Reiseberichte


Thailand
 
Thailand April 2011 (Weltreise Tagebuch 134) nächstes Tagebuch
13.04. Bangkok
Morgens brachte Alois uns mit dem Auto zum Flughafen, was uns eine stundenlange Reise in den öffentlichen Verkehrsmitteln Melbournes ersparte. Dafür, und für alle andere Unterstützung, hier nochmal unser herzliches Dankeschön, lieber Alois und liebe Inge!!
Und schon sind wir mitten in Asien!
Nach einem langen Tag in zwei verschiedenen Fliegern, mit Zwischenlandung und sechsstündiger Pause in Sydney und dann drei bis vier Spielfilmen aus dem Bordnetz der Boeing 747, landeten wir abends um elf Uhr Ortszeit in der thailändischen Hauptstadt.
Für unsere innere Uhr war es da schon zwei Uhr nachts und wir waren ziemlich reif für die Waagerechte, darum wählten wir die bequemste Variante, zum vorgebuchten Hostel in der Altstadt zu kommen und nahmen ein Taxi.
Die Flughafentaxis kosten etwas mehr, als die einfachen in der Stadt, so hatten wir uns belesen, aber dafür seien sie höchstens fünf Jahre alt und dementsprechend sicher. Sicherheitsgurte für die Rückbank waren dafür allerdings nicht vorgesehen.
Für 450 Baht, die etwa 10 Euro entsprechen, brachte uns der Fahrer zügig an unser Ziel. Die ersten Eindrücke der großen Stadt sausten an uns vorbei. Große Wohnblocks, die mit ihren roh betonierten leeren Außengalerien wie unfertig wirkten, tauchten im Schein der Straßenlaternen auf und große Wolkenkratzer, die in jeder Großstadt stehen könnten. Der Straßenverkehr war um diese Tageszeit gut zu ertragen. Da der kleine, schlanke Fahrer kaum Englisch sprach und wir bisher noch höchstens zehn Worte Thai, verlief die Fahrt ziemlich ruhig. Er taute etwas auf, nachdem wir klaglos den offensichtlich etwas überhöhten Fahrpreis gelöhnt hatten und ich mich auf Thai (mit einem der wenigen Ausdrücke, die ich schon gelernt hatte) freundlich bedankte. Die Shanti-Lodge, von Eric (in Australien getroffen) wärmstens empfohlen, liegt etwas abseits der eigentlichen Backpacker- und Partymeile und wird, so weit ich bisher recherchiert habe, von einer amerikanischen Frau geleitet. Man legt großen Wert auf ein schönes Ambiente, wie wir gleich beim Betreten des, eng zwischen anderen mehrstöckigen Häusern plazierten Gebäudes, feststellten. Mosaike aus flachen Flusskieseln und Spiegeln an den Wänden, farbige Papierlampen, viele tropische Grünpflanzen vor dem zum Haus gehörenden offenen Restaurant, das daduch etwas von der belebten Straße getrennt ist. Hinter dem Restaurant führt eine schmale Treppe nach oben in einen kleinen dunklen Zwischenflur, von dem einige Zimmer abgehen. Unter anderem unseres, das leider kein Fenster hat und ziemlich stickig ist (draußen sind immerhin um die 30 Grad bei sehr hoher Luftfeuchtigkeit), aber ansonsten sehr geschmackvoll im Stil des Hauses eingerichtet ist. Ein eigenes Duschbad hinter künstlichem Bambusgrün ist auch dabei. Also schnell eine kühle Dusche und ab in das saubere Bett. Um trotz des Lärmes unseres laut brummenden Ventilators schlafen zu können (ohne ihn stirbt man spätestens nach einer Stunde!), verstöpselten wir uns die Ohren. Wir sind im Backpacker-Mekka gelandet.
14.04. - Bangkok
Hier zum Einstieg ein paar Grundinformationen über unser neues Reiseland:
Thailand grenzt an Myanmar, Laos, Kambodscha und Malaysia.
Es bietet viele Sehenswürdigkeiten, ein tropisches Klima und ist noch dazu relativ preiswert, sicher und - dank eines gut ausgebauten öffentlichen Verkehrssystems - auch auf eigene Faust relativ einfach zu bereisen.
Zur Mitte des 14. Jhs. wurde ein vereinigtes Thai-Königreich geschaffen. Bis 1939 als Siam bekannt, ist Thailand das einzige südostasiatische Land, das nie von einer europäischen Macht annektiert wurde - und auf diese Tatsache ist man bis heute stolz. Eine friedliche Revolution im Jahre 1932 brachte dem Land die konstitutionelle Monarchie. Im 2. Weltkrieg war Thailand zunächst ein Verbündeter Japans und wurde nach dem Konflikt Bündnispartner der USA. Nach einer Kette von Militärdiktaturen, die dann wieder von Zivilregierungen unterbrochen wurde, hat sich das Land trotz der Krisen von 1997 und 2007 politisch und wirtschaftlich stabilisiert. Über allem steht nach wie vor König Bhumibol Adulyadej (Rama IX), der seit 1946 regiert und damit der dienstälteste Monarch der Welt ist.
Das Leben der Thailänder wird stark vom Buddhismus beeinflußt. Anders als in den anderen buddhistischen Ländern Ostasiens sind die Thailänder Anhänger des Theravada-Buddismus, der sich näher an den indischen Wurzeln orientiert und Mönchen eine große Bedeutung zumisst. Für junge Thailänder ist es ein selbstverständlicher Brauch, einmal im Leben ein orange gekleideter Mönch zu werden, typischerweise drei Monate lang während der Regenzeit.
Bangkok (wörtlich übersetzt: Dorf im Pflaumenhain, thail. offiziell Krung Thep Mahanakhon – meist übersetzt mit Stadt der Engel) ist seit 1782 die Hauptstadt des Königreichs Thailand und ein besonderes Verwaltungsgebiet. Es hat den Status einer Provinz (Changwat) und wird von einem Gouverneur regiert.
Die Hauptstadt hatte 2009 7,025 Millionen Einwohner. Sie ist die mit Abstand größte Stadt des Landes. In der Bangkok Metropolitan Region (BMR), der größten Metropolregion in Thailand, leben insgesamt 12,177 Millionen Menschen (2009). Die Stadt ist das politische, wirtschaftliche und kulturelle Zentrum Thailands mit Universitäten, Hochschulen, Palästen und über 400 Wats (buddhistische Tempelanlagen und Klöster) sowie wichtigster Verkehrsknotenpunkt des Landes. Soviel zur Theorie, kommen wir nun zur Praxis...
Unser Zimmer hat, wie gesagt, kein Fenster und blieb darum stockdunkel, aber meine innere Uhr weckte mich trotzdem um 7 Uhr morgens.
Wir stärkten uns im hauseigenen Restaurant mit einem typisch thailändischen Frühstück, das aus einer Reissuppe mit etwas Gemüse und Tofu bestand und ließen, hinter dem grünen Pflanzenvorhang halb versteckt, das Treiben auf der Straße auf uns wirken. Laut knatternde Tuk Tuks fuhren an uns vorbei, einige Autos, viele Fußgänger und Radfahrer. Gäste reisten ab und beluden Taxen mit ihrem Gepäck, andere kamen an. Bald kribbelte es uns in den Füßen, der Stadt einen ersten Besuch abzustatten und wir machten uns auf die Socken. Alle Motivationsversuche der vielen Tuk Tukfahrer, uns chauffieren zu lassen, lehnten wir freundlich ab, orientierten uns grob auf dem Stadtplan und marschierten aufs Geratewohl los.
Die ganze Gegend riecht etwas nach Kanalisation, aber zur Besänftigung der Nase weht uns immer mal wieder der Duft eines Räucherstäbchens oder einer der vielen Essensgerüche der kleinen Straßenstände entgegen, wo den ganzen Tag über gekocht, gebraten oder fritiert wird.
Bangkok wurde früher auch das "Venedig des Ostens" genannt, wegen seiner vielen Kanäle, die die Stadt durchziehen. Heute sind diese Kanäle stinkende Kloaken, in denen Müll schwimmt. Über der graubraunen Brühe hängen ärmliche Wohnungen, die so notdürftig gebaut sind, dass man jeden Moment damit rechnen muss, sie ins Wasser fallen zu sehen. Ein Mann hängt Wäsche zum Trocknen auf, seine Hütte schwankt bedrohlich.
An fast jeder Straßenecke schaut der thailändische König aus überlebensgroßen, goldgerahmten Fotos gebieterisch über sein Volk hinweg, vor den vielen monumentalen Regierungsgebäuden, an denen wir vorbeiwanderten, stehen bewaffnete Garden, aber trotzdem erschien uns das Straßenleben sehr entspannt. Auch jetzt am Vormittag war der Verkehr bei Weitem nicht so schlimm, wie wir gedacht hatten und wir konnten bei Bedarf gefahrlos die Straßen kreuzen.
Auf diesem, unserem ersten Spaziergang stolperten wir auch gleich sozusagen über einige der vielen goldgeschmückten Tempelanlagen der Stadt, stiegen mit Hunderten, hauptsächlich einheimischen Besuchern, die vielen Stufen des Golden Mountain-Tempels empor, läuteten die vielen schweren Glocken auf dem Weg zum Himmelreich und freuten uns über die Verdunstungskühle in der Nähe der künstlichen Wasserfälle neben den Treppen. Zurück auf der Straße fiel uns auf, dass erstaunlich viele Spaziergänger mit großen Spielzeug-Wasserpumpguns ausgerüstet waren und einige auch mit recht feuchten Klamotten unterwegs waren..? Je weiter wir ins Zentrum der Altstadt und Richtung Khaosan Road, dem Zentrum des hiesigen Backpackerlebens, kamen, desto nasser und lustiger wurden die Leute und nun blieben wir auch nicht trocken. Es gab nicht nur Wasser aus den Pistolen oder auch einfach aus großen Eimern geschöpft, sondern außerdem noch, großzügig verteilt, eine hellgraue, gipsartige Masse, die einem von völlig fremden Menschen mit einem fröhlichen:"Happy New Year" mit den Händen ins Gesicht geschmiert wurde. Das war also der Grund für den feuchten Bürgerkrieg: man feiert Songkran, den thailändischen Jahreswechsel! Völlig ahnungslos haben wir genau den richtigen Moment für unser Thailandabenteuer gewählt!
Auf der Khaosan Road selbst war schließlich jeder klitschnass und weiß beschmiert, ein Riesenspaß! Besonders lustig fand man es, die meist jugendlichen Insassen Tausender herumfahrender Tuk Tuks im Vorbeifahren mit Eimerladungen voll Wasser zum Kreischen zu bringen. Wir "älteren Herrschaften" unter den Farangs (westliche Touristen) wurden zwar auch bespritzt und beschmiert, aber deutlich mit höflicher Vorsicht.
Wenn die Feiernden bemerkten, dass wir Kameras dabei hatten, bemühten sie sich, uns das Wasser nur über einen Arm oder die Beine zu gießen. Alle waren fröhlich und guter Laune und die vielen Touristen waren herzlich eingeladen, mitzufeiern.
Alle jungen Backpacker stürzten sich mit Begeisterung in diese Party: "Happy new year"! Nach etlichen gelaufenen Kilometern durch die feuchtheiße Stadt pausierten wir mit kochenden Füßen in einem Park nahe des Chao Phraya Flusses. Eine lokale Band aus fünf jungen Männern spielte dort funkige Musik, nett anzuhören, wenn auch die beiden Sänger hoffnungslos übersteuert waren und der virtuose Gitarrist daher wenig zur Geltung kam.
Um nicht den langen Weg zurücklaufen zu müssen, stiegen wir nun bald in eins der vielen überfüllten "Express" Boote, die das schmutzige Wasser des Chao Phraya befahren und ließen uns für je 14 Baht (sagte ich schon: 43 Baht sind einen Euro wert?) in die Nähe unseres Hostels bringen. Am Anleger fielen uns Hunderte von großen Fischen auf (Welse oder Karpfen?), die um den Steg herumwimmelten. Was wollen die hier? Vom Anleger aus mussten wir uns nur noch durch ein paar sehr schmale Gässchen, in denen wohl an normalen Tagen ein Markt stattfindet, fädeln und schon hatten wir unseren ersten Ausflug in Bangkok erfolgreich hinter uns. Nach der Uhr war es erst früher Nachmittag, aber wir sind noch in australischer Zeit unterwegs und mir fielen schon vor Einbruch der Dämmerung buchstäblich die Augen zu.
Freitag, 15.04. - Bangkok
Nach etwa 12 Stunden Schlaf wachte ich aus meinem Koma wieder auf. Die Luft im stockdunklen Zimmer war zum Schneiden, inzwischen war wohl auch das letzte Sauerstoffmolekül mehrfach durch unsere Lungen gewirbelt worden. Bloß raus hier! Geruhsames Thai-Frühstück, dann mit frischem Kopf wieder in den Großstadtdschungel. Heute ist der letzte Tag der Neujahrsfeiern, die Stadt rüstet noch einmal zur ultimativen Wasserschlacht auf. Bei Sonnenschein und über 30 Grad Lufttemperatur kann es für die Stadtbewohner kaum was Besseres geben. Routiniert fahren wir mit dem Boot dahin, wo der Bär steppt und mischen uns unters Volk, immer schön darauf bedacht, die Kameras vor allzu viel Feuchtigkeit zu schützen.
Ein Mann in weißem Hemd grüßt uns freundlich und erklärt uns, was wir nun schon wissen: dass nämlich ganz Thailand das neue Jahr feiert und darum (was wir noch nicht wissen) einige Tempelanlagen, die sonst nicht der Öffentlichkeit zugänglich sind, zu besichtigen sind. Wie z.B. der große "Stehende Buddha" ganz in der Nähe und noch einige andere, die weiter weg seien. Wir sollten unbedingt ein Tuk Tuk nehmen, die heute zum Sonderpreis von nur 20 Baht zu haben seien. Wie z.B. dieses, das gerade "zufällig" vorbeikam. Er winkte dem Fahrer, der sofort anhielt und zu uns kam. Wie enttäuscht waren beide, dass wir lieber zu Fuß gehen wollten.
Dem freundlichen Weißhemd fiel sofort jegliches Interesse an uns aus dem Gesicht, als ihm klar wurde, dass mit uns gerade kein Geschäft zu machen war und er ging fast wütend davon. Ein Schlepper also.. Wir gingen den "Stehenden Buddha" besuchen, der wirklich gigantisch groß und golden inmitten eines Tempelgeländes steht und versonnen in die Ferne schaut. Um ihn und seine kleineren, aber nicht weniger goldenen Brüder herum wuselte das kleine Menschengeschehen. Die kleinen, etwa mannshohen Buddhafiguren wurden auch, wie die Menschen in den Straßen, mit Wasser besprengt: sie sollen auch an der Feier teilhaben!
Nass und mit weiß beschmierten Gesichtern kamen wir zurück in unser Zimmer, in dem dieselbe dicke Luft sich inzwischen um noch ein paar Grade aufgeheizt hatte.
Heute nacht müssen wir hier noch aushalten, für morgen haben wir einen Zimmerwechsel angeleiert. Vor der Shanti-Lodge war die Wasserschlacht noch in vollem Gang, laute Musik dröhnte durch die Straße. Wir hatten nun erstmal genug und erfrischten uns lieber mit einer kontrollierten Dusche im Zimmer, bevor wir zum Abendessen ins Restaurant des Hostels gingen. Eric hatte uns von der guten Küche vorgeschwärmt und er hatte, jedenfalls für mich, recht mit seinem Lob: ich ließ mir eine sehr leckere fritierte Tofutasche, gefüllt mit braunem Reis, Zwiebeln, Spinat und Pilzen, schmecken.Thomas beschwerte sich über seine überbackene Kartoffel ebenfalls nicht, obwohl sie, wie er mir später sagte, absolut geschmacklos war. Wahrscheinlich tut man in Thailand gut daran, Thaifood zu essen und keine importierten europäischen Rezepte. Ein paar landesüblich kurzgewachsene, lächelnde Mädels mit rudimentären Englischkenntnissen flitzten herum und schmissen den Laden, während die Chefin, eine freundliche, rundliche Lady in den Vierzigern aus einem englischsprachigen Land, mit ihrem schwarzhäutigen bodygebildeten Lover in einer Ecke des Lokals saß.
Sie hatten offenbar eine Meinungsverschiedenheit, denn er redete mit erhobener Stimme auf sie ein. Merkwürdiges Paar, sie passen irgendwie überhaupt nicht zusammen.
Sonnabend, 16.04. - Bangkok
Die Pläne zur weiteren Gestaltung unseres Thailand-Aufenthaltes reifen allmählich und wir haben beschlossen, als Startpunkt für ein paar Tage zur Shanti-Farm zu fahren, die hauptsächlich dafür gedacht ist, der gleichnamigen Lodge organisch angebautes Obst und Gemüse zu liefern. In Thailand hat sich diese Idee noch nicht so durchgesetzt und man kann mit organischem Essen und dem Versuch um nachhaltige Bewirtschaftung gut um Touristen aus den reichen Ländern werben (die auch bereit sind, für dieses Plus zu zahlen). Neben dem Landbau gibt es auf dieser Farm, die in etwa 200 Kilometer Entfernung zu Bangkok nahe einem Nationalpark namens Erawan liegt, auch Hüttchen zu mieten. Die Fotos von den gemütlich wirkenden Bambus-Bungalows vor einem tropischen Wald-Hintergrund und andere von einem hellblauen Wasserfall, in dessen Pools man schwimmen können soll, in nur 15 km Entfernung zur Farm, hatten es uns angetan und so erkundigten wir uns bei der Chefin nach den Einzelheiten. Was wir hörten, gefiel uns, wenn auch der Weg, um dorthin zu gelangen, erstmal fürchterlich kompliziert klang. Aber davon später... Meine Stimmung, die in den ersten zwei Tagen in Bangkok ziemlich gedrückt war, besserte sich mit der Aussicht, aus der wuseligen Stadt, die mich mit ihren unzählbaren (und in ihrer Fülle auch unerzählbaren) Sinneseindrücken schlichtweg überforderte, abhauen zu können. Als wir nun noch für die letzte Nacht ein anderes Zimmer, mit Fenster, bekommen konnten, ging es mir wieder gut. Wir zogen um. Beim Frühstück waren wir mit zwei deutschen Backpackern ins Gespräch gekommen und es ergab sich, dass sie bald zum Hauptbahnhof fahren wollten. Das passte gut, denn wir wollten unseren vorerst letzten Tag in Bangkok mit einer Tour in das Geschäftsviertel verbringen und wir nahmen zusammen eins der ungezählten Taxis, was die Kosten für jedes Paar von immensen 1,5 Euro auf 75 Cent drückte. Am Bahnhof trennten sich unsere Wege: die Beiden wollten heute nach Kambodscha weiterreisen. Wir schauten uns auf dem großen Bahnhof um, wo zu Hunderten die Menschen auf Stühlen oder auf dem Boden saßen und auf ihren Zug warteten und marschierten dann der Stadtkarte nach los. Der Tag war sonnig und der Bürgersteig so heiß, dass ich die Hitze selbst durch die Sohlen meiner, noch neujahrsmäßig durchgeweichten Stoffschuhe kaum aushalten konnte. Wir versuchten, uns im Schatten zu halten und suchten unseren Weg zu einem Einkaufszentrum, in dem man, wie im Reiseführer steht, alles bekommt, was man so braucht. Wir wanderten an marmornen Hotelpalästen vorbei und an stinkenden Müllhalden zwischen abbruchreifen Häusern, durch die große Ratten huschten. Am Ende einer solchen Müllhalde machte Thomas mich auf einen Vorhang aus Fußmatten aufmerksam, der an einer Plastikleine aufgehängt war und offensichtlich die minimale Privatsphäre eines Menschen schützte, der dahinter hauste. Über uns donnerte der Großstadtverkehr den auf großen Betonstelzen gebauten "Expressway" entlang. Den Raum unter dieser kilometerlangen Brücke nutzen u.a. die Scharen von Tuk-Tukfahrern für die Pflege ihrer Fahrzeuge. Immer tiefer kamen wir in die Gedärme der Stadt hinein. Die Straßen wurden zu Gässchen und dann zu menschenleeren schmalen Schleichwegen, auf denen ich mich nicht mehr wohl fühlte. Wir bogen ab in etwas belebtere Gefilde und folgten lieber der verkehrsreichen Straße, die uns nach einer halben Stunde Weges zu dem besagten Einkaufszentrum brachte. Sowas hatten wir noch nicht gesehen!! Nach einer kurzen Taschenkontrolle nahm uns die klimatisierte, herrlich kühle Geschäftswelt in ihre liebenden Arme und schleuste uns in den größten Konsumtempel, den ich je gesehen habe! In der Mitte des riesigen Gebäudekomplexes ein fünfstöckiges Kaufhaus, in dem es Unmengen an Kleidung, Schmuck und Haushaltswaren zu kaufen gab. Als wir dieses "Herz" verließen, befanden wir uns in einem glänzenden Dschungel aus buchstäblich Hunderten von Verkaufsständen für Mobiltelfone und Computer, in dem wir uns hoffnungslos verliefen. Gedrängt schoben sich die wohlsituierten, potentiellen Kunden durch die Gänge, jeder auf der Suche nach dem ultimativen Deal für ein neues Handy oder den billigsten I-Pad. Preise standen nirgendwo. Um den Startpreis für erbittertes Feilschen zu erfahren, musste man erstmal ins Gespräch kommen. Und wenn man erst handelt, geht man selten ohne Ware davon. Wir wollten hier nichts kaufen, auf unserem Zettel standen eher profane Dinge, wie z.B. ein Moskitonetz oder ein paar neue Sandalen für mich, da meine billigen Leinenschuhe den Geist aufgaben, aber wie konnten wir hier finden, was wir suchten? Angestrengt suchten und fragten wir uns durch und hatten tatsächlich irgendwann alles, was wir kaufen wollten. Als die gigantische Konsummaschinerie uns schließlich wieder in die heiße Großstadtluft hinaus spuckte, hatten wir erfolgreich um eine Armbanduhr (4 Euro), ein Moskitonetz (5 Euro), ein paar Sandalen (8 Euro) und noch ein paar Kleinigkeiten mehr verhandelt und waren völlig fertig. Bloß weg hier! Etwas ziellos spazierten wir herum, auf der Suche nach einem Ort, wo wir was zu essen bekommen konnten und der nicht Mc Donalds oder Kentucky Fried Chicken hieß. In einer Nebenstraße, in der viele kleine Reifenhändler residierten, landeten wir in einem kleinen Straßenrestaurant, wurden von der gelassenen Art und der auf Englisch ausgesprochenen Einladung der Wirtin, doch Platz zu nehmen, angezogen. Wir setzten uns an einen wackeligen, aber sauberen Tisch, der auf dem Bürgersteig stand und wurden von einigen Stammgästen, die uns interessiert beäugten, mit freundlichem Nicken akzeptiert. In diesem Ambiente, zwischen den einfachen Leuten auf der Straße, die hier ihr gesamtes Leben verbringen und sich irgendwie eingerichtet haben, fühlten wir uns gleich wohler und wir streckten die müden Beine mit einem wohligen Seufzer von uns. In Kürze hatten wir ein einfaches, aber ausgesprochen leckeres Reis- und Gemüsegericht vor der Nase und hauten rein, während um uns herum das Straßenleben geruhsam seinen Gang ging. Gut gesättigt winkten wir später einem Taxi und ließen uns nach Hause fahren. Da sich die wenigsten Taxifahrer in ihrer riesigen Stadt wirklich auskennen und manche auch, so haben wir uns sagen lassen, den Fahrpreis durch gewollte Umwege in die Höhe treiben, saßen wir gespannt auf dem Rücksitz und verfolgten unsere Fahrt auf dem Stadtplan. Und richtig: der Fahrer war sich nicht sicher, wo wir hinwollten. Als ich ihm mit der Hand klarzumachen versuchte, dass wir nun links abbiegen müssten, war er allerdings eher dankbar für meine Hilfe und verließ sich dann ganz auf meine Führung. Als wir vor der Lodge aus dem Wagen stiegen, fühlten wir uns schon fast als Bangkok-Profis!
Sonntag, 17.04. - Fahrt zur Shanti-Farm
Und nun ging es auf ins Abenteuer! Um sechs Uhr standen wir auf, schnappten uns die fertig gepackten Rucksäcke und ließen uns von einem freundlich lächelnden, zahn- und ahnungslosen alten Mann zum lokalen Bahnhof bringen. Er hatte keine Idee, wo wir hinwollten, hielt darum unterwegs an, um zwei Männer zu befragen, die am Straßenrand standen. Danach wusste er, wohin und brachte uns an unser erstes Ziel des Tages, das wir allein wohl nie gefunden hätten, denn die Zufahrt zu dem kleinen Bahnhof liegt inmitten eines riesigen Marktgeländes. Am Ticketschalter kauften wir uns für jeweils 100 Baht (2,2 Euro) Fahrkarten nach Kanchanburi und suchten uns im Gedränge des Bahnsteiges einen Platz zum Warten. Da wir noch nicht gefrühstückt hatten, teilten wir uns auf. Thomas blieb bei unserem Gepäck und ich lief los, etwas zu Essen zu besorgen. Zwischen den vielen kleinen Marktständen, an denen die Landbevölkerung ihr Gemüse verkauft, finden sich in diesem Land immer auch Stände mit einfachem Essen und so kaufte ich etwas Gebäck, das dem Aussehen nach an Berliner erinnerte und auch ähnlich, nur nicht so süß, schmeckte. Dazu eine Mango und ein paar Äpfel, das sollte erstmal reichen. Während wir unser Frühstück verputzten, schauten wir dem Treiben auf dem Bahnsteig zu. Ein Zug kam, die Menschen quollen hinein, doch dann dauerte es sicher noch 15 Minuten, bis der Zug anfuhr. Immer mehr Menschen kamen, in aller Gemütsruhe reichten sie Reissäcke oder kleine Kinder durch die offenen Fenster, gingen dann wieder weg, um sich noch eine Flasche Wasser o.ä. zu kaufen, kamen wieder und hatten immer noch keine Eile. Sogar, als der Schaffner schon mit einem grünen Fähnchen in Stellung ging, verfiel iemand in Eile. Die lange Wartezeit wurde für ein kleines Mädchen, das mit seiner größeren Schwester und der gemeinsamen Oma im Zug saß, zur Qual. Es litt offensichtlich Todesängste wegen der anstehende Trennung von der, auf dem Bahnsteig auf die Abfahrt des Zuges wartenden Mutter und schrie und weinte untröstlich, während die verweinten Mandelaugen die hilflos lächelnde Mutter keinen Moment losließen. Es war herzzerreißend! Endlich setzte sich der Zug in Bewegung und die junge Mutter verließ den Bahnsteig, während ich das kleine Gesicht ihr noch nachschauen sah, bis der Zug aus meinem Blickfeld verschwand. Welch ein Leid! Fast pünktlich rollte unser, noch leerer Zug in den Kopfbahnhof ein, wir durften einsteigen und hatten freie Sitz- Auswahl. Wir hievten unsere schweren Rucksäcke in die Gepäckablage und setzten uns auf die, immerhin gepolsterten, Sitze. Ein Bahnarbeiter öffnete von außen alle Fenster, sodass die altersschwachen, lärmenden Deckenventilatoren nicht allein für die Luftbewegung sorgen mussten. Es war nun, um acht Uhr, schon recht warm. Wir freuten uns auf die dreistündige Zugfahrt! Mit einer Viertelstunde Verspätung setzte sich der Zug rumpelnd in Bewegung und rollte langsam durch die fast endlosen Vorstädte Bangkoks gen Westen. Vorbei an großen Märkten, großen Gebäudekomplexen aus einem bunten Patchwork aus Wellblech, Holz und Plastik. Vom Zug aus sahen wir die Müllhalden hinter dem pulsierenden, fröhlichen Marktgeschehen, es roch nach faulenden Früchten und totem Fisch.Die Perspektive der Bahnschienen in eine Stadt ist oft aufschlussreicher als von den Straßen, weil man sozusagen durch die Hintertür ins Haus guckt. Das wahre Leben zeigt sich dort von seiner ungeschminkten Seite. Während wir langsam weiterfuhren, wurde es um uns allmählich grüner, Bananenstauden, leuchtende Bougainvillea und tropische Bäume wuchsen hier am Bahndamm, wir sahen große neue Wohnblocks, davon manche noch im Bau, die der wachsenden Stadtbevölkerung Rechnung tragen. Aber auch viele kleine, sehr ärmliche Hütten hockten dort neben dem Bahndamm. Hütten, in denen man in Europa höchstens seine Gartengeräte aufbewahren würde, dienen hier vielen Menschen zum Wohnen! So weit hätten wir uns noch in jeder beliebigen Großstadt der Tropen befinden können, wenn da nicht immer mal wieder die goldene Pracht eines Tempels oder ein Geisterhäuschen an unserem offenen Zugfenster vorbeigehuscht wäre . Die Geisterhäuschen sind Miniaturtempel, meistens auf einen großen Stein oder einen Pfosten montiert, die bei einem Hausneubau dazu dienen, den Geistern, die man durch die Bautätigkeiten vertrieben hat, ein neues Zuhause zu bieten. Oft überragen die Geisterhäuschen in Pracht und Pflegezustand bei Weitem das Haus dahinter! Irgendwann war die Stadt zuende und es ging durch landwirtschaftliche Flächen, auf denen große Brahman-Rinder grasten oder Reis, Mais und Zuckerrohr angebaut wurde. Die Landschaft blieb vorerst flach und immer wieder hielt der Zug an kleinen Marktflecken an, wo jeweils ein paar Menschen zustiegen. Wir saßen im warmen Fahrtwind am offenen Fenster und genossen die Fahrt, während der altersschwache Zug tapfer und rumpelnd von Schiene zu Schiene sprang und wir manchmal auf unseren Sitzen regelrecht abhoben. Ein älterer Thai, der mir gegenüber saß, amüsierte sich ebenfalls über das Gehüpfe und lachte mich mit blitzenden Augen an. Nach drei Stunden erreichten wir die Stadt Kanchanburi am Rand der Berge, bekannt für die berühmte "Brücke am River Kwai", die sich nur wenige Kilometer außerhalb der Stadt befindet, und stiegen aus. Mit der Geschichte dieser Stadt beschäftigen wir uns später noch, nun wollen wir erstmal weiter. Auf dem Bahnhofsvorplatz boten uns einige Taxifahrer ihre Dienste an, die wir dankend ablehnten. Es sollte hier irgendwo, beim Ehrenfriedhof aus dem 2.Weltkrieg, einen Bus zu den Erawan-Wasserfällen geben, den sollten wir nehmen. Mit unserem schweren Gepäck suchten und fanden wir den Friedhof, doch dort war keine Bushaltestelle zu finden. Wir fragten die Leute und fanden einen mobilen Eisverkäufer, der uns bestätigte, es gäbe hier einen derartigen Bus. Wir sollten uns hier irgendwo hinsetzen, er würde den Bus für uns anhalten. Während der Wartezeit kaufte ich mir an dem kleinen Verkaufsstand einer Thaifrau Ersatz für meine kaputtgegangene Sonnenbrille, zum Bezahlen schickte sie mich zu ihrem Mann, der so gar nicht thailändisch aussah und auch gut Englisch sprach. Ein Däne aus Aarhus, wie sich herausstellte, der hier wegen seiner Frau hängengeblieben ist. Er freute sich über meine paar Brocken Dänisch und wünschte uns eine gute Weiterfahrt. Bald winkte uns der Eisverkäufer hektisch zu: der Bus kam angefahren! Wir schulterten unser Gepäck, er sprang wild mit den Armen wedelnd, auf die Straße und der klapperige Bus hielt mit ohrenbetäubendem Quietschen an. Eine große, gepflegte Frau half uns, im Bus unsere großen Rucksäcke zu verstauen und reichte mir, während der Bus schon weiterschaukelte, die Hand, um mich neben sich auf die Notsitzbank vorne beim Fahrer zu ziehen. Als ich ihre Stimme hörte, stellte ich fest, dass sie ein Mann war. Es dauerte ein Weilchen, bis er verstanden hatte, wo wir aussteigen wollten und dies dem etwas mürrischen Fahrer weitergegeben hatte, aber dann konnte ich mich voll auf die Fahrt konzentrieren. Der Verkehr auf der Landstraße, die wir nun entlangfuhren, war einigermaßen chaotisch, aber nicht hektisch und ich fühlte mich recht entspannt. Die vielen kleinen Mopeds, die den Löwenanteil des Verkehrsaufkommens hier bilden, wurden von unserem Busfahrer nicht wirklich ernst genommen und er hupte sie von hinten kurz an, bevor er zum Überholen ansetzte. Die Fahrer waren's gewohnt und fuhren ganz nach links an den Straßenrand. Etwa 15 km weiter hielt der Bus für uns in dem Kreuzungsort Latya an, der Fahrer wies auf die andere Straßenseite und meinte, dort sollten wir fragen nach dem Pickup, das uns weiter befördern sollte. Wir bezahlten der eleganten Mann-Frau unsere Fahrt (20 Baht pro Person) stiegen aus, der Bus fuhr davon. Die Minivanfahrer auf der anderen Straßenseite wussten nichts von einem Pickup-Taxi, aber als ich ihnen begreiflich machen konnte, dass es irgendwo vom Markt abfahren sollte, wussten sie bescheid und schickten uns die Straße hinunter. Die Sprachverständigung ist zwar recht schwierig, weil die Englischkenntnisse hier sehr dünn und unsere Thaikenntnisse noch dünner sind, aber dafür sind die Menschen meist sehr freundlich und hilfsbereit und reichen uns, wenn sie selbst keine Antwort für uns haben,an jemand anderes weiter, der vielleicht weiter weiß. Am Markt wurden wir angesprochen, wo wir denn hin wollten und es stellte sich heraus, dass der Fragende genau der Pickup-Fahrer war, den wir suchten. Sein Wagen stand bei einem kleinen Wellblechunterstand, unter dem einige fröhlich lachende Männer saßen. Sie luden uns ein, uns zu ihnen zu setzen, bis der Wagen abfahren würde. Der Pickup, mit Holzbänken auf beiden Seiten der Pritsche, ist hauptsächlich dafür da, die Menschen von den umliegenden Dörfern samt ihren Waren vom und zum Markt zu befördern und so saßen wir bald, eingezwängt zwischen ein paar weiteren Fahrgästen, großen Taschen und Kanistern auf der Ladefläche des alten Autos und gingen auf die letzte Etappe unserer heutigen Reise. Im heißen Fahrtwind (es war inzwischen etwa 1 Uhr mittags) ging es über eine kleine, aber gut geteerte Landstraße am River Kwai entlang in die hier beginnenden Berge hinein. Wir kamen an einem hydroelektrischen Staudamm vorbei und an vielen Straßenständen, an denen schön behauene große Felsen ausgestellt waren. Eine ältere Frau, die neben Thomas auf der Bank saß, schnatterte die ganze Fahrt über mit einer quäkenden, aber durchdringenden Stimme auf die junge Familie gegenüber ein. Offenbar hatte sie sich über irgend etwas geärgert und musste nun darüber reden. Ihre Zuhörer wirkten eher peinlich berührt und versuchten, den Redeschwall durch Nichtbeachtung zum Versiegen zu bringen. Was nicht gelang. Plötzlich sprangen ein paar Jugendliche vor uns auf die Straße und zwangen den Fahrer zum Anhalten. Als der Wagen stand, schnappten sie sich ihre Wassereimer und schütteten sie lachend und johlend über uns aus: ein letzter Neujahrsgruß.. Nach einer Stunde Fahrt ging die Straße in Schotter über, es wurde staubig auf unserer Pritsche, aber nun waren wir auch bald angekommen. Vor einem kleinen Restaurant am Waldesrand hielt der Fahrer an und bedeutete uns, wir sollten absteigen. Wir wurden herzlich von einer älteren Frau in Empfang genommen und in einfachem Englisch aufgefordert, unser Gepäck abzulegen und uns unter den Bäumen des großen Farmgeländes einen der fünf Bungalows auszusuchen. Wir entschieden uns für ein kleines, gemütliches Bambushüttchen, in dem gerade genug Platz für eine große Matratze und einen schmalen Weg drumherum war, schleppten unser Gepäck hinein und ließen uns fallen. Endlich angekommen! Hungrig baten wir Wanpen, unsere Wirtin, sie möge uns bald was zu Essen kochen. Das tat sie und servierte uns etwas später ein leckeres Reisgericht mit Tofu und Gemüse, das wir heißhungrig in uns hineinschaufelten. Dazu ein gekühltes Spezi aus ihrer Eisbox und die Welt war für uns wieder in Ordnung! Gut gesättigt trollten wir uns in unser Zimmerchen. Nun merkten wir erst, wie anstrengend die Reise gewesen war. Von dem Nachmittagsnickerchen, zu dem wir uns hinlegten, standen wir erst am nächsten Morgen wieder auf...
Montag, 18.04. - Shanti-Farm
Diesen Tag haben wir uns zum Faulenzen auserkoren! Nachdem uns Wanpen mit einem guten Frühstück versorgt hatte, blieben wir in ihrem Restaurant, das eigentlich ein offener, blechgedeckter Schuppen mit einer einfachen Küche und einigen zusammengewürfelten Tischen und Sitzgelegenheiten ist, sitzen und guckten Löcher in die warme Luft. Thomas hatte seinen kleinen Handcomputer zum Schreiben mitgenommen und der weckte die Neugierde von Wanpens drei Enkelkindern, die bei ihr wohnen, weil die Mutter auswärts arbeitet. Besonders Ben, der ältere den beiden Jungs, schaute mit großen Augen zu, als Thomas am Schreiben war, sodass Thomas seine Arbeit unterbrach und dem sehr schnell begreifenden, etwa 11-jährigen Jungen das Solitärspielen beibrachte. Alle drei Kinder standen oder saßen um Thomas und das schöne Spielzeug herum, ein herrliches Bild!
Den weiteren Verlauf des Tages verbrachten wir unter dem großen Strohdach, das als eine Art Gemeinschaftsraum mitten auf dem baumbestandenen, schattigen Gelände steht, schaukelten in den dort aufgehängten Hängematten, lasen und erholten uns von der Großstadt. Wie schön ist es hier am Rand des Tropenwaldes mit den fremdartigen Gerüchen der hiesigen Pflanzen und den wieder neuen Geräuschen der Natur: Urwaldvögel singen, Affen rufen, Frösche quaken und viele verschiedene Insekten zirpen! Kein Verkehrslärm, kein Abgas- oder Kloakengestank, keine städtisch gestressten Menschen...
Dienstag, 19.04. - Shanti-Farm
Mit einem geliehenen kleinen Moped brachen wir bald nach dem leckeren, von unserer Wirtin Wanpen gekochten, Kokosmilchporridge mit Bananen zu den Erawan-Wasserfällen auf. Thomas bekam einen kochpottartigen Plastikhelm auf den Kopf und musste erstmal üben, mit der ungewohnten Wipp-Schaltung der kleinen Honda "Dream" umzugehen. Nach seiner Übungsrunde über den Feldweg schwang ich mich hinter ihn und wir fuhren auf unserem "Traum" den Berg hinab. 12 abenteuerliche Kilometer, gespickt mit Schikanen wie z.B. einer Baustelle mit weicher, rutschiger Erde, bei der das kleine Moped eher alp"traum"mäßig heftig ins Schlingern kam, waren es zu den Wasserfällen. Am Eingang bezahlten wir pro Person 200 Baht Eintritt,. Das Moped sollte 20 Baht bezahlen, da es aber kein Geld dabei hatte, luden wir es ein, auf unsere Kosten mitzukommen. Wir sind ja gar nicht so!
Der Wasserfall, zur Zeit eigentlich nur ein schmales Rinnsal, denn es war lange trocken, fällt über viele Stufen den Berg hinab. Mit der Zeit haben sich auf sieben Ebenen schöne, mit hellblau schimmerndem Wasser gefüllte Schwimmbecken gebildet, in denen man baden kann. Neben dem Fluss führt ein, zumTeil recht anspruchsvoller, Wanderweg durch üppigen tropischen Wald bergauf, den beschritten wir erwartungsfroh. Es war schon ziemlich warm, obwohl erst 9:30 am Morgen und wir troffen bald vor Schweiß. Die ersten Sammelbecken waren schon gut besucht mit Badegästen, aber je weiter wir den Berg hinaufstiegen, desto weniger Menschen trafen wir in den Pools an. Und da wir, selbst nach bald vier Reisejahren, immer noch deutsch genug sind, um nach dem früh gelernten Motto:"erst die Arbeit, dann das Vergnügen" zu funktionieren, stiegen wir die 1,5 km bis zum siebten und letzten Pool hinauf, bevor wir uns dort oben in das erfrischend kühle Wasser fallen ließen. Was für ein Genuss!
Auf den Kalkfelsen neben dem Wasser landeten bunte Schmetterlinge zum Trinken und die hand- bis unterarmlangen Fische, die in dem Becken wohnten, knabberten an unseren Füßen herum. Mal kitzelte es mehr, aber mal ziepte es auch recht kräftig: "autsch, lass das!" Außer den kleinen Tieren gab es auch größere zu sehen: über uns in den Bäumen wanderten Horden von Affen herum, die wir entzückt beobachteten und später sahen wir noch zwei etwa einen Meter lange Echsen mit schöner schwarzgelber Zeichnung am Ufer des Flusses. Eine war sehr mit dem Verzehr einer großen Krabbe beschäftigt und ließ sich kaum bei ihrer Mahlzeit stören. Die ganze Szenerie erinnerte uns sehr an die Kaskaden von "Agua Azul" in Yucatan, Mexiko, die wir vor etwa zwei Jahren besucht haben. Hier wie dort besteht der Untergrund aus Kalkgestein. Der Kalk gibt dem Wasser die hellblaue Farbe und hinter manchen der kleinen Wasserfälle kann man in Tropfsteingrotten hineinschwimmen, die erahnen lassen, wie dieser gesamte Berg und seine Nachbarn von innen aussehen. Eine der vielen zu besichtigenden Höhlen dieser Gegend befindet sich übrigens in Fußgängerreichweite von unserer Unterkunft und die wollen wir uns morgen anschauen. Aber der Kalk färbt nicht nur das Wasser, er gestaltet auch die Wasserfälle dadurch, dass er sich überall ablagert und Kanten und Abbrüche abrundet. Die Natur als bildender Künstler, niemand übertrifft ihren Reichtum an Fantasie! Nachdem wir uns ausreichend abgekühlt und im Wasser getummelt hatten, machten wir uns langsam auf den Rückweg, wobei wir nun an allen Schwimmbecken anhielten und baden gingen. D.h. ich ging baden, Thomas ist ja nicht so der Wassermensch und war nach einem Bad zufrieden. Je weiter wir bergab gingen, desto heißer wurde die Luft, außerdem sahen wir, das sich am Himmel dunkle Gewitterwolken zusammenbrauten. So übersprangen wir die letzten Badegelegenheiten und sputeten uns etwas, um noch vor dem Regen nach Hause zu kommen. Das etwas kurzatmige Moped quälte sich ziemlich, als wir den Berg wieder hinauf fuhren, aber immerhin schafften wir es, etwa 10 Minuten vor dem tropischen Regenguss anzukommen. Als es dann losging, saßen wir schon unter dem Dach von Wanpens Restaurant und konnten in aller Ruhe in die Sturzfluten hinausschauen, die nun aus den Wolken fielen. Es donnerte einige Male kräftig, aber nach einer halben Stunden war der Spuk auch schon wieder vorbei.
Mit Markus und Friederike, einem deutschen Pärchen, die gestern angekommen sind, saßen wir beim guten Abendessen (Reis und Gemüse, süß-sauer, bzw mit Kokossauce und grünem Curry, Wanpen kocht wirklich sehr gut und erzählt uns auch immer, wie das, was wir essen, auf Thai heißt)) zusammen und freuten uns über den schönen Tag. Nach dem Tropenregen hatte sich die Luft etwas abgekühlt, das abendliche Konzert der Grillen und Frösche war viel lauter als in den letzten Tagen. Die nahe Tropfsteinhöhle "Prathat-Cave" war unser heutiges Ziel. Nur einen kleinen Fußmarsch von etwa einer Viertelstunde entfernt und mit unserem Nationalparks-Ticket von gestern für uns noch ohne zusätzliche Kosten zu besichtigen. Mr Hay, der Ehemann von Wanpen, fuhr uns auf dem Moped hinterher, als wir losmarschiert waren und deutete uns, wir könnten ruhig damit zur Höhle fahren. Dann ging er zu Fuß die 200m zurück nach Hause. Wie nett von ihm! Am Eingang des Nationalparkgeländes zeigten wir unsere Karten vor, dafür zeigte die zuständigen Frau uns mit einer Handbewegung den Weg zur Höhle. Der ging auf vielen Treppen steil bergauf, vorbei an großen Stauden mit im leichten Luftzug knarrendem Bambus (auf dem Rückweg hatte ich genug Puste, um sie zu zählen: es waren 591 Stufen!).
Dann standen wir schnaufend vor dem, vor langer Zeit eingestürzten Dach eines Teils der Höhle. Auch hier schon große Tropfsteingebilde zwischen den seither gewachsenen Bäumen. Ein Guide nahm uns in Empfang und führte uns durch einen sehr engen Gang hinein ins kühle Dunkel. Hinter diesem Durchgang weitete sich der Raum zu einem großen Dom mit toller Akustik. Da die installierte Höhlenbeleuchtung aus uns unbekanntem Grund nicht funktionierte, zeigte uns der Guide mit seiner kräftigen Taschenlampe die Besonderheiten der doch immerhin mehrere 100 Meter langen Höhle, wie bestimmte Stalagmiten, die mit etwas Fantasie z.B. an die Freiheitsstatue in NY oder an einen fliegenden Dinosaurier erinnerten. An der Höhlendecke leuchtete er einige kleine Fledermäuse an, die sich leise meckernd über die Störung beschwerten. Es gäbe zwei verschiedene Arten von Fledermäusen in seiner Höhle, erklärte er mir in seinem schwer verständlichen Thai-Englisch: eine davon sei die kleinste Art der Welt.
Auf dem Höhlenboden lagen mehrere riesige Tropfsteine, die bei irgendwelchen Erdbeben von der Decke gefallen sind. Wie jetzt: Erdbeben? Kann ich bitte lieber wieder raus? I'm just joking - natürlich blieb ich, aber etwas unruhig machte mich der Gedanke schon, wo es doch gerade vor ein paar Wochen nicht weit von hier gebebt hat und der Eingang sowieso so geburtskanalsmäßig eng ist... Nachdem wir auch die augenlosen Höhlengrillen bewundert hatten, zeigte der Guide uns eine Vertiefung im Höhlenboden, die mit CO2 gefüllt ist, wie er uns mit seinem Feuerzeug demonstrierte. Er stellte sich in die Mulde, zündete das Feuerzeug an und ließ es dann langsam herab. Auf einer Höhe von etwa 50 cm über dem Boden verlosch die Flamme zuverlässig. Woher das Gas kommt, konnte er uns leider nicht sagen. Kann uns das vielleicht jemand von unseren Lesern erklären? Nach etwa einer Stunde entließ uns die Höhle wieder ins Tageslicht, ohne Erdbeben und Verschüttetwerden. Ein lohnendes Unternehmen, wenn auch schwer erarbeitet!
Als wir Stunden später in Wanpens Obhut saßen und über unser weiteres Vorgehen nachdachten, drückten wir uns beide noch vor dem Gedanken an den nun bald fälligen Aufbruch herum und beschlossen erleichtert, dass ein Tag mehr hier uns eigentlich beiden gut gefallen würde.
Auch wenn wir nun die wesentlichen Sehenswürdigkeiten "abgearbeitet" haben, drängt es uns noch nicht weiter. Die freundliche Atmosfäre und die tropisch-ländliche Umgebung tun uns so gut.
Nachdem diese „schwere“ Entscheidung nun gefallen ist, verbringen wir einen lustigen Abend mit Wanpen und ihrer Familie und den anderen 4 Gästen, trinken Thai-Bier namens "Chang" (Elefant) und lassen uns von Nagmani, unserem indischen Mit-Gast, Fotos aus seinem Heimatland zeigen. Wir lernen neue Thai-Worte und lachen viel dabei.
Donnerstag, 21.04. - Shanti-Farm
Die einzige nennenswerte Aktivität des Tages war ein ausgedehnter Spaziergang, den wir am Nachmittag unternahmen und der uns tiefere Einblicke in die landwirtschaftliche Bergregion ermöglichte. Auf der ungeteerten Straße begegneten uns vereinzelt die überall vertretenen Mopeds, ohne die in Thailand gar nichts läuft. Die meisten Lasten und bis zu 5 Personen kann man ohne Probleme damit transportieren. Im großen Bogen gingen wir um den Hausberg, in dessen oberem Teil sich die Tropfsteinhöhle befindet, herum und befanden uns nun in einem weiten grünen Tal, das von bewaldeten, kleinen Hütchenbergen begrenzt wird.
Am Himmel braute sich langsam das nächste Gewitter zusammen, die aufgeheizte Luft flimmerte über den Wiesen und Feldern. Wir kamen an umgepflügten Äckern vorbei und an bescheidenen Bauernhöfen, wo wir von pflichtbewussten kleinen Wachhunden mit halbherzigem Gebell gemeldet wurden. In den offenen Räumen der einfachen, meist auf Stelzen gebauten, Holzhäuser wurde Siesta gehalten, ab und zu winkte uns jemand zu, wenn wir vorbeispazierten. Die Menschen machen es sich hier richtig gemütlich: um die Häuser herum sind meistens schöne Gärten mit Obstbäumen und bunten Blumen angelegt, in denen kleine, langbeinige Hühner nach Futter scharren. Rechtzeitig mit beginnendem Donnergrummeln ( "Fa-long" auf Thai) ließen wir uns mit einem Seufzer und einem kalten Getränk bei Wanpen in den Schatten sinken.
Doch heute kam das Gewitter nicht so recht zu Potte: es hatte sich wohl für einen anderen Weg entschieden und wir mussten auf den abkühlenden Regenguss verzichten.
An unserem letzten Abend versorgte Wanpen uns ganz besonders gut. Sie bedauerte ausdrücklich, dass wir nun alle wieder wegfahren wollen und lud uns ein, doch bald wiederzukommen. Dann machte sie sich an die schwere Aufgabe, für alle Abreisenden die tagelang zusammengegessene und -getrunkene Rechnung auszustellen. Mit deutlich qualmendem Kopf saß sie lange über ihrem Schreibblock, doch dann unterschied sich ihr Ergebnis nur unwesentlich von unserer eigenen Überschlagsrechnung. Als Abschiedsgeschenk gab ich Mister Hay meine Lesebrille (ich hab noch eine zweite..), die er sich mehrmals ausgeliehen hatte, als sie auf dem Tisch des Restaurants herumgelegen hatte. Er freute sich sehr und bedankte sich herzlich auf thailändische Art mit zusammengelegten Handflächen und einem ansteckend strahlenden Lächeln.
Thailand April 2011 (Weltreise Tagebuch 134) nächstes Tagebuch
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