Südamerika Reiseberichte

Argentinien
 
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Mittwoch, 12.12. - Uzcudun
Dieser Ort ist eigentlich nur eine Tankstelle, mitten im patagonischen Nichts, aber für uns eine Möglichkeit, für ein Weilchen dem Wind auf der Straße zu entkommen. Eine Portion Papas Fritas im Magen und schon ca 150km auf dem Tageskilometerzähler, die Hälfte des Tagespensums geschafft. Mehr als Kilometerfressen können wir hier nicht tun, wären der Wind und die LKW nicht, könnte man glatt auf dem Mopped einschlafen. Aber da es diese beiden Faktoren eindeutig gibt, ist das Fahren richtig Arbeit. Das Seitenwindfahren ist so eine Wissenschaft für sich, die ich allmählich lerne: wenn man versucht, den Böen zu begegnen, indem man den Lenker fester hält und sich gegen den Wind lehnt, verkrampfen sich sehr schnell die Arme und Schultern und man schwingt sehr auf der Straße hin und her. Lässt man dagegen die Arme locker und legt nur mit Gewichtsverlagerung das Motorrad schräg, ist es wesentlich weniger anstrengend und man kann die Spur besser halten. Trotzdem ist es für mich jedesmal mit einem Adrenalinstoß verbunden, wenn bei Gegenverkehr die Böen über die Straße fegen, als ob sie einen geradewegs in den Kühlergrill des entgegenkommenden Trucks schleudern wollten. Gestern sind wir bei fast windstillem Wetter von Las Grutas (in Las Grutas hatte ich abends eine interessante Begegnung vor der Tür zum Bad: eine ca handtellergroße Spinne spazierte dort im Lampenlicht gemächlich auf und ab und wartete freundlicherweise dort, bis ich Thomas mit dem Fotoapparat herbeigeholt hatte) über Sierra Grande und Puerto Madryn bis nach Trelew gefahren. Die Tour war sehr angenehm und stressfrei, wir fuhren beide mit Musik in den Ohren. Trelew ist eine recht große Stadt mit etlichen Touristenattraktionen in der Nähe (ca 100km im Umkreis,was in Argentinien eben Nähe bedeutet), wie einem großen Paläontogischen Museum, wo man sich viele Dinosaurier anschauen kann, die hier gefunden wurden oder einigen großen Pinguinkolonien, die wir aber jetzt nicht aufsuchen werden. Auch ein walisisches Dorf, Gaiman, zieht scheinbar viele Touristen an, die dort Tee trinken und sich an den gepflegten Häusern erfreuen. Diese Infos haben wir von Gunther und Daggi, einem deutschen Paar unterwegs im VW-Bus, die wir auf dem sehr zu empfehlenden Campingplatz "Patagonia" ( origineller Name, nicht wahr?) am Stadtrand von Trelew trafen. Die Armen hatten ein Problem mit der Einspritzpumpe ihres Wagens und mussten vier Wochen hier pausieren, bis das richtige Ersatzteil endlich aus Deutschland angekommen und vom Zoll freigegeben war. Zum Glück fanden sie diesen netten Platz für die Wartezeit, mit vielen großen Pappeln drumherum und von sehr freundlichen Leuten geführt. Heute morgen konnten sie nun endlich weiterfahren und verschwanden schon, bevor wir Faulpelze aus den Schlafsäcken gekrochen waren. Nach weiteren 50km Seitenwind in heftigen Böen hatte ich die Nase voll für heute und wir machten Feierabend nahe der kleinen Straße nach Canarones. Dort fanden wir eine geeignete Stelle im Windschatten eines Hügels, etwas schwierig zu befahren, aber recht kuschelig zwischen ein paar kleinen Büschen. Die Büsche haben allerdings zum Teil richtig fiese lange Dornen, wir hoffen nun, dass keiner davon in unseren Reifen oder im Zeltboden steckt!

Donnerstag, 13.12. - Cañadon Seco
Nach dem anstrengenden Arbeitstag beschlossen wir gestern abend, heute dem guten Rat von Pollo zu folgen und die morgendliche Flaute zum Fahren zu nutzen. Darum klingelte heute morgen um 5 Uhr (!) der Wecker und um 6 saßen wir ohne Frühstück auf dem Bock. Und siehe da, der Wind war noch nicht wach und wir konnten völlig entspannt durch den kalten, sonnigen Morgen fahren ( 6°C...). Beim Zeltabbau fand ich unter der Unterlegplane einen recht großen Skorpion, der wegen unseres frühen Aufbruchs nun auch nicht ausschlafen durfte. Er verkroch sich schnell unter den Büschen. Jaja, immer schön die Schuhe prüfen vor dem Anziehen... Nach 120km gab es eine ausgiebige Frühstückspause an einem Ort namens Pampa de Salamanca, der auf den Straßenschildern schon lange angekündigt war und sich dann als Truckerparkplatz ohne jede Infrastruktur zeigte. Immerhin gab es ein verlassenes Haus, wie üblich ohne Türen und Fenster, dafür aber mit ungezählten Häufchen versehen. Viele notdürftige Menschen haben hier vergeblich nach einem Klo gesucht und dann dieses Haus zur Toilette erklärt. Alle Räume sind dermaßen vollgeschissen, dass man kaum trockenen Fußes hindurchgehen kann. Wir aßen unser Frühstück lieber draußen auf der "Terrasse". Als die Zähne nach dem ersten Kaffee nicht mehr klapperten, wurde es doch ganz gemütlich. Der weitere Weg bis Comodoro Rivadavia war richtig interessant, da die Landschaft anfing, sich zu verändern: es wurde etwas bergig und gab sogar richtige Kurven! Die Stadt selbst lebt vom Öl, das hier gefördert wird. In den umliegenden Hügeln sieht man überall kleine Förderpumpen, am Stadtrand von Comodoro große Tanks und Raffinerien. Schnell weiter! Noch nicht einmal 10 Uhr und schon 200km geschafft - wir fuhren 80km weiter bis Caleta Olivia, worunter ich mir einen Ferienort vorgestellt hatte. Bei der Einfahrt in den Ort gab es plötzlich einen Stau, es bewegte sich nichts mehr. Beim genaueren Hinsehen handelte es sich um eine Demo der lokalen Ölarbeiter. Sie hatten für eine Stunde die Straße gesperrt, um auf ihren Ärger aufmerksam zu machen: die Ölförderung wurde hier früher von der staatlichen Ölgesellschaft YPF durchgeführt, bis die Förderrechte an die spanische Repsol verkauft wurden. Seitdem sind viele Arbeiter entlassen worden und finden in dieser menschenleeren Gegend keine Arbeit mehr. Glücklicherweise war die Stunde fast vorbei, als wir ankamen, die Sperre wurde bald geöffnet. Ein argentinischer Biker wartete mit uns, es stellte sich heraus, dass er Oscar, Masa und all die anderen hiesigen Moppedfahrer, mit denen wir inzwischen Kontakt hatten, auch kennt. Die Bikerwelt in diesem großen Land ist scheinbar sehr klein.. Unsere Suche nach einem Campingplatz in Caleta Olivia blieb leider relativ erfolglos: wir fanden zwar zwei derartige Plätze, aber beide waren ziemlich verkommen und ungemütlich. Der eine davon sollte auch noch 29P. kosten, wir lehnten dankend ab und fuhren 15km weiter in diesen Ort, wo wir uns von zwei Streifenpolizisten den Weg zum Campingplatz zeigen ließen. Ein netter kleiner Platz mit viel Grün inmitten der Ölindustrielandschaft. Scheint nichts zu kosten, aber wir müssen hier wohl sehr ungewöhnliche Kundschaft sein. Der Campingbeauftragte wirkte sehr irritiert und sagte was von polizeilicher Registration. Wenig später erschienen dann tatsächlich zwei Polizisten mit kugelsicheren Westen hier auf dem Platz und gaben mir einen kleinen Zettel, wo sie die Telefonnummern der Polizei und des Krankenhauses draufgeschrieben hatten. Passnummern brauchten sie nicht, aber unsere Namen und das Alter. Dann standen sie noch ein Weilchen ratlos in der Gegend herum und versuchten, meine Smalltalkbemühungen zu beantworten. Dann schlenderten sie wieder davon. Die vorher verschlossenen Bäder sind inzwischen offen und es gibt sogar warmes Wasser, vielleicht kann man sogar doch duschen!

Sonnabend, 15.12. - Puerto San Julián
Wieder ein ganzes Stück weiter südlich angekommen. Unserem neuen Prinzip folgend, sind wir gestern wieder früh aufgestanden und vor dem Frühstück die ersten 100km gefahren bis nach Fitz Roy, einem kleinen windig-kühlen Dorf an der Straße. Die Tankstelle ist geschlossen, Einkaufsmöglichkeiten gibt es nicht, dafür aber ein nagelneues Touristeninfohaus. Wir wollten mangels Alternativen auf der Treppe davor frühstücken, wurden dann aber von Fernando, einem sehr freundlichen weißhaarigen Mann und seiner Gehilfin Sylvia eingeladen, in der Küche des Hauses zu essen. Schnell hatten sie uns einen Kessel heißes Wasser gemacht, Stühle und ein Klapptischchen aufgebaut und Tassen aus dem Schrank geholt - welch ein Luxus! In der Küche war es warm und windstill, alles war sauber und gepflegt, wir waren mal wieder glücklich. Als wir satt waren, bekamen wir noch eine Menge guter Infos über die Provinz Santa Cruz mit auf den Weg, machten gegenseitige Fotos von der netten Bekanntschaft und brausten gut gestärkt weiter. Nach einiger Überlegung beschlossen wir, auf einige Attraktionen der Gegend wie die berühmten Bosques Petrificados, die versteinerten Wälder, zu verzichten, um unser Tagesziel, P.San Julián zu erreichen. Wir pausierten darum zwischendurch nur auf einen Snack an der einzigen Tankstelle der Region. Die Landschaft wechselte nun etwas, die langen flachen Abschnitte wurden häufiger durch weite Cañons oder einzelne Hügel unterbrochen, ab und zu standen Guanacos am Straßenrand oder auch mitten auf der Straße. Sie scheinen das mit dem Straßenverkehr noch nicht so gut zu kapieren: es lagen bestimmt 5 tote Tiere in verschiedenen Verwesungszuständen am Straßenrand... Am frühen Nachmittag frischte der Wind auf, er kam von Ost, was für uns bedeutete, dass die entgegenkommenden Trucks uns mal wieder ein "Windbrett" vor den Helm schlugen. Das war etwas unangenehm, aber als wir nach 370 Tageskilometern in P. San Julián ankamen, waren wir noch erstaunlich frisch. Den Campingplatz am Meer fanden wir schnell und dort trafen wir Peter und Uli, sowie die drei Schweizer, die wir schon von Valdes her kannten. Argentinien ist doch klein! Abends im größeren Kreis ein Asado mit etwas sehr viel Alkohol bei einigen Anwesenden, was dazu führte, dass selbst meine Ohrstöpsel nicht gegen den Laerm halfen. Heute morgen scheint die Sonne wunderschön warm, von unserem Frühstückstisch aus sahen wir in der Bucht die kleinen schwarzweißen Delfine springen. Wir beschlossen einen Ruhetag für Internetarbeit und Wäsche. Bis zur Grenze, an der wir bis zum 19. wegen unseres ablaufenden Visums sein müssen, sind es nur noch ca 450km: wir können uns nun etwas Ruhe gönnen.



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