Südamerika Reiseberichte

Argentinien
 
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Montag, 29.10.
Heute morgen nach dem Frühstück habe ich mit einer Hotelangestellten über die soziale Situation in dieser Stadt gesprochen. Sie klärte mich darüber auf, dass die Zelte auf der Plaza nicht immer dort stehen, sondern dass dies eine Protestaktion der unteren Bevölkerungsschicht anlässlich der Wahl ist. Sie wollen so auf ihre Not aufmerksam machen. Nach Ansicht meiner Gesprächspartnerin ein hoffnungsloser Versuch, da die Parteien andere Interessen vertreten. So werden die Zelte wohl in den nächsten Tagen hier wieder verschwinden und alles bleibt wie gehabt. Es gibt in dieser Region so gut wie keine Mittelschicht, erfuhr ich. Entweder sind die Leute reich vom Tourismus oder so arm, dass die Kinder schon mitarbeiten müssen, um die Familie am Leben zu erhalten. Hier gehen viele Kinder nicht zur Schule, lernen nichts, haben keine Chance auf ein besseres Leben. Und in der Einkaufsmeile reiht sich ein teures Schuhgeschäft an das andere, in den Supermärkten gibt es alles zu kaufen, was die reichen Gaumen erfreut...
Auf der Straße trafen wir ein deutsches Paar, die für drei Wochen hier unterwegs waren und am Freitag nach Hause fliegen. Wir unterhielten uns ein wenig und sie waren so nett, für uns als Kuriere zum Transport einiger Datenträger herzuhalten. Dankeschön dafür! Gegen Mittag machten wir uns auf den Weg aus der Stadt, den wir überraschend schnell fanden, und fuhren die Ruta 12 weiter Richtung Norden. Noch 300 km bis Iguazu. Die Straße war relativ voll und es blies ein starker böiger Wind von Osten, der uns ziemlich zu schaffen machte, wenn Schwerlastverkehr entgegen kam. Man musste sehr aufpassen, um die eigene Spur zu halten. Dafür war es aber auch nicht so heiss, was ich als sehr erholsam empfand. Kurz hinter San Ignacio bogen wir von der Hauptstraße auf die Ruta 6 ab, die uns auf 45km Länge durch sehr schön bewaldete Hügellandschaften führte. Dort war der Wind nicht mehr so lästig: er kam nun eher von vorne und es war sehr wenig Verkehr auf dieser Strecke. In Campo Viera trafen wir auf die andere Hauptstraße, die Ruta 14 und folgten dieser, da es in Campo Viera scheinbar keinerlei Unterkunftsmöglichkeiten gibt, ein paar Km nach Norden, bis wir ein kleines Hinweisschild zu einem Campingplatz sahen. Ca 1km abseits der Straße fand sich ein sehr schön gelegener grüner Platz an einem Bach, mit vielen Bäumen, Tischen und Bänken - ideal für uns. Da die Saison hier noch nicht angefangen hat, haben wir den Platz ganz für uns.
Dienstag, 30.10.
Nach einer herrlich ruhigen Nacht warten wir nun darauf, dass sich das Wetter wieder bessert: es donnert rundherum so vor sich hin, ab und zu regnet es. Es gibt nichts weiter zu tun, als abzuwarten und so nutze ich die Zeit und erzähle mal etwas darüber, wie es uns unterwegs so geht. Jetzt nach ca sechs Wochen Argentinien sickert so allmählich die Erkenntnis durch, dass wir nicht in einem normalen Urlaub hier sind. Das führt bei mir manchmal zu heftigen Heimwehattacken und mein allgemeines Sicherheitsbedürfnis fühlt sich häufig unbefriedigt. Es fehlt die Basis, von der aus das Tagwerk startet. Wir brechen immer wieder auf und müssen uns abends erst wieder ein neues Nest bauen, in dem wir uns sicher und wohl fühlen. Daran muss ich mich erst gewöhnen! Thomas hat diese Sorgen nicht, ich bin da wohl etwas empfindlicher. Was mir gut tut, sind die freundlichen Kontakte mit den Menschen hier, die oft auf uns zugehen und sehr interessiert an Gesprächen sind. Das übt mein Spanisch und bringt ein Gefühl des Willkommenseins in diesem Land. Durch unser Schulprojekt und die vielen Gespräche drumherum habe ich auch das Gefühl, viel mehr von der Kultur und den Menschen mitzubekommen, als es auf früheren Reisen der Fall war. Das macht die Reise intensiver, wenn auch oft anstrengender, weil mich die Kommunikation auf Spanisch doch ziemlich fordert, wenn es kein Smalltalk bleiben soll. Dazu kommt, dass mich die krassen sozialen Unterschiede und das Elend vieler Menschen - und die geringe Hoffnung auf Verbesserung der Situation in diesem relativ reichen Land - oft sehr traurig machen. Wenn sich die Politik im eigenen Land nicht für die Verbesserung der Lebensumstände aller Bürger interessiert, wie soll es dann besser werden? Wie gut, das manche von der Politik vergessenen Leute ihr Schicksal einfach selbst in die Hand nehmen, wie z.B. Yoni, den ich gestern kennenlernte, als ich vor einem Geschäft bei den Moppeds auf Thomas wartete. Yoni ist ca 7 oder 8 Jahre alt und sprach mich auf unsere Motorräder an. Er hatte sich gerade einen Hamburger besorgt, scheinbar von dem Geld, das er hier bei dem großen Geschäft mit dem Tragen und Verpacken der Waren von den Kunden bekommt. Er schien zufrieden, wie einer, der sich sein Essen selbst verdient hat und bot mir sogar großzügig einen Bissen von seinem Mittagessen an. Er erzählte mir, dass er vormittags arbeitet und nachmittags zur Schule geht und dass er sich später auch mal ein Motorrad kaufen will. Ich glaube, dass er es tatsächlich schaffen kann, in dem er die Verantwortung für sein Leben nicht an die Politik abgibt und auch nicht betteln geht, sondern selbst für sich sorgt. Ich wünsche dir alles Gute, Yoni! Inzwischen ist es abends und wir haben unser kleines Haus schon wieder woanders aufgestellt. Heute wohnen wir auf einem bewachten Campingplatz in der Nähe von Monte Carlo an der Ruta 12 und waren ca fünf Minuten langsamer als der Regen: auf den letzten 2km traf uns ein tropischer Schauer so heftig, dass wir beide bis auf die Haut durchnässt hier ankamen. Mal wieder sind wir die einzigen Camper und durften das Zelt unter einem großen Dach mit eigenen einfachen Sanitäranlagen und jeder Menge Grillvorrichtungen, Tischen und Bänken, aufstellen. Auch die Motorräder dürfen hier trocken stehen und ein freundlicher Hund leistet uns Gesellschaft. Nur 130km sind wir heute gefahren, die allerdings durch wunderschöne Hügel mit dichten Galeriewäldern, z.T. mit herrlicher Aussicht über das weite Land. Von der, hier ober angenehm zu fahrenden, weil ziemlich leeren Ruta 14 sind wir dabei in der Ortschaft Dos de Mayo auf die R.11 abgebogen, auch eine gut geteerte, endlich mal etwas kurvigere kleine Straße. In Alcazar wollten wir eine Müslipause machen, kamen aber kaum zum Essen, weil wir gleich von einigen lustigen Leuten in Beschlag genommen wurden. Einer, Carlito, sprach uns gleich auf deutsch an ( sein Vater war Deutscher, er ging daher zur deutschen Schule und hat auch eine Frau mit österreichischer Abstammung geheiratet ). Er meinte, er sieht es den Leuten an, wenn sie aus D-Land kommen. So standen wir mit ihm und einigen anderen lange herum, währenddessen sich der Himmel allmählich zuzog. Ein jüngerer Mann italienischer Abstammung, selbst Motorradfahrer, lud uns zu sich nach Hause ein - er wollte nur kurz noch was erledigen und dann zurückkommen. Wir aßen also unser Müsli und warteten ein Weilchen, ob er zurückkäme, mussten uns dann aber auf die Socken machen: der Himmel sah nach viel Regen aus...
So wollten wir alternativ, einem Tip von Carlito folgend, zum Zoo von Monte Carlo fahren. Er meinte, dort könnten wir sicher zelten, bei einem älteren Deutschen namens Kruse, der den Zoo leitet. Leider musste Herr Kruse gerade weg, um Tierfutter zu kaufen und hatte darum keine Zeit für uns. Wir könnten unser Zelt vor seinem Zoo auf den Busparkplatz stellen, meinte er. Das sah uns nicht so sicher aus und wir entschieden, doch lieber zum nahen Campingplatz zu fahren. Naja, unterwegs dahin erwischte uns der Regen dann doch...
Mittwoch, 31.10. - Puerto Iguazu
Nach einigen Tagen mit etwas einfacheren Unterkünften wohnen wir heute mal wieder im Paradies! Die letzten 120km nach Iguazu waren schnell abgespult auf der R.12, es ging eigentlich nur geradeaus, bergauf und bergab. Die Autofahrer hatten es allesamt ziemlich eilig und überholten uns teilweise auch in Zweierreihe, aber sonst war es nur heiss. An einer Tankstelle sahen wir einige große Motorräder stehen, als wir anhielten, begrüßten uns fünf Brasilianer. Sie erzählten uns in gutem Englisch, dass sie auf dem Rückweg von San Pedro de Atacama seien. Geldprobleme scheinen sie nicht zu haben, denn sie hatten sogar ein Begleitauto dabei und fuhren allesamt teure Moppeds: zwei 900 Adventure, eine V-Strom, eine große BMW, eine 650er BMW.
Hier in Iguazu fragten wir gleich bei der ersten Touristinfo nach dem Hostel Peter Pan, welches uns die beiden Deutschen in Posadas empfohlen hatten, fanden es auch sofort und bekamen sofort ein schönes Zimmer am Pool, wo wir sogar die Motorräder direkt vor die Tür stellen konnten. Die Sonne scheint ganz anders, wenn es einen Pool zum Abkühlen gibt, so dekadent es auch aussieht - das Leben ist schön!
Donnerstag, 01.11. -  Iguazu
Dies ist eindeutig nicht der Tag, um sich die Wasserfälle anzuschauen: heute morgen wurde es immer dunkler anstatt heller und es gab einen stundenlang andauernden Tropenregen mit Gewitter und mal wieder Stromausfall. Was mich viel härter traf, war der Ausfall des Internetkontaktes. Da am Hostalrechner Skype installiert ist, hatte ich gestern schon einige Chats verabredet, die nun vorläufig nicht stattfinden können. Schade! Wir verbrachten den verregneten Vormittag am Frühstückstisch in der zum Patio mit dem Pool offenen Küche und sprachen mit Jorge über die große Weltpolitik. Jorge ist ein argentinischer Zahnarzt mit Schweizer Abstammung, der hier mit seiner Mutter eine Woche Urlaub macht und uns in sehr gutem Deutsch viele spannende Informationen über Südamerika und den Rest der Welt weitergegeben hat. Es stimmt schon: wir wissen in Europa wirklich nicht viel über diesen Subkontinent. So langsam fange ich an, etwas mehr von den Entwicklungen hier zu begreifen. Leider kann ich von den vielen Worten hier wenig Verwertbares weiterreichen, dafür war es einfach zu viel Input, aber ich werde versuchen, das Wesentliche gesondert aufzuschreiben. Nun hoffen wir für morgen auf besseres Wetter, um den für heute geplanten Ausflug zu den "Cataratas" zu unternehmen. Inzwischen ist es wieder trocken, aber ein halber Tag lohnt nicht für den Naturpark, man bezahlt immerhin 40 Pesos Eintritt. Den Rest des heutigen Tages widmen wir daher der Dokumentation und Equipementpflege, dem Baden und Spazierengehen und später vielleicht doch noch der Kommunikation mit "Zuhause"...
Freitag, 02.11.
Unser Tag bei den Wasserfällen ist leider etwas ins Wasser gefallen, d.h. es hat fast die ganze Zeit geregnet, während wir in dieser gigantischen Kulisse herumgelaufen sind. Das ist natürlich etwas schade, aber immerhin gab es bei dem Wetter dort keine Mücken und der tropfende Regenwald war sehr schön anzuschauen, aber trotzdem hätte ich mir etwas Sonne gewünscht. Morgen werden wir uns wohl wieder auf den Weg machen, ab jetzt geht es nach Süden. Ende Dezember wollen wir in Ushuaia sein und bis dahin sind es noch ca 5000 km...
Sonntag, 04.11. - Campingplatz El Trebol bei San Vicente
Gestern haben wir uns aus Iguazu und von Jorge und seiner Mutter Nora verabschiedet und sind bei angenehmen Temperaturen 280km nach Süden gefahren. Das erste Stück bis Eldorado auf der R.12 (es gibt da keine wirliche Alternative), dann links ab durch das schöne Hügelland, bis wir die R.14 wieder erreichten. Als uns das Hinterteil schon deutlich bescheid sagte, dass es Zeit für den Feierabend sei, fragte ich einen Jungen, der an einer Tankstelle in San Vicente fegte, nach einem Campingplatz. Er beschrieb mir gleich mehrere nahegelegene Plätze mit allen möglichen Attraktionen wie Wasserfällen oder warmen Schwimmbädern. Da wir in erster Linie einen Schlafplatz suchten, fragte ich nach dem Nächstgelegenen. Er erklärte die Strecke perfekt mit korrekten Km-Angaben und so fanden wir 3km abseits der Straße einen freundlichen Ort mit einer begeisterten Pächterfamilie deutscher Abstammung, die in voller Besetzung zum Schnacken kamen, sobald wir unser Zelt aufgebaut hatten. Die Sprache ist dieser Familie allerdings inzwischen abhanden gekommen, nur die Mutter spricht noch ein paar Worte deutsch. Scheinbar habe ich dem kleinen Nicolas Angst gemacht, als ich ihn fragte, ob er sich mal aufs Motorrad setzen wolle: er lief davon und wollte nicht wiederkommen...
Man bereitete im Holzbadeofen heißes Wasser zum Duschen für uns und überließ uns dann unserem Abendbrot. Die Nacht war kühl, wir brauchten tatsächlich mal wieder die Schlafsäcke zum Wärmen. Da heute Sonntag ist, kommen so allmählich die Badegäste angefahren, obwohl es sonnig, aber immer noch recht kühl ist. Hier wird ein kleiner Bach durch ein großes Plantschbecken von 70cm Tiefe geleitet, in das verschieden lange Rutschen führen. Die längste hat bestimmt 20m... Um das Becken herum sind viele Schattendächer mit Sitzgelegenheiten gebaut und das Ganze liegt in einem kleinen bewaldeten Tal, richtig idyllisch! Abenteuerlich sind die Fahrzeuge, mit denen die Leute hier angefahren kommen: eine Familie kam mit einem Truck, andere mit Autos, die höchstens noch auf zwei Zylindern laufen oder in lauten, stinkenden Pickups. Der Weg hierher besteht aus einer dunkelroten Piste, die bei Feuchtigkeit wohl sehr glitschig wird, jetzt aber trocken und in den Fahrspuren richtig glänzend glatt ist. Die Erde in der ganzen Gegend sieht so rotbraun aus und ist scheinbar sehr feinkörnig: der rote Staub überzieht hier alles. Mit dem satten Grün der Vegetation sieht bildet es einen sehr schönen Kontrast. Unsere nächste Station heute wird der Salto Encantado sein, ein Wasserfall, den uns die Leute hier wärmstens empfohlen haben. Abends um halb sieben steht unser Zelt an eben dem Wasserfall in der Abendsonne, das Wasser rauscht in einiger Entfernung 60m im freien Fall in den Dschungel. Nachdem wir uns diesen und diverse kleinere Fälle im Wald angeschaut und viele bunte Schmetterlinge zu fotografieren versucht haben, stellten wir fest, dass man hier auch zelten darf und so brauchten wir gar nicht mehr loszufahren, sehr praktisch. Die anderen Sonntagsgäste fahren allmählich alle weg, dann haben wir den Platz mal wieder ganz für uns allein. Dieser Naturpark ist natürlich nicht so spektakulär wie Iguazu, aber gut gepflegt mit ausgeschilderten Wegen, wo uns zwei größere Echsen begegnet sind. In der näheren Umgebung gibt es fünf kleinere Wasserälle, alle sehr unterschiedlich gelegen. Am schönsten fand ich den kleinsten der drei, die wir gesehen haben: er liegt ganz versteckt im Wald und ist nur ca 5 m hoch, hat dafür aber einen kleinen Teich als Auffangbecken. Sieht irgendwie gemütlich aus - sowas im Garten zum Baden....
Soviel für heute.
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