Südamerika Reiseberichte

Chile
 
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Freitag, 25.01. - Los Antiguos
Wir bleiben heute hier. Thomas braucht, wie er kürzlich feststellen musste, dringend neue Bremsklötze für Fosters Hinterrad, da einer von beiden unverhältnismäßig stark abgenutzt ist. Nun versuchen wir, per Internet neue zu besorgen. Leider ist das Internet hier so laaaangsaaam bis überhaupt nicht vorhanden, dass ich nun schon zwei Versuche, meine Mails zu regeln, mit halbem Erfolg abbrechen musste. Nervig! Ich will einen mobilen DSL-Anschluss!!
Aber es könnte schlimmer kommen, als hier in schönster Landschaft bei perfektem Wetter im Schatten zu sitzen und auf Antworten zu warten! Wir haben auch wieder Besuch bekommen: Antonio hatte gerade sein Zelt neben unserem aufgebaut, als ich vom Internetcafe zurückkam.

Sonnabend, 26.01. - Los Antiguos
Es bricht das Wochenende an und das bedeutet auf einem argentinischen Zeltplatz höchste Alarmstufe. Es wird von Stund zu Stunde voller und aus allen Autos strömt unterschiedliche Musik, die Parrillas werden angezündet und alle sind in bester Wochenendlaune. Große Familien oder einzelne Paare, Gruppen von jungen Leuten - alle sind dabei. Also Zeit für uns, zu verschwinden. Thomas ist zum Internetcafe gefahren, mal sehen, welche neuen Infos er mitbringt.

Sonntag, 27.01. - Paso Roballos
Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Miriam!!
WIr sitzen in einem leeren Grenzerhäuschen an der chilenischen Grenze mitten in den Anden und dürfen hier übernachten. es war schon recht spät, als wir hier eintrafen und bis zum nächsten Ort, Cochrane sind es noch 70km Piste. Bei starkem Wind und tiefstehender Sonne von vorn kein Vergnügen. Darum fragte ich die Grenzer nach Zeltmöglichkeiten in der Nähe. Gibt es keine. Stattdessen bot uns der nette Mann nach getaner Papierarbeit dieses Häuschen an für die Nacht. Es steht ein matratzenloses Doppelstockbett drin, ansonsten ist es leer. Aber das stört uns ja nicht, es ist trotzdem ein großer Luxus für uns. Draußen heult der Wind um die Ecken, wir sitzen drinnen und haben es gut.
Nachdem wir gestern auf dem unruhigen Campingplatz Besuch von Peter und Carol aus Kanada bekamen, die wir seit Ushuaia nicht gesehen hatten, beschlossen wir,doch nocht zu bleiben. wir saßen mit ihnen und Antonio abends noch lange zum Klönen und sie erzählten uns von ihrer Schiffstour zur Antarktis. Sie waren sehr begeistert, besonders von den vielen Blautönen des Wassers und der Eisberge, die sie gesehen hatten. Bei recht ruhigem Wasser konnten sie die Tour ohne Seekrankheit genießen.
So fuhren wir also heute mittag erst los, die kleine Straße Richtung Süden durch die Berge entlang. Das war eine sehr gute Entscheidung, denn die Landschaft auf den 100km bis zum Paso Roballo ist unbeschreiblich schön. Wir mussten einfach alle paar Meter anhalten und fotografieren oder einfach nur schauen und staunen. Es ging erst ein karges Flusstal entlang, der Weg schraubte sich dabei allmählich bergauf. Einige Zeit später begann der Bergwald, es duftete würzig, wir fuhren auf recht guter Erdstraße in Kurven hindurch, rauf und runter und über diverse Brücken hin und her über den Fluss. Die Straße ging hinauf bis auf ca 1500m, dort oben waren keine Baume mehr, dafür hinter jeder Kurve wieder neue fantastische Ausblicke auf bizarr erodierte Felsen in unterschiedlichen Farben. Kleine Pferde- und Schafherden grasten abseits der Straße, die Vegetation wurde immer karger, nur ab und zu stand eine Königskerze am Straßenrand. Wir nahmen ca 100 Bilder auf und das war noch zu wenig, um die ganze Schönheit einzufangen!

Montag, 28.01. - Cochrane
Am Morgen wachten wir erholt auf, als die Sonne über die östlichen Berge schaute und in unseren Palast schien. Der Wind schlief, die Landschaft lag ruhig in der Morgensonne. Nach einem Fototermin mit unserem hilfreichen Engel saßen wir um halb neun auf den Moppeds, Richtung Westen. Straßenzustand: naja (viel Wellblech und loser Schotter), Landschaft genial schön, ca 80km bis Cochrane.
Bei Km 28 führte der Fluss, neben dem wir die ganze Zeit herfuhren, über die Straße: unsere erste Flussdurchfahrt auf dieser Reise. Vorsichtshalber machten wir Aufnahmen, falls sich jemand dabei ins Wasser legen würde, was aber nicht passierte.
Weiter ging es durch das Hochtal des Passes, kein Verkehr, dafür viele Guanacos, Kaninchen, Nandus und in einer Lagune ein paar Flamingos. Und über allem wieder ein strahlendblauer Himmel, die Temperatur warm, aber nicht zu warm zum Fahren.
Die doch recht anstrengende Straße wurde irgendwann allmählich etwas besser zu befahren. Mit den Bildern und Videos dieser beiden Tage könnte man schon ein paar Stunden Vortrag füllen - einfach schöne Aufnahmen mit passender Musik, ohne viel Gequatsche - schauen wir mal....
Nach 64km erreichten wir die Einfahrt zur legendären Carretera Austral, die uns mit heftigem Wellblech und der großen Staubwolke eines vorbeiheizenden Geländewagens begrüßte. Weit unter uns sahen wir den türkisen Rio Baker), die Straße führt am östlichen Berghang das Flusstal entlang, nach Cochrane waren es noch 18km. Und nun ist es halb drei Uhr nachmittags, wir sitzen im Straßencafe im Schatten und haben eigentlich schon fast Feierabend.
Nach Einkauf und anstrengender Internetsitzung ( langsam!) landeten wir außerhalb des Ortes am Rio Cochrane auf dem offiziellen Campingplatz der Waldbehörde Conaf. Eine sehr schön gelegene Wiese mit einigen Bäumen und Feuerstellen direkt am Wasser, das so unverschämt klar und blau ist, wie ich es noch nie bei einem Fluss erlebt habe. Man kann wirklich in mehreren Metern Tiefe noch jeden Stein am Grund liegen sehen! Hier zu tauchen muss herrlich sein!
Die Guardaparques bieten für 20000 CLP eineinhalbstündige Bootstouren um den Lago Cochrane an, auf denen man scheinbar gut die hiesige Tierwelt, speziell Huemules (eine Hirschart) beobachten kann. Das war uns zu viel Geld, aber ist bestimmt eine lohnende Angelegenheit in der schönen Gegend.
Auf dem Platz waren wir endlich mal wieder ganz allein - dachten wir: eine chilenische Familie mit einem gut funktionierenden Autoradio ( die freundliche Mutter der Familie schenkte uns ein Pan dulce, ein süßes Brot, und gab uns ihre Telefonnummer in Coyhaique, falls wir dort etwas bräuchten..) und ein paar junge Männer, die in aller Ruhe ihr Zelt im Lampenlicht ihres dafür brubbelnden und stinkenden Autos aufbauten, erfreuten uns später noch mit ihrenr Anwesenheit. Trotzdem war die Nacht richtig schön ruhig und wir schliefen, bis es im Zelt von der Sonne zu warm wurde. Was für ein Leben!

Dienstag, 29.01. - Camping Rio Ñadis
Wir sind mal wieder vor lauter Landschaft nicht weit gekommen. Nur knapp 60km sind wir gefahren und haben per Zufall, wenn es den denn gibt, eine kleine paradiesische Welt entdeckt.
An der Straße nach Caleta Tortel fanden wir nach 50km gutem Schotter mit blauen Seen in grünen Wäldern, tosenden Wasserfällen und Schneebergen einen Hinweis auf einen Campingplatz mit Einkaufsmöglichkeit und da stand, es gäbe Vollkornbrot! In 10km Entfernung!
Also fuhren wir wie magnetisch angezogen einen kleinen gut zu fahrenden Waldweg entlang, der immer rauf und runter führte. Dann kam ein großes Gatter, auf, durchfahren, zu und weiter. Nächstes Gatter, gleiche Prozedur, der Weg wurde holperiger. Wir kamen an einen Fluss, über den eine lange, schmale, neue Hängebrücke führte, wir hinüber und weiter ging's. Die Steine auf dem Weg wurden größer, das nächste Gatter. Bergauf, bergab, lose Steine, enge Kurven, schließlich folgte als letzte Hürde noch eine Weichsandstrecke und schon waren wir angekommen: Elisabeth aus Kaufbeuren, seit 12 Jahren in Chile und hier verheiratet, begrüßte uns freundlich und bat uns in ihren Garten.
Ihre wunderschöne kleine Tochter stand dort nackt und braungebrannt und winkte uns zu. Raus aus den verschwitzten Klamotten und den Kopf unter das Rohr gehalten, aus dem malerisch das kalte Wasser in einen großen Trog floss und dann saßen wir mit Elisabeth und ihren Kids Lorena und Bernardo unter den Obstbäumen ihres gemütlich wilden grünen Gartens und tranken frisch gemachten Himbeersaft mit Flusswasser verdünnt - herrlich erfrischend. Und schon war mir klar, dass wir heute hier nicht mehr wegkommen würden. Bernardo zeigte uns später den Campingplatz: eine kleine eingezäunte Wiese mit ein paar Bäumen und Feuerstellen, in der Mitte ein kleines, liebevoll zurechtgemachtes Holzhaus mit Küche, Bad mit Kübeldusche und einem schönen Zimmer, was auch nicht viel teurer sein sollte als der Zeltplatz. Eine Lagune mit Badesteg vor der Tür und um das Ganze herum hohe Berge mit und ohne Gletscher, ein friedlicher Ort im warmen Sonnenschein, fernab von allem, was stören könnte.
Für den Strom hat die Familie ein paar kleine Solarzellen auf ihrem Dach, für Licht, Radio und Funkgerät reicht das aus, für die Waschmaschine gibt es ein Stromaggregat. So haben sie es sich sehr angenehm eingerichtet, haben sich vor ein paar Jahren dieses Stück Land mit 500ha gekauft und leben hauptsächlich vom Verkauf ihrer Kälber.
Nun soll durch etwas ruralen Tourismus ein zweites Standbein entstehen und die Voraussetzungen dafür sind sehr gut. Wir machen dann hier mal etwas direkte Werbung für diesen unbeschreiblich schönen Ort und die netten Menschen, die 10km Holperstrecke lohnen sich wirklich. Man kann hier ausgiebigst wandern durch unerschlossenes Gebiet und es werden auch Ausritte zu einem der vielen Wasserfälle der Gegend angeboten. Vielleicht morgen....mal sehen.
Heute abend ließen wir uns erstmal das gute Brot schmecken und erkundeten zu Fuß etwas die Gegend. Das Grundstück wird an zwei Seiten durch Flüsse begrenzt: den Rio Ñadis und den Rio Baker, der schnell und stark strömend am Weideland nagt. Jenseits des großen Flusses sieht man einen Wasserfall, der sich von ganz oben am Gletscher tief durch das Gestein gegraben hat und unten im freien Fall viele Meter überbrücken muss.
Das Weideland scheint durch Brandrodung entstanden zu sein. Riesige Baumstämme stehen wie Mahnmale verkohlt und ausgehöhlt vom Feuer in der Landschaft, große Haufen Totholz liegen auf den Weiden. Brennholz genug für Jahrzehnte.

Mittwoch, 30.01. - Rio Ñadis
Eine fünfstündige Wanderung durch den Urwald hat uns für heute den Rest gegeben. Lilly hatte uns eine Wegbeschreibung zu einem Wasserfall gegeben, aber scheinbar wird der Weg dorthin wenig genutzt und war kaum erkennbar. Prompt verliefen wir uns und standen irgendwann am Berg im Dickicht ohne Weg. Wir hatten die Wahl zwischen zurück, was wir nie gerne tun, oder weiter und kämpften uns also vorwärts durchs Dickicht bergab. Zerkratzt und verdreckt spuckte uns der Urwald irgendwo wieder aus, wo es zumindest wieder einen Tierpfad gab, dem wir folgen konnten. Die Vegetation erstaunt uns sehr: bis weit oben am Berg trafen wir auf große Bambusstauden, die so dicht standen, dass wir uns aus wenigen Metern Entfernung nicht mehr sehen konnten. Und Fuchsien, überall! Im Wald auf den Lichtungen und auf den Weiden stehen sie in großen Büschen und die vielen Blüten leuchten im Sonnenschein, wunderschön!
Wir haben inzwischen auch ausgiebige Bekanntschaft mit den Cabanos gemacht, den großen Stechfliegen, die es hier in rauen Mengen gibt. Sie schwirren um einen herum, suchen ewig lange nach einem Landeplatz und brauchen dann immer noch lange, um ihren Rüssel klar zu kriegen. Man hat also genug Zeit, um sie platt zu machen. Aber nerven tun sie trotzdem, weil sie einem ständig um den Kopf herumbrummen.
Als wir von unserer Wanderung zurückkamen, waren inzwischen zwei deutsche Paare mit Wohnmobilen eingetroffen, mit denen wir uns nun das Refugio teilen. Hans und Evi mit ihrem Defender hatten wir schon auf der Fähre nach Punta Arenas getroffen. Man trifft sich hier immer mehrmals...
Lilly hat für uns für morgen einen Ausritt organisiert. Um acht Uhr morgens geht es los, wenn die abends aufgezogenen Wolken dicht halten, also früh zu Bett.

Donnerstag, 31.01.
Um halb sieben klingelte der Wecker, um kurz vor acht waren wir abmarschfertig und schauten erwartungsvoll zum leicht bewölkten Himmel und den Weg entlang. EIn paar Minuten nach acht kam der Nachbar Andres mit drei Pferden in Sicht. Wie spannend! Zwei ruhige halbgroße Pferde mit den hier üblichen schaffellbezogenen Sätteln hatte er für uns mitgebracht. Er konnte nicht wissen, ob wir des Reitens mächtig seien und hatte darum seine zuverlässigsten Pferde ausgesucht.
Lilly hatte uns freundlicherweise Satteltaschen mit einer kleinen Brotzeit zusammengepackt und los ging es. 10km Weg zum Wasserfall lagen vor uns, der Morgen war frisch, aber sonnig, die Pferde zeigten sich als leicht zu reiten und sehr trittsicher im Gelände. Es ging erst über das Weideland am Fluss entlang, durch vom Sattel aus zu öffnende Gatter, dann über einen schmalen Waldpfad mit ziemlich felsigen Abschnitten und mehreren Bachdurchquerungen weiter flussabwärts. Wir hörten ein langsam lauter werdendes Donnern, stiegen kurz vor dem Ursprung des Tosens von den Pferden ab und gingen die letzten Meter zu Fuß durch die Felsen. Dort erblickten wir dann eine Felsenenge, durch die sich die Wassermassen des Rio Bakers mit einer beeindruckenden Dynamik einige Meter abwärts wälzen. Kein Wunder, dass die spanische Wasserkraftgesellschaft Endesa hier gerne Staudämme bauen will. Lilly hatte uns gestern von diesbezüglichen Plänen erzählt, die hier große Widerstände hervorrufen, weil sie selbst und viele andere Siedler der Gegend dadurch in ihrer Existenz bedroht sind. Ihr gesamtes Land wird überflutet werden, wenn das Projekt durchgesetzt wird! Es gibt eine Bürgerbewegung dagegen, die auch von einflussreichen Menschen wie z.B. Tompkin, dem Gründer und Besitzer des Naturparkes Pumalin unterstützt wird. Wir sahen schon bei Cochrane riesige Plakate stehen mit Protestsprüchen gegen die Staudämme. Ob sie wohl Erfolg haben werden? Und ob sie andere Ideen zur Energiegewinnung anzubieten haben?
Wir saßen lange auf den Felsen direkt vor dieser gewaltigen Wasserwalze und staunten, bis Andres uns zum nächsten Highlght des Tages führte. Ein in den Fels gehauener Viehtriebweg führt in schwindelerregender Höhe am Berg entlang und durch einen Tunnel durch den Berg hindurch. Er wird auch heute noch genutzt, denn die Region ist wegtechnisch sehr wenig erschlossen.
Inzwischen war es Mittagszeit und wir pausierten im Schatten des Waldes, wo die Pferde etwas grasen und wir unseren Proviant sichten und genießen konnten. Der Genuss wurde für alle Beteiligten etwas durch die aufdringlichen Cabanos geschmälert. Darum machten wir uns bald wieder auf den Weg. Am frühen Nachmittag waren wir zurück und stiegen glücklich von den braven Pferden ab. Erstaunlicherweise nahmen sie mir den Belohnungskeks nicht ab. Die Pferde hier sind überhaupt nicht daran gewöhnt, aus der Hand zu fressen. Dieser Tag war ein richtig schönes Erlebnis!
Später erntete ich in Lillys Gewächshaus eine Portion grüne Bohnen, kleine Zucchinis und etwas Mangold - wie lecker, so richtig frisches Gemüse! Abends saßen wir zu sechst in der gemütlichen Gemeinschaftsküche am Ofen, auf dem das Duschwasser simmerte und erzählten uns Reisegeschichten, während der aufgefrischte Wind ums Häuschen pustete.
Morgen fahren wir weiter.

Freitag, 01.02. - Camping Rio Ñadis...
Wir sind immer noch hier.. Morgens regnete es ein wenig und wir trödelten so gemütlich herum, irgendwie war es scheinbar nicht der Tag zum Weiterfahren. Tessy von den Philippinen, verheiratet mit Hartmut aus Meppen, backte im Holzofen leckeren Kuchen, wir wuschen Wäsche und machten kleine Reparaturarbeiten ( die Pisten fordern doch so ihren Tribut ), ich hackte mal wieder etwas Holz und schnackte mit den anderen, so verging der Tag sehr nett, bis wir irgendwann der Tatsache ins Auge sahen, dass wir noch eine Nacht bleiben würden. Warum auch nicht?
Gemeinsames Kochen und Essen, weitere Geschichten und Reisefotos vom Laptop füllten den Abend sehr angenehm.

Sonnabend, 02.02. - Caleta Tortel
Nun haben wir uns von dem schönen Ort und den netten Leuten losgerissen und sind wieder on the road.
Auf der Strecke zur Straße hin gab es eine Kurve mit tiefen Rinnen vom letzten Matschwetter, ich erwischte eine davon und kam nicht mehr raus, gab dann zuviel Gas, als ich ins Kippeln kam und rauschte mit Karacho in den gegenüberliegenden Graben. Die hohe Kurvenflanke stoppte mich abrupt und ich befand mich in leichter Schieflage im Sand. Mein erstes Rodeo auf dieser Reise. Mensch und Maschine waren dreckig, aber heil und wir konnten gleich weiterfahren.
Nach 70km easy-to-ride-Piste bei tiefhängenden Wolken sind wir nun in dem kleinen Ort Caleta Tortel am Canal Baker. Die Häuser sind an den Berg gebaut und werden durch stufenreiche Holzstege miteinander verbunden. Daher kann man nicht mit Fahrzeugen in den Ort hineinfahren und muss sie oben am Ortseingang auf einem Parkplatz stehenlassen. Von dort hat man einen sehr schönen Blick über den Fjord und die kleinen bunten Holzhäuser an den Hängen. Infrastruktur gibt es sehr wenig und auch Menschen waren kaum zu sehen, darum fuhren wir nach einer kleinen Besichtigungsrunde die 22km bis zur Abzweigung Richtung Puerto Yungay/ O'Higgins zurück und schraubten uns durch einige enge Serpentinen in ein schmales hohes Flusstal mit ursprünglichem Regenwald. Dort fanden wir an einem der ungezählten Schmelzwasserflüsse einen brauchbaren Zeltplatz. Um weiter nach Villa O'Higgins zu fahren, müssen wir in Puerto Yungay mit einer Fähre über den Fjordo Mitchell fahren (kostenlos!) und die letzte des Tages hätten wir heute nicht mehr erwischt. Also morgen früh weiter.

Sonntag, 03.02. - Villa O'Higgins
Die Nächte am rauschenden Bach sind doch immer schön!
Morgens um acht schauten wir gut erholt aus dem Zelt in den feuchten, kühlen Wald, um kurz vor zwölf waren wir ohne Eile in Puerto Yungay. Die Fähre war auf dem Fjord schon zu sehen, die Szenerie erinnerte mich sehr an Norwegen.
Ca 40 Minuten tuckerte das Schiff über das ruhige Wasser, wir hatten genug Zeit, die wolkenverhangenen Berge mit ihren Gletschern zu betrachten. nun waren es noch 95km bis Villa O'Higgins. Dort endet die Straße, nur zu Fuß oder mit dem Fahrrad kann man mit einer weiteren Fähre übersetzen nach Argentinien, genauer gesagt zum Lago del Desierto nördlich von El Chaltén. So kurz wäre der Weg gewesen, wenn das kleine Stück vom Lago del Desierto bis zum Lago San Martin erschlossen wäre. So aber muss man für wenige Kilometer einen kleinen Trampelpfad mit umgestürzten Bäumen und anderen Hindernissen entlanglaufen, wofür man Pferde mieten kann. Mit Auto oder Motorrad leider nicht drin.
Die nun folgende Strecke ist wirklich sehr schön. Es geht sehr kurvig bergab und bergauf mit neuen Brücken über die vielen Flüsse, mit Panoramablicken über verschiedene Seen und Täler. in der ganzen Zeit begegneten uns nur zwei Fahrzeuge, eins davon war mit uns auf der Fähre gewesen (ein älteres deutsches Ehepaar auf dreimonatiger Patagonientour). Da wir mal wieder ständig anhielten zum Fotografieren, erreichten wir die kleine Siedlung O'Higgins erst gegen 18 Uhr. Da heute Sonntag ist, hatte die öffentliche Bibliothek, die den einzigen Internetzugang des Ortes in ihren Räumen beherbergt, geschlossen. Müssen wir also morgen früh nochmal wiederkommen. Der Minimercado hatte allerdings geöffnet und hatte sogar relaiv frisches Obst und Gemüse im Angebot. Die Campingplätze sahen nicht so einladend aus wie das Ufer des Sees, an dem wir einige Km vorher vorbeigefahren waren, darum fuhren wir dorthin zurück. Viele Cabanos und Mücken scheuchten uns in das viel zu warme, weil sonnenbeschienene Zelt, sonst ist alles gut.

Montag, 04.02. - Warten auf die Fähre..
Der Montagmorgen bescherte uns einen wolkenlosen Himmel und nicht ganz so viele Mücken wie abends. Trotzdem waren es noch zuviele, um draussen zu frühstücken. Im Zelt hinter den Mückennetzen waren wir sicher vor den blutgierigen Monstern. Um halb elf waren wir schon im Ort, um all die wichtigen Internetarbeiten zu erledigen.
Das Internet hat in Villa O'Higgins leider nur nachmittags geöffnet. So lange wollten wir an diesem schönen Tag dort nicht vertrödeln, also muss das Internet bis Cochrane ohne uns auskommen. Wir setzten uns lieber auf unsere Moppeds und fuhren die Strecke von gestern wieder zurück. Das klingt vielleicht langweilig, war es aber nicht, denn in den Bergen hat man in beiden Richtungen völlig unterschiedliche Perspektiven. Und dazu bei blauem Himmel!
Unterwegs kamen uns Hartmut und Tessy entgegen, die noch einen Tag länger bei Lilly geblieben waren und noch Kirschmarmelade gekocht haben. Davon bekamen wir heute mitten auf der Piste eine kleine Dose voll geschenkt. Nun haben wir tatsächlich drei verschiedene Sorten hausgemachter Marmelade an Bord, kaum zu glauben! Danke, Tessy! Und jetzt ist es gleich vier Uhr nachmittags und wir sitzen am Fähranleger. Die Fähre kommt erst um 19 Uhr, also haben wir noch viel Zeit... Um uns herum pustet es kräftig, der Himmel hat sich bedeckt, es ist kühler geworden. Hinter dem kleinen Wartehäuschen mit kaputten Fensterscheiben erhebt sich der Regenwald mit hohen Lengabäumen, im Unterholz großblättriger Bärenklau, riesige Bambusstauden und große Farne. Dazwischen immer wieder die rotvioletten Blüten der Fuchsien und rhododendronartige Büsche. Ein Vogel, den ich noch nicht zu Gesicht bekommen habe, lässt dann und wann seinen melodisch volltönenden Ruf hören, eine Horde Papageien fliegt lauthals krächzend vorbei. Keine Motorengeräusche, kein Radio, nur die Geräusche der Natur sind zu hören. Wir machen Pause und schauen übers Wasser. Die Fähre kam pünktlich und füllte sich mit allem, was inzwischen zum Anleger gekommen war: eine Schicht Staudammarbeiter in orangem Schutzdress, nach 10 Tagen Arbeit nun für 5 Tage frei und darum gutgelaunt und hormonstrotzend, ein alter Mann mit zwei Pferden und zwei lustigen, verspielten Hunden, zwei Italiener auf zweiwöchigem Angelurlaub...
Um halb neun waren wir wieder an unserem Übernachtungsplatz von vorgestern, fast wie nach Hause kommen.

Dienstag, 05.02. - Lago Vargas
Was haben wir nur für ein Glück mit dem Wetter! Gestern abend war es so zugezogen und regnete auch etwas, während wir auf die Fähre warteten und dabei Bratkartoffeln aßen - heute morgen war der Himmel wieder blankgeputzt. Der Urwald war so wunderschön in diesem frischen Morgenlicht! Der klare Bach rauschte glitzernd an unserem Zelt vorbei, die Fuchsien und andere kleine weiße und gelbe Blumen leuchteten zwischen den großen Bäumen, in deren vermoosten Astgabeln schon neue kleine Bäume wachsen. Der Waldboden besteht zum großen Teil aus halbvermoderten umgestürzten Bäumen, laufen kann man da gar nicht, nur vom Weg aus reinschauen. Alles überzogen mit verschiedenen Moosen und Flechten, bunt und filigran. Wir konnten uns gar nicht sattsehen!
Trotzdem sind wir inzwischen weitergefahren Richtung Cochrane, kommen aber irgendwie nicht gut voran, weil es überall so schön ist. Nun sitzen wir am See und haben ein Müsli im Bauch. Ein kleiner Weg war zur "Pasarela Lago Vargas" ausgeschildert und wir bogen aufs Geratewohl ab. Nach 1km kamen wir an einen perfekten Platz an einer kleinen Hängebrücke. Warm und sonnig, mit kleinem Sandstrand am fließenden klaren Wasser und Bambusstauden, die über das Wasser hängen. Ein Condor zog hoch über uns seine Kreise und auch der melodische Pfeifer ist wieder zu hören. Wenn wir nicht in Cochrane zu tun hätten (zum Beispiel Einkaufen, die Vorräte gehen zur Neige), wäre dieser Ort schon wieder genug Ziel für heute.

Ab jetzt geht es nach dem Umweg nach Süden wieder Richtung Norden.

Fazit: dieser Umweg hat sich auf jeden Fall sehr gelohnt. Die Landschaft ist fantastisch, die Piste angenehm zu fahren (davor hatte ich nach den Erfahrungen mit der Ruta 40 ja doch etwas Angst) und auch das Wetter hat bisher ziemlich gut mitgespielt.



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