Südamerika Reiseberichte

Chile
 
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Immer noch oder schon wieder kommt dieser Newsletter aus Chile! Wie es dazu kam, könnt ihr im Folgenden lesen:

Sonnabend, 10.05. - San Pedro de Atacama
Heute gilt es, weitere Erkundigungen über die geplante Strecke einzuholen, denn was wir bisher gehört haben, ist sehr widersprüchlich. Ich habe Sorge, dass mich die Strecke überfordern könnte, weil es nicht nur schwierige Passagen geben soll, son-dern diese auch noch auf weit über 4000m Höhe stattfinden, wo schon das einfache Dasein Arbeit bedeutet. Dann noch durch tiefen Sand fahren oder tagelang über Wellblech holpern, erscheint mir einfach zuviel des Guten.

Sonntag, 11.05. - Auf 3700m am Pass
Nach letzten Erkundigungen und reichlichem Einkauf fuhren wir heute mit Erwin, Isa und Guido zur Höhengewöhnung nur 30km den Berg hinauf, bauten dort unterhalb der Straße eine Wagenburg gegen den Wind und genossen einen herrlichen Son-nenuntergang mit Blick auf den Vulkan Licancabur. Morgen geht es richtig los aufs Altiplano.

Montag, 12.05. - Laguna Verde
Morgens musste Erwin noch mal runter nach San Pedro, weil sein Auto Kühlflüssigkeit verliert und er bei den zu erwartenden Temperaturen nicht nur Wasser nachkip-pen kann, wenn er keinen geplatzten Motor riskieren will. Also noch Frostschutz kau-fen. Wir anderen warteten derweil am Berg, wo wir bald Besuch bekamen von Bruno und Renate mit ihrem großen, perfekt ausgerüsteten MAN-Wohnlaster. Sie wollten in die gleiche Richtung und schlossen sich uns an. Gegen Mittag erreichten wir sieben das ärmliche bolivianische Grenzhäuschen nach ca. 5km guter Piste auf 4800m Hö-he. Die Einreise war problemlos und schnell erledigt, die Fahrzeuge werden erst in 80m Entfernung bei einer Mine auf über 5000m Höhe abgefertigt. Nach weitren 6km kamen wir zum Eingang des Nationalparks Laguna Verde, wo jeder 30 Bolivianos (knapp 3€) zu bezahlen hatte. Dann weiter über eine katastrofale Holperpiste zur Lagune hin, inclusive einer teilweise vereisten Wasserdurchfahrt. Die Lagune bot einen atemberaubenden Anblick: leuchtend türkisfarben vor der Kulisse des Licancabur (jetzt von der anderen Seite) und den anderen farbigen Bergen des Altiplano. Gemeinsam beschlossen wir, dort zu bleiben, auf 4350m Höhe und die Sache ruhig anzugehen. Wieder bauten wir eine Wagenburg, diesmal mit drei Autos, der eisige Wind war dadurch allerdings nicht wirklich abzuhalten. Nun hatten wir genug Zeit, um die eindrucksvolle Landschaft anzuschauen und zu fotografieren. Jede Bewegung zuviel wurde dabei allerdings mit sofortiger Atemnot bestraft. Also schlichen wir in Zeitlupe durch die Gegend. Gegen Abend wurde es so richtig kalt! Wir armen Motor-radfahrer ohne festes Gehäuse wurden reihum zum Tee geladen, später durften wir bei Bruno und Renate am festlich gedeckten Tisch und bei 22°C Raumtemperatur ein leckeres Abendessen genießen, bevor wir uns unter sämtliche Decken und Mo-torradjacken verkrochen. In der Nacht fiel die Quecksilbersäule auf weit unterhalb -10°C. Genauer ließ es sich nicht feststellten, da die verschiedenen Messungen Werte zwischen -10° und -21°C ergaben. Mir ging es schlecht auf der Höhe, ich hatte starke Beklemmungen und Herzschmerzen und konnte nicht schlafen. Trotz einer schiefen Ebene, auf der ich mit dem Kopf etwas höher lag, wich der Druck nicht und es wurde eine sehr lange Nacht. Morgens hatten wir Eis auf der Wolldecke, ich war müde und durchgefroren. Kein guter Start...

Dienstag, 13.05. - wieder in San Pedro
Ein trauriges Ende unseres Uyuni-Abenteuers: nach 10km Piste von der Laguna Verde strich ich die Segel. Nach der schlaflosen Nacht in der eisigen Höhe war ich nicht in der Lage, die weichkiesige Wellblechpiste zu fahren. Darum verabschiedeten wir uns mit großem Bedauern vom Rest unseres Konvois und fuhren zurück nach San Pedro und dort wieder auf den Campingplatz. Da wir noch nicht entschieden hatten, wohin wir als nächstes fahren wollen, reisten wir erstmal "schwarz" ein und verschoben die Grenzkontrolle auf den nächsten Tag. Erstaunlicherweise geht das in San Pedro, weil die Kontrolle nicht am Anfang des Ortes positioniert ist. Auf dem Campingplatz trafen wir Cecilia wieder, die gestern über den Pass gekom-men ist und auch weiter nach Bolivien will. Ein nettes Wiedersehen!

Mittwoch, 14.05. - nahe Calama (Chile)
Wie schön ist es, wenn man nachts in milder Temperatur mit ausreichend Luft schlafen kann! Morgens waren wir beide gut erholt und machten uns beim gemeinsamen Frühstück mit Cecilia über die neue Streckenplanung her, wälzten Reiseführer und Karten und beschlossen dann, in Chile weiter nach Norden zu fahren und einen an-deren Übergang nach Bolivien zu nehmen. Also doch wieder offiziell nach Chile einreisen, Um die Fruchtkontrolle zu umgehen, ließen wir die fraglichen Lebensmittel auf dem Campingplatz und fuhren "clean" zum Grenzposten. Praktisch! Bis zum frühen Nachmittag genossen wir noch die warme Sonne, bevor wir uns gen Westen aufmachten. Zuerst durchquerten wir die "Cordillera de Sal", das Salzgebir-ge, eine bizarr zerfurchte Hügelgegend, dann ging es auf eine langweilige und windi-ge Wüste hinauf, die bis nach Calama (ca. 100km von San Pedro) reicht. Zwischen hohen steinigen Dünen fanden wir unseren Schlafplatz im relativen Windschatten, die untergehende Sonne zauberte wunderschöne Farben auf die vegetationslosen Hügel um uns herum. Als der fast volle Mond aufgegangen war, war es so hell, dass wir draußen kein Licht brauchten für unsere abendlichen Verrichtungen.

Donnerstag,15.05. - von Calama zum Rio Lao
In Calama, hatten wir gehört, gäbe es einen Lider-Markt, unseren einzigen Lieferanten für das gute Schwarzbrot. Da mussten wir hin. Mit übervollen Koffern, behängt mit weiteren Plastiktüten, die nicht mehr hineinpassten, ging es weiter, über Chuqui-camata Richtung Westen. In Chuqui, wie der Ort abgekürzt genannt wird, steht die größte offene Kupfermine der Welt, die jährlich 600000 Tonnen Kupfer fördert und wegen der verwendeten Chemikalien eine der größten Dreckschleudern Chiles ist. Schon von weitem sieht man eine riesige Staubwolke, die die ganze Gegend einhüllt. Weiteres zu der Mine siehe Thomas' Fahrtenbuch. Auf einer löcherigen schmalen Teerstraße kamen wir über einen tristen grauen Pass in eine triste graue Ebene, durch die viele Stromtrassen nach Chuqui führen. Graue Wüste, Strommasten, Wind... Kurz vor der Kreuzung mit der Panamericana kamen wir auf einer Brücke durch das kleine grüne Tal des Rio Loa. Ein guter Schlafplatz für uns. Einige Wege führten hin-unter an das kalte, leicht salzige Flüsschen, wir bauten das Zelt bei T-Shirt-Temperaturen auf und kochten uns aus den Einkäufen ein Festmahl. Auf nur noch 1200 Höhenmetern brannte der Kocher ohne Probleme, auf den Höhen der letzten Tage wollte er nur sehr ungern arbeiten. Spannend wurde es, als wir bald nach Einbruch der Dunkelheit in die Schlafsäcke krochen: aus dem Nichts ertönten plötzlich rhythmische Geräusche, die von einem Didgeridoo zu kommen schienen. Ein Didge, hier in der Einöde? Ein zweites von der anderen Flussseite kam hinzu...? Lauter und lauter wurde das Konzert, die Rhythmen über-schnitten sich, wurden hektischer, wir schauten uns um und konnten nichts erken-nen. Ganz schön unheimlich! Dazu fing auf einmal die Erde unter unserem Zelt an zu wackeln - ein Erdbeben! Was geht hier ab? Wir zogen uns an und gingen im Mondenschein auf die Suche nach den Geräuschen. Wir hatten die Vermutung, dass es irgendwie mit den vielen 110000V-Stromleitungen über uns zu tun hätte und gingen auf die andere Flussseite hinüber, wo ein Umspannwerk steht. Dort war außer der beleuchteten Anlage nichts zu er-kennen, wir gingen zurück und legten uns mit verstöpselten Ohren gegen den Lärm, der die ganze Nacht hindurch anhielt, wieder hin. Erst, als wir morgens aufgestanden waren, sahen wir, dass die Leitungen über dem Zelt mit roten Bällen für die bessere Sichtbarkeit bestückt waren. Diese nahmen anscheinend die Resonanzen der Lei-tungen, die in der Nacht besonders viel Strom transportierten, auf und verstärkten sie zu diesem ganz besonderen Spektakel. Das Erdbeben hatte damit nichts zu tun, aber erhöhte natürlich den psychologischen Wirkungsgrad nicht unerheblich!

Freitag, 16.05. - Tocopilla
Nach 60km durch öde graue Geradeauslandschaft mit vielen Strommasten führte die Straße auf 18km in vielen Serpentinen hinunter ans Meer, in die kleine Stadt Tocopil-la. Es wurde kühl und nebelig, nach fast 30°C in der Ebene ging die Temperatur auf 13°C hinunter. Die Stadt besteht im Wesentlichen aus ärmlich zusammen gezimmer-ten Hütten und riecht streng nach Fisch. Auf meine mehrfach an verschiedenen Stel-len geäußerte Frage nach einem Motorradschlauch bekam ich viele verschiedene gut gemeinte Auskünfte, aber keinen Schlauch. So setzten wir uns in der Nähe des Ha-fens in ein einfaches Straßenrestaurant und bestellten uns einen Kaffee und etwas zu essen, bevor wir entlang der Küste weiter nach Norden fuhren. Die Küstenkordille-re hält die Feuchtigkeit fest, die vom Meer her kommt, dadurch war es sehr diesig, die Sonne war nicht zu sehen. Die gut ausgebaute Teerstraße trug uns durch absolut vegetationslose, graubraune Gegend direkt am Meer entlang, durch schön ge-schwungene Kurven, einen langen unbeleuchteten Tunnel, der schräg bergab, scheinbar mitten in den Bauch der Erde führte und an sehr unterschiedlichen Strän-den entlang. Einige verlassene (Ferien-?) Siedlungen waren zu sehen, ab und zu ein Fischerboot auf dem Wasser, viele Seevögel und rotköpfige schwarze Geier. An der Grenze zur 1. Region Chiles eine Zollkontrolle. Sehr ungewöhnlich! Wie mir die freundliche Beamtin erklärte, hängt das zusammen mit der Zollfreihandelszone in Iquique, wo alle Chilenen in Maßen zollfrei einkaufen können. Noch ein Stück weiter fanden wir einen Sandweg, der von der Straße zum Wasser hin führte und befanden uns plötzlich in einer verzauberten Landschaft voller bizarr geformter Felsen. Wir schlugen das Zelt mit Seeblick auf und gingen auf Fotosafari. Eine sehr fotogene Gegend! Was Wind und Sand aus Stein formen können! Die Krönung war ein verlas-senes großes Steinhaus auf einem hohen Felsen mit Blick auf einen vorgelagerten, brandungsumtosten Pelikanfelsen. Die Mauern aus großen behauenen Natursteinen, ohne Dach, Türen und Fenster, aber mit einer großen Kaminhalle, runden Türstürzen und einem fantastischen Ausblick! Was war hier wohl mal und warum wurde es ver-lassen? Sofort kaufen und neu aufbauen, war unser erster Gedanke... Ein Meditati-onszentrum draus machen oder einen Rückzugsort für zivilisationsgeschädigte Euro-päer... Den fast windstillen Abend verbrachten wir vor dem Zelt, schauten übers Meer und genossen frisches Schwarzbrot mit Käse und Erdnussbutter. Was für ein Fest! Der einzige Schatten auf meinem Glück war der wieder etwa unruhige Backenzahn. Muss ich wohl doch noch mal zum Zahnarzt...

Sonnabend, 17.05. - von Huanillo über Iquique nach Mamiña
Schwer nur rissen wir uns von dem schönen Strand wieder los. Die 110km bis Iqui-que waren recht langweilig zu fahren, denn der Strand wurde flacher und die Straße lief nur noch schnurgerade durch die Ebene vor den Bergen. Im Dunst sahen wir ir-gendwann die ersten Hochhäuser der Großstadt und stürzten uns ins Verkehrsge-wühl. Unsere Fragen nach dem leidigen Schlauch führten uns in die Zollfrei-Zone. Es ist kaum zu glauben, aber es gab in allen großen und kleinen Reifenläden nicht einen einzigen passenden Schlauch für unsere Vorderräder (sehr gängige Größe) zu kau-fen. Selbst die sehr engagierte Hilfe einer mitleidigen Reifenhändlerin brachte keinen Erfolg. Sie riet am Ende, irgendeine Werkstatt im Zentrum der Stadt aufzusuchen, aber wie es dann immer ist: es war inzwischen früher Nachmittag, außerdem Sams-tag - die Werkstatt hatte zu und wir verließen entnervt die laute und hektische Stadt ohne Schlauch. Raus aus der Stadt ging es in langen Serpentinen über 600m bergauf auf die Ebene. Von oben sahen wir auf das Gewimmel der Armenviertel hinab, in denen die kleinen Vorgärten vor den Häusern sogar nach oben hin vergittert sind. Die freundliche Rei-fenhändlerin hatte uns ausdrücklich vor den Menschen dieser Stadt gewarnt, was ist hier los? Wahrscheinlich zieht der Freihafen allerlei "Gesocks" an... Über die Ebene fuhren wir 50km zur R.5, der Panamericana, wo wir in einem Durch-gangsort, Pozo Almonte, einkauften und ins Internet wegen Überfüllung der ein-schlägigen Läden nicht konnten. Als freundlichen Abschluss dieses nervigen Tages hatten wir uns vorgenommen, in die Thermen von Mamiña zu gehen, 70km von Pozo Almonte entfernt auf 2700m Höhe. Kurz vor Sonnenuntergang erreichten wir das 500-Seelen-Dorf und schlugen das Zelt bei einem "Thermalhotel" auf. Die Gänsefüßchen stehen da, weil das schwefelig riechende Thermalbecken nicht die angekündigten 42°, sondern höchs-tens 28°C hatte und wir in der abendlichen Kühle damit nichts anfangen konnten. Schade! Der Hotelier erzählte uns, dass an diesem Wochenende hier eine große Fiesta sei und es dort eine Menge zu sehen gäbe - auch nicht schlecht. Abends fielen wir trotz der, aus dem Ort zu hörenden Musikkapellen, bald ins Bett, erwachten aber später noch mal von einem großartigen Feuerwerk mit lautem Krachen und bunten Feuer-blumen am Himmel.

Sonntag, 18.05. - Mamiña
Morgens um sieben zogen die Blaskapellen zum ersten Mal durchs Dorf, als wir gerade gefrühstückt hatten, ging es richtig los. Ich schnappte mir die Videokamera und kam gerade recht zu einer Tanzdarbietung mehrerer prächtig kostümierter Gruppen, die alle gleichzeitig auf der kleinen Plaza vor der Kirche auftraten. Jede mit ihrer ei-genen Musik, die sich gegenseitig übertönten. Erstaunlicherweise erkannten die Tanzenden, nach welchem Rhythmus sie tanzen sollten. Sogar ein paar ganz kleine Mädchen machten schon mit und konnten ihren Part sehr gut, schwangen ihre auf-geplusterten Röckchen mit Begeisterung und großer Wichtigkeit. Die Musik klingt folkloristisch mit etwas jazzigem Beiklang, die Tänze sind sehr nett anzuschauen. Später wollen wir über die Panamericana weiter Richtung Arica, der nördlichsten Stadt Chiles, wo ich morgen versuchen will, einen Zahnarzt zu finden, der mir weiter-helfen kann. Vielleicht gibt es dort ja auch einen Schlauch zu kaufen?? Auf dem Weg schauen wir uns noch einige Geoglyphen (große antike Erdzeichnun-gen) an, die es hier überall gibt. Und dann fahren wir wieder nach Bolivien, diesmal auf Teer, und hoffen, unsere Rei-segruppe dort irgendwo auf dem Weg nach La Paz wieder zu treffen.

Wir haben in der vergangenen Woche mal wieder gemerkt, dass es meistens anders kommt, als wir denken. Aber auch das ist nicht schlecht, wenn wir uns nicht in unsere Pläne verbeissen... Es ist natürlich etwas schmerzhaft, die eigenen Grenzen zu er-kennen, aber doch noch besser, als sie nicht sehen zu wollen und sich zu überneh-men. Mal schauen, was der nächste Bolivienbesuch uns bringt.



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