Mittelamerika Reiseberichte


Mexiko
 
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24.01.09 Valladolid
Wir schrauben weiter an den Motorrädern herum und ärgern uns nebenbei mit denselben Problemen wie alle anderen Computernutzer weltweit herum: einige Viren machen unserem neuen Notebook zu schaffen und wie jeder bestätigen kann: mit kränkelnden Rechnern kann man ganz schön viel Zeit verplempern. Eine Woche dürfen wir noch hier im Haus bleiben, dann endet unser Mietvertrag und wir nehmen unser Vagabundendasein wieder auf. Nach der relativen Sesshaftigkeit der letzten zwei Monate erstmal wieder ein ungewohntes Gefühl.

27.01.09 Valladolid
Happy Birthday, liebe Miriam, zu deinem 20. Geburtstag. Es ist etwas ganz Besonderes, eine so große Tochter zu haben - schön, dass es dich gibt!
Soviel zu meinen familiären Freuden, die mir auch von ferne ganz nah sind.
Hier in Valladolid regnet es heute schon den ganzen Tag recht kräftig, also kein Wetter, um unseren üblichen Nachmittagsspaziergang zur Plaza zu unternehmen. Wir haben „zuhause“ genug zu tun und langweilen uns nicht im Geringsten. Das Zelt brauchte eine kleine Kur, um wieder „ganz dicht“ zu werden und auch die Reissverschluss-Zipper, die regelmäßig verschleissen, mussten mal wieder ausgetauscht werden. Das ist eine etwas fummelige Arbeit, aber man hat danach wieder einen gut funktionierenden Reissverschluss, ohne ihn komplett zu tauschen. In Deutschland musste ich neulich feststellen, dass es im dortigen Einzelhandel überhaupt keine einzelnen Zipper zu kaufen gibt - man ist also gezwungen, ganze Reissverschlüsse zu tauschen oder z.B. eine Jacke nur wegen des maroden Reissverschlusses zu entsorgen. Wegwerfgesellschaft…
Während wir uns also auf unsere Abfahrt aus Valladolid vorbereiten, läuft um uns herum der mexikanische Alltag ab, der uns durch unsere fast-Sesshaftigkeit so manchen Einblick gewährt. Z.B. haben die Wohnhäuser hier alle einen Wassertank auf dem Dach, der durch den Leitungsdruck laufend aufgefüllt wird. In manchen Zeiten des Tages scheint der Druck zu steigen - die Wasserbehälter laufen über. Und da sie nur aus großen, oben offenen Blechtonnen mit Deckel bestehen, läuft das Wasser einfach an der niedrigsten Stelle über den Rand und sucht sich seinen Weg über das Dach. Da es keine Dachrinnen gibt, fließt das kostbare Nass über die Kanten der flachen Dächer, läuft die Wände herunter, ins Fundament hinein oder bleibt in großen Pfützen auf dem Beton der Hinterhöfe stehen. Es kümmert offensichtlich niemanden, denn sonst gäbe es sicher Möglichkeiten, das überlaufende Wasser durch ein Stück Schlauch in eine Wassertonne auf dem Hof oder sonstwo hin zu leiten.
Oder wir schauen auf den allgegenwärtigen stinkenden Müll, den ausser uns kaum jemand zu bemerken scheint. Bedeutet eine müllarme Umwelt nur für die Menschen der sogenannten entwickelten Länder eine Verbesserung der Lebensqualität oder ist es für die hiesige Bevölkerung wegen dringenderer Probleme nur nicht prioritär?
Fünf Minuten Gehweg von unserem Haus entfernt liegt seit Wochen ein überfahrener Hund am Straßenrand. Die Geier haben ihn entleert, ohne seine Hülle zu zerstören, nun ist er lederhart und trocken, seine weissen Zähne liegen frei, ein grausiger Anblick. Niemand stört sich dran, doch als Thomas Fotos von dem Kadaver macht, schauen alle Passanten entsetzt.
Apropos Hunde: in unserer näheren Umgebung sehen wir immer wieder dieselben traurigen Hundeexistenzen: eine kleine weiße Hündin mit dauernd stark geschwollenen blutenden Genitalien, viele Verkehrskrüppel mit nur drei funktionsfähigen Beinen oder so hungrig, dass sie selbst leicht nach Nahrung riechende Plastiktüten durchkauen oder gar auffressen. Schaut man sie nur an, klemmen sie den dünnen Schwanz unter den Hungerbauch und rennen davon...
Wir schauen doch auch nach längerer Reisezeit noch sehr mit europäischen Augen in die Welt und sehen überall Verbesserungsbedarf. Ich weiss nicht, ob wir uns dabei überheblich über die Wahrheiten anderer Länder erheben - gibt es ein „besser“?
Kann es einen befriedigenden Grund dafür geben, dass z.B. die vielen Hunde so zu leiden haben, der mir sagt, es ist ein funktionierendes System und es ist gut so? (Versteht jemand diesen Satz?)
Andererseits ist in den entwickelten Ländern die Entwicklung teilweise so fortgeschritten, dass sie sich selbst pervertiert und lähmt. Beispiele hierfür sehen wir täglich im weltweit ausstrahlenden Deutsche Welle-TV, das uns auch hier mit z.T. sehr guten und konstruktiven Dokumentationen versorgt. Also natürlich auch nicht alles toll! Trotzdem ist es, wie es ist und es gibt nur diese und keine andere Realität. Es fällt mir oft schwer, das zu akzeptieren.
Naja, keiner dieser Gedanken ist wirklich neu, aber sie bleiben für mich aktuell und bewegen mich.

31.01.09 Valladolid
Morgen geht es wieder auf die Straße! Wir haben fertig gepackt, abgesehen von dem üblichen Übernachtungsbedarf und sind nun ganz aufgeregt. Dummerweise ist unsere Hauswirtin, mit der wir heute schon mal Übergabe machen wollten, bisher nicht aufgekreuzt. Naja, wir sind halt in Mexiko und morgen ist ja auch noch ein Tag. Vormittags waren wir ein letztes Mal in der Stadt und haben versucht, das Fahrrad zu einem akzeptablen Preis wieder zu verkaufen, was nicht ganz einfach war. Der ursprüngliche Verkäufer wollte nur wenig bezahlen, andere Käufer fanden wir so schnell nicht, also handelte Thomas heftig und konnte jedenfalls noch etwas mehr heraus bekommen. Für den frühen Nachmittag hatten wir dann unsere Nachbarin Justina und Doña Lupe zum Kaffee eingeladen - beide kamen nicht. Justina rief irgendwann über die gemeinsame Mauer des Hofes, dass sie leider arbeiten müsse und darum keine Zeit hätte, von Lupe haben wir bisher noch nichts gehört. Wir hoffen, dass sie noch kommt, denn es gibt einiges zu klären (z.B. wollte sie evtl den Fernseher übernehmen), ausserdem wollten wir ihr gern noch in Ruhe das Haus, in dem wir uns nun doch recht heimisch fühlen, zurückgeben. Und dann schließen wir das Kapitel Valladolid und fahren wieder frei durchs Land.
Die kleinen hellbraunen Geckos, die meist irgendwo im Haus an den Wänden herumkrabbeln und die uns mit ihren recht lauten "Knutsch"-Geräuschen unterhalten, müssen sich dann wieder an andere Menschen gewöhnen. Ob sie sich wohl auf die Gewohnheiten der Menschen, mit denen sie zusammen wohnen, irgendwie einstellen? Sie waren für uns als Hausgenossen jedenfalls angenehmer als die Cucarachas oder auch Skorpione, von denen Thomas neulich einen mitten im Haus auf dem Fußboden angetroffen hat. Wenn man hier barfuß herumläuft, ist so ein Kamerad nicht unbedingt erwünscht. Wir schütteln immer schön unsere Schuhe aus...

01.02.09 zwischen Cancun und der Isla Blanca
Lupe kam doch abends noch kurz vorbei und wir regelten, was noch zu regeln war, bevor wir die letzte Nacht in "unserem" Haus verbrachten.
Morgens war ich schon um sechs Uhr wach vor lauter Spannung, dass es nun los geht!
High noon, zwölf Uhr mittags, verabschiedeten wir uns von den netten Nachbarn von gegenüber, die uns bei der Suche nach dem Gepäck so hilfreich waren und bei denen wir immer unser Trinkwasser gekauft haben und starteten ins neue Abenteuer. Aus dem Radio quoll passenderweise eine Instrumentalversion von "Time to say goodbye", als wir uns die Helme über die Köpfe stülpten und losfuhren... Auf den ersten Kilometern fühlte ich mich so unsicher, als säße ich zum ersten Mal auf dem Motorrad, dann kam allmählich das Gefühl fürs Fahren wieder. 160km Landstraße nach Cancun zurück, immer geradeaus durch die flache grüne Gegend. Man kann nur ein paar Meter von der Straße in den Busch gucken, dann endet die sichtbare Welt. Nicht besonders spannend, aber heute, am Sonntag, jedenfalls auch mit wenig Verkehr. Der wurde wieder dichter, als wir in die Nähe der Stadt kamen, und spülte uns geradeaus zum Fährhafen, von wo aus ein kleines Sträßchen über eine schmale Landzunge nach Nordost führt. Etwas enttäuschend war für uns, dass fast der gesamte Küstenstreifen abgezäunt und nur mit Eintrittskarte begehbar ist. Wir fuhren an den Zäunen entlang, bis wir zu einem Strandrestaurant kamen, bei dem der Sandweg endete. Da der Himmel stark bewölkt war und ein relativ kühler Wind blies, war dort bei den Sonntagsausflüglern schon Aufbruchstimmung - es war auch wirklich nicht sehr einladend. Wir standen ein Weilchen herum und schauten aufs Meer, dann kehrten wir um und suchten auf dem Rückweg nach einem Zeltplatz im Grünen. Auf der seeabgewandten Seite fanden wir einen schmalen Weg, für uns gut befahrbar, der bis zu einem kleineren Mangrovensumpf führte und nicht verschlossen war. Am Ende des Weges, direkt am Wasser, ein wie für uns geschaffenes Fleckchen Sand. Leider hat dieser schöne Platz einen Haken: es wimmelt nur so von ungeheuer gefräßigen Mücken. Da ich seit meines Haarschnittes um Kopf und Hals herum nicht mehr so gut geschützt bin (Thomas ja sowieso nicht), flüchteten wir so schnell wie möglich ins Zelt. Einige wenige schafften es, sich mit dort hinein zu drängeln, aber das war nicht sehr schlau, denn sie wurden gnadenlos geplättet. Fast alle hinterließen rote Flecken, sie waren also scheinbar schneller gewesen.
Der Himmel zog sich weiter zu, wobei die Wolken über uns im Kreis zogen, wie bei einem Zeitlupenwirbelsturm. Es fing etwas an zu regnen, aber bisher wurde nicht viel daraus. Tja, nun ist es halb sieben Uhr abends und wir gehen zu Bett, heute kein Fernsehen...

02.02.09 Cancun/Puerto Juarez
Nach fast zwölf Stunden herrlicher Ruhe begannen wir den Tag mit ausgiebigem Frühstück im Zelt, wegen der Mücken. Als wir losfahren wollten, gab Foster keinen Ton von sich. Wie sich herausstellte, war einer der Kontakte an der gerade neu gekauften Batterie nicht fest genug angezogen. Nachdem dies behoben war, sprang er problemlos an.
Wir fuhren zurück nach Puerto Juarez, um unsere Zollformalitäten zu erledigen, mussten leider schon zum zweiten Mal unverrichteter Dinge wieder wegfahren, denn wie schon im November haben wir mal wieder einen Feiertag erwischt und der Zoll arbeitet nicht. Morgen wieder…
Tja, was tun mit dem angefangenen Tag?
Nach kurzer Debatte loggten wir uns auf dem nahegelegenen Trailer- und Campingplatz ein, für Cancun-typisch hohen Tarif (130 Pesos für zwei Leute) und bauten das Zelt mitten am Tag dort schon wieder auf. Es wohnen hier ein paar Langzeitreisende, mit denen wir gleich ins Gespräch kamen: z.B. Peter aus der Schweiz, seit 30 Jahren in der Karibik, lange Jahre mit einem Segelboot, jetzt, nachdem das Boot bei einem Wirbelsturm untergegangen war, in einem großen Wohnmobil. Er wohnt seit vier Jahren auf diesem Platz und hat in Cancun ein Geschäft aufgemacht, von dem er scheinbar recht gut leben kann. Doch er möchte lieber wieder auf einem Boot leben, sagt er, denn da hat man mehr seine Ruhe als auf einem „Trailerpark“, wie die Wohnmobilplätze hier nach amerikanischem Vorbild heissen. Der Platz ist relativ angenehm, wir haben ein schönes Rasenplätzchen im Schatten eines Baumes, es gibt warme Duschen und auch ein Wlan-Netz, das allerdings mit 60 Pesos am Tag sehr teuer ist. Ein Badestrand ist in fünf Minuten Fußweg zu erreichen, den werde ich gleich mal aufsuchen. Ein ruhiger Tag also, morgen schauen wir mal, was der Zoll sagt und suchen uns dann eine kleine Straße an die Nordküste.



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