung, das wäre auch was... Im Wettlauf mit der sinkenden Sonne fahren wir zurück. Wir gewinnen das Rennen.
Sonntag, 24.10. - Secret Harbour
Noch zwei Monate bis Weihnachten... Wir putzen das Haus, räumen unser Geraffel zusammen und verabschieden uns allmählich von unserem Zuhause auf Zeit. Für nachmittags haben sich Bernie und Rhoda zum Verabschiedungsbesuch angesagt. Dafür backe ich einen Käsekuchen. Wieder mal ohne Quark, den es auch hier nicht gibt. D.h. neulich habe ich mal in einem Supermarkt ein kleines Döschen Quark für 6 Dollar gesehen.... Stattdessen mixe ich Hüttenkäse und Saure Sahne zusammen. Wird zwar etwas flüssiger, aber nach dem Backen schmeckt es uns allen doch prima. Ein gemeinsamer Sonnenuntergangsstrandspaziergang (boah, was für ein Wort!) und noch ein von Rhoda geschnippelter Obstsalat, dann umarmen wir uns alle herzlich und sie fahren wieder nach Perth. Ein letzter Abend vor der Glotze: sie zeigen die Geschichte der chilenischen Minenarbeiter, die nun aus ihrer 69 Tage langen Gefangenschaft auf 700 Meter unter der Erde befreit werden konnten. Aufregend!
Montag, 25.10. - bei Harvey (das ist ein Ort, kein Hase ;-))
Mit Packen, Aufräumen und Bettwäsche Waschen beschäftigten wir uns bis mittags, dann schlossen wir das Haus ab, versteckten den Schlüssel am verabredeten Ort und machten uns auf die Socken. Drei Wochen unter festen Dächern - ab heute wohnen wir wieder im Zelt! Von der belebten und windigen Küste haben wir erstmal genug, wir fahren inlands auf der teilweise schon bekannten Straße durch Felder und Wiesen. Links von uns die Hügelkette der Darling Range. Nach 150km wird es schon Zeit, sich nach einem Nachtlager umzuschauen.. Wir biegen in die Hügel ab, bald wird die Teerstraße zum Schotterweg, der durch hohen Wald führt. Hier, abseits von Lärm und Luxus, stellen wir das Zelt auf eine sonnige Lichtung, lauschen dem abendlichen Geschnatter der Kookaburras, schauen den Kängurus beim Grasen auf der nachbarlichen Wiese zu und wärmen uns nach Sonnenuntergang am Lagerfeuer. Zwei Eulen unterhalten sich von ferne, irgend ein Tier tapst im Dunkeln durchs Unterholz, Äste knacken, Frösche quaken. Natur am Abend...
Dienstag, 26.10. - bei Busselton
Nahe bei unserem Schlafplatz, auf einer grünen Wiese mit blühenden Büschen treffen wir eine junge Frau mit etwa 10-jähriger Tochter und Hund in ihrem kleinen Camper. Sie erzählt, dass sie und ihr Mann an der Küste wohnen, aber dieses schöne Grundstück günstig erworben haben und es zur Freizeitgestaltung nutzen. Später einmal wollen sie hier ein Haus bauen.. Sie haben pro Acre nur 50 AUS bezahlt! Das ist ein Hektarpreis von ca 125 Dollar! Ich glaube, wir gehen zum nächsten Makler und kaufen uns auch so ein Stück Land! Das kann man hier ja aus der Portokasse bezahlen.. Na gut, nicht heute, erstmal fahren wir weiter. Zurück zur Hauptstraße und weiter Richtung Süden. Brunswick (Braunschweig?) heißt der nächste kleine Ort. Die folgenden Orte heißen Dardanup, Boyanup oder Wonnerup - kommt uns irgendwie bekannt vor (Markerup, Satrup, Sörup...). Diese Hügellandschaft ist mir sowieso so heimisch: gutgenährtes schwarzbuntes Vieh und entspannt mit den Schweifen Fliegen verscheuchende, hochglanzpolierte Pferde auf kleinen, saftig grünen Weiden, durch Hecken vor dem Wind geschützt. Große Solitärbäume spenden Schatten, in dem sich die Kühe zum Widerkäuen niederlegen. Das Meer ist nicht weit, von den größeren Hügeln aus kann man es schon sehen....alles fast wie zuhause in Norddeutschland! Und zu unserer Freude ist es heute mal wieder richtig warm, bis 30 Grad misst unser Thermometer. Runter von der Hauptstraße und auf kleinen Landsträßchen weiter, vorbei an gemütlichen kleinen Höfen und Wohnhäusern mit üppigen Gärten. Wir sehen Weinberge und Keltereien mit Schildern, die zur Verkostung einladen - nein, nicht mitten am Tag, sonst können wir nicht mehr weiterfahren... Dann eine Infotafel, die uns den Wellington National Park näher bringt. Wir drehen bei und folgen dem vorgeschlagenen Rundweg. Ein schmaler Schotterweg bringt uns zum "King Jarrah Tree", dem größten Baum der Gegend. Naja, groß ist er schon, aber wir sind ziemlich verwöhnt seit den Sequoias und Redwoods. Weiter zum Wellington Dam, wo gerade eine Straße oben auf die riesige Betonwand gebaut wird. Abenteuerlich! Und weiter, nun wieder auf Teer, durch den Nationalpark. Die warme Luft duftet würzig nach blühenden Eukalytusbäumen, hmmm! Ein großer Felsrücken ist komplett mit süß duftenden, rosa blühenden Büschen bewachsen, ist das schön hier! Am Honeymoon Pool, einem schön gelegenen Campground am Fluss werden wir Zeugen, wie ein Vater und sein etwa 12-jähriger Sohn bibbernd aus dem lausig kalten Ferguson River steigen, in dem sie, der Strömung folgend, geschnorchelt haben. Der Junge ist stolz wie ein Spanier über seine Leistung. "Der Ranger sagt, das Wasser hat nur 6 Grad", erzählt er mir zähneklappernd! Meine kurz aufgekommene Idee eines erfrischenden Bades hat sich damit erledigt. Nach Dardanup und Boyanup kommen wir nach Capel, schon fast wieder am Meer. Von dort aus suchen wir den Tuart NP, verpassen aber offensichtlich die richtige Abfahrt. Ein wenig genutzter Sandweg führt in den hohen Wald, dort finden wir einen ruhigen Platz mit Abendsonne und Mücken, die nach Sonnenuntergang aufdringlich werden. Wir verzichten heute lieber auf das Lagerfeuer.
Mittwoch 27.10. - nahe Augusta
Die sonnige Wärme von gestern mussten wir heute gegen durchgehend grauen Himmel und empfindlich kalten Wind eintauschen. Protest! Nach einem kurzen Einkaufs-Stopp in Busselton nahmen wir Kurs auf die touristische Caves Road, so benannt nach einigen Kalksteinhöhlen, die man sich hier anschauen kann. Auf etwa 90km geht es durch Weinanbaugebiete und ausgedehnte Küstenwälder, der Waldboden meist bedeckt mit bunten Blumen, unter anderem sehen wir viele weiß leuchtende Calla. Sehr schöne Gegend, nur heute zu kalt für uns. Bei einer der Höhlen, der Caldarup-Cave, halten wir an. Diese Höhle ist noch weitgehend naturbelassen. Ein Holzsteg mit Geländer führt hindurch, aber es sind keine bunten Lichter deponiert und man muss auch nicht hinter einem eiligen Führer her hetzen. Stattdessen bekommt man Grubenhelm und Taschenlampe und kann dann auf eigene Faust auskundschaften gehen. Bis auf 27 Meter geht es in die Erde hinunter, zuerst geht man noch im letzten Schimmer des Tageslichtes, dann ist es stockdunkel. Im Schein der Taschenlampe tauchen bizarre Tropfsteinformationen auf, der Weg ist zeitweise so niedrig, dass wir stark gebückt gehen müssen. Der Helm hat hier durchaus seinen Sinn... 150m in eine Richtung, dann erreicht man das Ende der Höhle. Dort stehen Bänke, ein Schild lädt ein, sich still ins Dunkel zu setzen und den Geräuschen der Höhle zu lauschen. Da sitzen wir also und horchen, wie es leise tropft. Unweigerlich fallen mir die chilenischen Mineros ein, die in 700m Tiefe nicht wussten, ob sie das Tageslicht jemals wiedersehen würden. Wenn jetzt ein Erdbeben käme und den kaum einen Meter hohen Durchgang zur Oberfläche verschütten würde... Kommt keins, wir kriechen wieder zurück und in die andere Richtung, nochmal etwa 150m. Hier ist die Höhle höher, mehr und größere Tropfsteine sind zu sehen. Der Holzsteg führt über einen kleinen unterirdischen Fluss, von der Gerbsäure der Bäume braun gefärbt. Von der Decke hängen meterlange feine Wurzeln in die Höhle hinein. Kalt geworden und hungrig steigen wir wieder an die Erdoberfläche hinauf, knuspern schnell ein paar Kekse, bevor wir weiter nach Augusta fahren, der kleinen Stadt an der Südwestecke Australiens. Windiger wird es, dicke graue Wolken jagen über uns hinweg. Die genauere Erforschung des Leeuwin-Naturaliste Nationalparkes, der fast die gesamte Küstenstrecke des Südwestzipfels Australiens einnimmt, vezichten wir bei diesem ungemütlichen Wetter lieber. Auf dem Weg zum Leuchtturm,. der an der äußersten Ecke des Kontinentes darauf aufpasst, dass sich der Indische Ozean nicht zu sehr mit dem Pazifik vermischt, erwischt uns ein erster Regenschauer. Dementsprechend kurz gestaltet sich unser Besuch beim Leuchtturm. Einmal anschlagen, Foto und weg, in den nächsten Schauer hinein. Zurück nach Augusta und auf der Hauptstraße weiter. Richtung Osten ist nun die Generalrichtung für die nächsten Wochen. Für heute reicht es uns aber erstmal - in einem der großen wilden Wälder bietet sich ein versteckter Platz an. Bevor es wieder anfängt zu regnen, steht das Zelt trocken unterm Tarp und wir schauen uns den Regen gemütlich von drinnen an.
Donnerstag, 29.10. - Pemberton und Walpole
Aprilwetter. Sonnenschein und Regenschauer im schnellen Wechsel. Die Temperatur bewegt sich um 15 Grad, starker böiger Wind tut das Seinige dazu. Wir schwingen uns in den Rhythmus ein und bekommen das Zelt trocken verpackt. Dann fahren wir vor den Regenwolken her, die von Südwesten über das Meer herankommen. Wir sind schneller und brauchen vorläufig keine Regenklamotten. Die Urwälder beidseits der Straße bestehen hauptsächlich aus großen Gumtrees. Am Wegesrand blüht es rosa, indigo und weiß. Kaum ein Auto begegnet uns, endlich haben wir die Straße wieder für uns. Nach 100km kommen wir nach Pemberton. Kleine Stadt, viele Touristen, die von hier aus die Karri-Wälder erobern. 3km von hier kann man auf einen Baumriesen, den Gloucester Tree, steigen. Schauen wir mal! Aber erstmal wärmen wir uns in einem Straßencafe auf. Ein deutscher Backpacker erzählt uns von dem Baum: 62 Meter hoch ist er und man besteigt ihn mittels in den Baum geschlagener Steigeisen. Ohne Sicherung. Bis auf 61 Meter, wo es eine Aussichtsplattform gibt. Da hat man dann einen 360 Grad Rundblick. Soll sich lohnen, aber er meint, nicht bei solchem Wetter... Gute Ausrede für mich, da nicht rauf zu müssen. Wir entscheiden uns also dagegen, zu kalt und ungemütlich ist es heute für solche Abenteuer. Bei inzwischen nur noch 12 Grad fahren wir weiter, ohne Ziel, einfach nur in Bewegung bleiben. Zwischen Pullover und Jacke muss nun noch die Fleecejacke, ich friere trotzdem. Die schönen Wälder fliegen an uns vorbei, eigentlich schade drum... Mehr Regenschauer, inzwischen ist die ganze Landschaft nass. Farne und Moose sprechen davon, dass dieses Wetter hier zuhause ist. Wann haben wir eigentlich das letzte Mal so gefroren auf den Moppeds? In Alaska? Oder im südlichen Neuseeland? Kurz vor dem Valley of the Giants, einer besonderen Ansammlung von Baumriesen, die für morgen auf unserem Besichtigungsplan stehen, schlagen wir uns über einen sandigen Feldweg in die Büsche. Mit etwas Geländeeinsatz kommen wir dort zu einem guten Platz für die Nacht, sogar mit Flusszugang. Heute schaffen wir es aber leider nicht, im Trockenen aufzubauen: noch bevor das Zelt richtig steht, überrascht uns ein kräftiger Schauer. Mist! Aber als wir dann drinnen sitzen und zum Abendbrot heißen Kakao schlürfen, ist alles wieder gut.
Freitag, 30.10. - Cosy Corner, Torbay Bay
Mit genauer Beobachtung der Wolken waren wir morgens wieder erfolgreicher und hatten alles trocken verstaut, als es anfing zu nieseln und wir den sandigen Hügel wieder hinauffuhren. Nur 35km bis zum Valley of the Giants. Dort liefen wir gemeinsam zwischen den Baumdinosauriern herum. Es fand gerade eine Führung statt, der ich mich anschloss. Ich erfuhr, dass die "Red Tingle" Bäume, von denen wir hier einige wunderschöne Exemplare bewundern durften, als älteste aller Eukalyptusarten gelten. Meist von innen ausgebrannt und hohl, werden sie etliche Hundert Jahre alt und haben in diesem Tal überdauert, weil sie nur hier, wo es höhere Niederschlagsmengen als sonstwo in Westaustralien gibt (1200mm) noch genügend Wasser finden. Andere Eukalyptusbäume ziehen sich das Wasser durch lange Pfahlwurzeln aus der Tiefe herauf, doch die Red Tingles wurzeln nur flach und sind darum auf Oberflächenwasser angewiesen. Davon brauchen sie am Tag bis zu 400 Liter! Hier werden sie inzwischen extra mit Wasser versorgt, um diese Giganten zu erhalten, zwischen denen wir nun wie kleine Ameisen herumwuselten. Und dann ging ich auf den Tree Top Walk. Um die empfindlichen Wurzeln vor zu vielen Touristenfüßen zu schützen, kam man auf die Idee, die Touristen in die Baumkronen zu verlagern und baute einen metallenen Steg bis auf 40 Meter Höhe ins Obergeschoss des Waldes. Auf hohen Pfeilern abgestützt spannt sich der Weg über weite Strecken durch den Wald. Durch die Gitterroste, auf denen man geht, kann man in die Tiefe schauen. Die ganze Konstruktion schwingt enorm, wenn mehrere Menschen darüber laufen, aber durch seitliche Absicherung der Gangway bis ca 1,10m Höhe kann da nichts passieren. Man hangelt sich bei Bedarf einfach an dem Edelstahlhandlauf entlang, dann kann es schaukeln, soviel es will. Es könnte einem höchstens schlecht werden... Mir ging es jedoch gut dort oben, von Höhenangst keine Spur, und ich genoss den Ausblick von oben auf die Baumriesen und über den Wald in die, leider immer noch wolkenverhangene, Ferne. Thomas wartete unten auf mich und unterhielt sich derweil mit zwei Wanderern, Vater und Sohn, die eben vier Tage lang auf einem Trail gewesen waren. Als ich zurückkam, fuhren wir weiter nach Denmark. Um herauszubekommen, warum diese kleine Stadt diesen Namen bekommen hat, hielten wir beim Touristbüro an und fragten die netten Ladies dort. Wir vermuteten ja einen Zusammenhang zu den schon erwähnten, so nordisch klingenden Ortsnamen der Gegend, evtl von Dänen zuerst besiedelt, wie ja auch der Ort Dannevirke in Neuseeland ( ihr erinnert euch vielleicht?), aber da mussten wir uns eines Besseren belehren lassen: die Stadt Denmark (und der gleichnamige Fluss, der durch die Stadt fließt) wurde von ihrem Gründer nach dessen Freund, einem Offizier namens Denmark, benannt. Mit den auf ...up endenden Ortsnamen hat das nichts zu tun, diese stammen aus der hiesigen Aboriginalsprache und das "up" bedeutet "Platz von...". Tja, so kann man sich täuschen bei der Interpretation von Dingen, die doch so schön zusammenpassen. Wie im wirklichen Leben... Wir ließen Denmark hinter uns und fuhren weiter Richtung Albany, bogen auf halber Strecke Richtung Küste ab und folgten der Streckenbeschreibung unseres bisher nicht sehr hilfreichen Free Camping-Guide-Buches für diese Region, das ich neulich gekauft habe, zu einem empfohlenen Platz am Strand. Viel versprachen wir uns davon nicht, weil wir befürchteten, es würde am Strand zu windig sein, aber wir wurden sehr angenehm enttäuscht: ein herrlicher weißsandiger Strand in einer schönen Bucht, der kleine freie Zeltplatz hinter dichter Vegetation sehr geschützt gelegen. Dazu außer uns kaum jemand da, Tische und Toilettenhäuschen vorhanden, was wollen wir mehr? Nach einem obligatorischen Spaziergang am Strand entlang und auf den Hügel hinter dem Zeltplatz, von dem man einen weiten Ausblick über die Bucht hat, saß ich, Fotos bearbeitend, am Tisch, als eine nett aussehende Frau, etwa meines Alters, in selbstgestricktem Wollpullover, vorbeikam und mich auf die Motorräder ansprach. Sie sei auch schon mal für drei Monate mit ihrem damaligen Freund auf Motorrädern durch Australien gefahren, erzählte sie. Wir verstanden uns auf Anhieb, unterhielten uns lange, bis sie fragte, was wir denn heute zum Dinner essen würden. Wahrheitsgemäß sagte ich, wir würden wohl Brot essen. Da meinte sie, sie wolle eben nach Hause fahren, das sei nur 5 Minuten entfernt, und uns ein paar Kartoffeln kochen, damit wir was Warmes in den Magen bekämen. War das nicht nett? Schon saß sie im Auto und wollte losfahren, da kam mir die Idee, mitzufahren. Sal fand diese Idee auch gut und so fuhren wir zusammen los. Sie wohnt, zusammen mit ihren Eltern, zwei schönen Pferden und einer 17-jährigen Katze auf dem Hügel, der westlich über der Bucht trohnt, in einem urgemütlichen älteren Haus mit fantastischem Fernblick über das waldige Land. Sal's Mutter liebt Blumen und investiert viel Energie in einen bunten Garten rund um das Haus, die Pferde wohnen nebenan auf einer Koppel und begrüßten das heranfahrende Auto mit erwartungsvollem Wiehern. Die Pferde, eine junge Araberstute und ein etwas älterer Appaloosawallach, wurden mir als erstes vorgestellt, dann gingen wir ins Haus und ich lernte Terry und Gwenna, die Eltern, kennen. Während unsere Kartoffeln kochten, unterhielt ich mich mit der freundlich-interessierten Familie, in deren Haus ich mich gleich heimisch fühlte. Der Holzofen verbreitete wohlige Wärme, alte, stilvolle Holzmöbel in dem großen Wohnraum, in einer warmen Ecke lag die betagte Katze auf einem Polster und schlief... Dann wurde ich herzlich verabschiedet und Sal fuhr mich, mit dem heißen Topf auf dem Schoß, zurück zum Zelt, wo Thomas, nichts von unserer geschenkten Mahlzeit ahnend, wartete. Überraschung!! Danke, Sal! So eine schöne Begegnung (auch ohne Kartoffeln).
Sonnabend, 31.10. - Albany
Morgens kam der Ranger und teilte uns, den Strafzettelblock in der Hand, mit, dass an diesem schönen Platz das Campen verboten ist. Glücklicherweise ist David Motorradfan und überhaupt ein netter Mensch und so kamen wir um die Strafe herum. Stattdessen hatte ich einen netten Plausch mit ihm. Das Wetter macht heute einen besseren Eindruck: der Wind hat nachgelassen, der Himmel ist wolkig, aber aus den Wolken fällt nichts mehr heraus. Während wir frühstücken, läuft ein scheues Bandicoot vorbei. Diese einheimischen Tierchen gehören zu den Beuteltieren, haben eine spitze Nase und sehen insgesamt aus, wie große Ratten mit kurzen Schwänzen. Gut gelaunt fahren wir Richtung Albany, einer recht schönen Stadt mit Hafen, alten Gebäuden und netten Straßencafes, malerisch am Hang vor der blauen Bucht gelegen. Inzwischen scheint die Sonne und wir genehmigen uns ein Stück Schokoladenkuchen mit Blick auf das neue Entertainmentcenter am Wasser, das ein wenig nach einer Einfachversion der Sydney Oper aussieht. Kühl ist es immer noch, wir sitzen in unseren Jacken vor dem Cafe. RIchtung Norden verlassen wir dann die Stadt, Richtung Stirling Range. Unsere Idee ist, dass es evtl weiter im Land etwas wärmer sein könnte als auf der Küstenstrecke nach Esperance. Dem ist nicht so, schade... Aber trotzdem lohnt der kleine Umweg, denn die Berge wachsen recht imposant aus den gelben Feldern der flachen Agrarlandschaft in den nun wieder blauen Himmel. Am Abend fahren wir durch ein offenes Gatter, folgen einem Feldweg und verkriechen uns in einem kleinen Hain vor dem scharfen Wind. Trotzdem zerknackt beim Aufbau mal wieder eine Zeltstange wegen des Winddruckes. Thomas sägt das aufgeplatzte Stangenende ab, ist sie halt 2cm kürzer.
Australien Oktober 2010 (Weltreise Tagebuch 118) nächstes Tagebuch
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