Reiseberichte


Australien
 
Australien November 2010 (Weltreise Tagebuch 119) nächstes Tagebuch
Sonntag, 31.10. - kurz vor Esperance
In der Nacht trennten uns nur Null Komma Acht Grad vom Gefrierpunkt! Hätten wir geahnt, dass Australien solche Temperaturen für uns bereithält, hätten wir unsere Wolldecke, im bolivianischen Altiplano bis minus 26 Grad getestet, nicht in Brisbane zurückgelassen! Aber wir stellen heute empirisch fest, dass auch ein einfaches Laken, über die Schlafsäcke gebreitet, gute Wärmedienste leistet: wir haben nicht gefroren! Bei wolkenlosem Himmel und wenig Verkehr schaffen wir heute richtig Strecke. Bis mittags haben wir Ravensthorpe erreicht, wo wir an der Tankstelle eine Pause einlegen. Zwei Biker treffen wir hier, John, aus England für einige Wochen angereist, auf einer KLR unterwegs, begleitet Simon, einen in Sydney lebenden Engländer auf großer BMW, auf den letzten Strecken einer einjährigen Australienumrundung. SImon erzählt von einem Unfall, den er in der Nähe von Hell's Gate am Savannah Way mit einem Wallaby hatte. Dabei brach er sich die linke Schulter und das linke Fußgelenk, autsch. Da leider niemand des Weges kam, um ihm zu helfen, musste er mit den gebrochenen Gräten sein schweres, ebenfalls lädiertes, aber offenbar noch fahrbares Motorrad aufheben und bis in die nächste Aboriginal-Community fahren. Dort hievte man sein Bike und ihn hinten in einen Roadtrain hinein und transportierte ihn nach Darwin ins Krankenhaus... So kann es einem gehen, wenn man allein unterwegs ist. Zwei Monate später ließ er sich an die gleiche Stelle zurückbringen, um seine Reise fortzusetzen, wo sie gewaltsam unterbrochen wurde. Ganz schön taff/ tough! Mit gefülltem Magen und neuen Stories im Kopf fuhren wir weiter. Die großen Wälder sind mit dem Regen hinter uns geblieben, wir fahren durch die Kornkammer Australiens. Gerste, Weizen, Raps wird hier angebaut für Bier, Viehfutter, Brot und Margarine des Landes. Rinderfarmen produzieren, ebenfalls hier, das Fleisch dazu. Sonderlich interessant ist die Landschaft also nicht, aber irgendwie vertraut. Wir fahren an abgeernteten Feldern vorbei, auf denen große Strohrundballen auf den Abtransport warten. Bis es Zeit wird und wir uns an einem kleinen Buschgebiet, mit Blick auf eine noch nicht abgemähte Heuwiese, zur Nacht rüsten. Schwarze Kakadus mit weißem Wangenfleck sitzen in der Nähe auf kürzlich verbranntem Gelände, erzählen sich was und genießen geröstete Banksia-Kerne.
Montag, 01.11. - Kumarl Rest Area
Esperance, die nächste Stadt an der Küste, war nur noch 60km entfernt. Dort schauten wir uns etwas um, kauften ein, öffneten im Intertcafe unser kleines Fensterchen zur großen weiten Welt, saßen ein Weilchen im Park mit Blick auf Hafen und blaues Meer und trollten uns wieder. Die Stadt selbst hatte für uns nichts sonderlich Reizvolles. Irgendwie gleichen sich diese australischen Kleinstädte sehr: sauber, mit vielen Grünanlagen und perfekter Infrastruktur, ein Einkaufszentrum, ein irgendwie geartetes kleines Museum, in dem man sich alte Maschinerie anschauen kann, Touristbüro, Hardwareshop, Tankstellen - und was man sonst noch so braucht. Im Umkreis von Esperance gibt es einige Nationalparks am Meer. Im Sommer, wenn das Wasser Badetemperatur hat, ist es sicher sehr schön dort. Man sagt, hier an der Südküste seien die Strände so schön wie sonst nirgendwo in Australien. Wenig Menschen, dafür viel weißer Sand und blaues Wasser. Im Augenblick ist uns allerdings der Wind hier viel zu schneidig für einen Strandurlaub... wir sind arg verwöhnt, ich weiß. Nun gut, wir fahren weiter. Norseman ist der nächste Punkt und auch die letzte Stadt vor der langen Strecke durch die Nullarbor-Plains, die dafür berühmt sind, das längste Stück Straße ohne jegliche Abweichung von einer geraden Linie auf dem ganzen Kontinent zu beinhalten: 146,6km schnurgeradeaus! Und das ist nur ein kleiner Teil dieser pfannkuchenflachen Ödnis, in der es keine Bäume gibt. Insgesamt geht es etwa 1000km mehr oder weniger durchs Nichts, bis wir wieder in die Nähe der Zivilisation kommen. Adelaide ist dann unser nächstes Ziel. Dort müssen wir unsere Carnets de Passage, die Zollpapiere, verlängern lassen. Diese Papiere ersparen einem die teure Verzollung bei temporärer Einfuhr eines Fahrzeuges. Sie werden vom heimischen Automobilclub ausgestellt und sind jeweils nur ein Jahr gültig. Wenn man das Ablaufdatum verpennt und ohne gültiges Carnet ausreisen will, kostet es 12000 Dollar Zoll. Die wir nicht unbedingt zahlen wollen. Darum haben wir uns von Perth aus mit dem australischen Club in Verbindung gesetzt und müssen in Adelaide zum dortigen Büro, auf dass sie uns dort die notwendige Verlängerung abstempeln. Es gibt doch immer irgendwas zu organisieren... Naja, das kommt dann. Erstmal sind wir noch in den Weizenfeldern unterwegs. Hatte ich über die Versalzung der Böden und die damit verbundene Verminderung der Ernteeinträge schon gesprochen? Nein? Also, im Boden befinden sich große Salzmengen, die durch die Meereswinde über Jahrtausende ins Land getragen wurden und sich im Boden abgelagert haben. Als hier noch alles bewaldet war, haben die Bäume den Grundwasserspiegel auf einem Niveau unterhalb des Salzes gehalten. Nach der Abholzung stieg der Wasserspiegel langsam an, das Getreide braucht nicht so viel Wasser wie der Wald und so wird Stück für Stück das Salz gelöst und verdirbt den Boden. Man versucht nun, u.a. durch Pflanzung von stark wasserziehenden Bäumen, diese Tendenz rückgängig zu machen, aber solche großen Wälder, wie es damals hier gab, lassen sich natürlich nicht in 20 Jahren wieder aufforsten. So werden die Anbaufllächen jedes Jahr kleiner...
Dienstag, 02.11. - hinter Balladonia
Gestern Abend blieben wir etwa 80km vor Norseman im Busch, auf einem Rastplatz mit weit nach hinten laufenden Tracks und dort vielen Stellplätzen für Zelte oder Caravans. Auf den hundertfuffzich Kilometern seit der windigen Küste war die Temperatur wieder australisch geworden: man kann wieder im T-shirt unter der Jacke fahren, alle Fleeceklamotten dürfen wieder in den Packsack zurück. Norseman, wo wir heute morgen durchkamen, ist ein kleines Kaff, wo der Hund begraben scheint. Außer den vielen Durchreisenden (immerhin ist dies die einzige südliche Verbindung zwischen Perth und dem Rest des Kontinentes) ist hier nichts los. Ursprünglich war dies ein Goldsucherstädtchen, aber auch davon ist nicht viel übrig geblieben. Für uns bedeutet Norseman: tanken, zwei Apfelsinen für 3,35 Dollar kaufen und an der Tankstelle eine kostenlose heiße Dusche zu genießen. Seit Secret Harbour gab es keine Dusche mehr, also war es wohl nötig.. Und dann bogen wir auf die laaange Strecke nach Osten ab. Der Himmel wolkenlos blau, angenehme Temperatur, schöne Musik im Ohr, geradeaus durch den allmählich niedriger werdenden Busch. Ein kleines weißes Wölkchen hatte sich verirrt. Als es seinen Irrtum bemerkte, löste es sich vor meinen Augen verschämt auf. Am Beginn der gestern erwähnten 146,6km Schnurgeradeausstrecke, die durch ein großes Schild extra gekennzeichnet ist, fanden wir im Windschatten der letzten erwähnbaren Bäume einen Zeltplatz. Morgen geht es dann nur noch geradeaus...
Mittwoch, 03.11. - vor Madura
In unserer Nähe stoppte gestern am späten Abend ein Roadtrain. Offensichtlich brauchte der Fahrer eine Mütze voll Schlaf. Und ganz offensichtlich waren die Kühe, die er geladen hatte, mit ihrer Situation auf dem Truck nicht einverstanden. Wahrscheinlich hatten sie Angst, waren hungrig und durstig und zu eng gepackt, so dass sie sich nicht hinlegen konnten. Ihrer Verzweiflung versuchten sie durch anhaltendes Brüllen Gehör zu verschaffen, was ihnen bei uns auch prima gelang, aber wir konnten ihnen ja nicht helfen. Einige Stunden vergingen, ohne dass wir hätten einschlafen können. Entsprechend müde waren wir morgens. Ich fühlte mich, als hätte ich die Nacht durchgesoffen... Muss mal jemanden fragen, ob es in Australien Tierschutzbestimmungen gibt, die auf solchen Tiertransporten dafür sorgen, dass die armen Viecher auf ihren langen Reisen jedenfalls Wasser bekommen... Dann waren wir wieder auf der Straße und brauchten uns jedenfalls um scharfe Kurven keine Gedanken zu machen. Mal mehr, mal weniger Bewuchs beidseits der Straße, trotz großer Schilder, die vor Emus, Kamelen und Kängurus auf der Straße warnen, sahen wir überhaupt kein Wild, nur ein paar wenige Vögel. Schade, ein Kamel haben wir in Australien noch nicht gesehen. Roadtrains, einige Caravans, insgesamt weiterhin wenig Verkehr, die Kilometer ziehen sich ganz schön in die Länge. Kräftiger Seitenwind kommt auf, die entgegenkommenden Trucks schubsen uns mit ihrer Windbugwelle hin und her. Pause am nächsten Roadhouse, ein paar Liter teuren Sprit nachfüllen und weiter. Keine besonderen Vorkommnisse. Die wenigen Schafe im Gras neben der Fahrbahn verwandeln sich beim Näherkommen in helle Steine, die Landschaft wirkt wie leergefegt. Nachmittags um halb vier finden wir einen recht netten, weitläufigen Rastplatz und machen nach knapp 300km Feierabend. Eine leckere Mahlzeit, Kartoffeln mit Zwiebel-Möhren-Gemüse zum Abendessen sorgt, außer für einen vollen Magen, dafür, dass wir morgen an der Grenze zu South-Australia keine frischen Früchte dabei haben, die man uns dort sonst abnehmen würde. Wir könnten Fruchtfliegen verbreiten...
Donnerstag, 04.11. - Nullarbor Plains
Wieder mehr als 300km gefahren heute. Kalt und windig, zunehmend. Vegetation kontinuierlich abnehmend. Außer den Roadhouses, etwa alle 100km eines, kein Anzeichen menschlicher Besiedlung. Ab und zu führt ein Weg in den endlosen Busch hinein, wohin mögen diese Wege führen? Ein erstauntes Känguru, einige tote, aber auch einige lebendige Lizards an oder auf der Straße, wenige Vögel zu sehen. Beim Mundrabilla Roadhouse, von den teuren Tankstellen an dieser Strecke die billigste (Normalsprit 1,54 AUS/L), tanken wir auf und treffen unabhängig voneinander erst ein Hamburger Paar auf Zweimonatsurlaub, dann eine ältere Hamburgerin, die ihren in Australien lebenden Bruder (?) besucht. Hamburg ist überall... Nach 240km erreichen wir die Grenzstation zu Südaustralien. Hier wird nur in der Gegenrichtung auf verbotenes Obst- und Gemüse im Fahrzeug untersucht, wir bleiben unbehelligt. In unserer Richtung wird erst in Ceduna, knapp 500km weiter östlich, kontrolliert. Hätten wir das gewusst, dann hätten wir unser Obst noch nicht komplett aufgegessen. Naja, bis morgen überleben wir wohl auch ohne die tägliche Obstration (das sieht ja komisch aus in geschriebener Form..). Hinter der Grenze schwenkt die Straße, die bisher inlands verlief, an die Küste ab. Oberhalb der hohen Klippen fahren wir nun mit strahlend blauem Blick auf das endlose Meer. Tief unter uns schäumt es aus türkisen Untiefen an weißen Sandstrand. Wäre der Wind nicht so kalt... So aber arbeiten wir uns lieber weiter durch den böigen Gegenwind, mit wieder herausgekramtem Fleece unter der Motorradjacke. Sind wir denn hier in Patagonien? Wir suchen einen Platz, wo wir unser Mittagsmüsli essen können, ohne dabei weggepustet zu werden. Das ist gar nicht so einfach hier. So weit das Auge reicht, nur windgebeugtes halbhohes Buschwerk. Zu flach, um sich dahinter im Windschatten zu verstecken. Doch dann, schon wieder 80km weiter, ein Rastplatz, wo die Büsche höher sind und zwischen den Büschen halbwegs geschützte Nischen das Zeltaufstellen ermöglichen. Wer weiß, wie weit es danach wieder durch den Wind geht? Wir bleiben lieber gleich da. Morgen ist auch noch ein Tag!
Freitag, 05.11. - etwa 100km vor Ceduna
Heute wieder warm. Der Wind hat gedreht, kommt jetzt von Norden aus der Wüste und bringt uns Temperaturen bis 34 Grad und auf die Dauer einen steifen Hals vom Gegenhalten gegen den Winddruck von der linken Seite. Trotzdem angenehmer als die Kälte gestern. Nach und nach verschwinden alle zusätzlichen Kleidungsschichten wieder im Packsack. Und wenn die Landschaft gestern schon karg war mit den niedrigen Büschen, ist sie heute an Kargheit kaum noch zu überbieten: hier ist der Name Nullarbor wirklich Programm! So viel Horizont haben wir lange nicht gesehen. Null Bäume, nur Gras, das, vom Wind gekämmt, heute nach Süden zeigt. Hier kann man sich wirklich vorstellen, dass die Erde ein Ball ist - man kann in alle Richtungen bis zur Krümmung der Kugel schauen. Einerseits ganz schön öde, aber andererseits auch wieder faszinierend! Pause am Nullarbor Roadhouse (hier kostet der Sprit 1,80, hihi, wir brauchen ihn nicht zu kaufen, dank einem netten Trucker, der mir den Tipp mit Mundrabilla gegeben hatte). Alle Reisenden halten hier an, es herrscht ein reges Kommen und Gehen. Wir setzen uns in den Schatten, verstecken uns vor den allgegenwärtigen Fliegen mit unseren Kopfnetzen und schauen dem Treiben zu. Und nutzen die Gelegenheit zu einer heißen Dusche für 1 Dollar, schöön! Etwas weiter die Straße entlang ein Abzweiger zum "Head of Bight", der Spitze der Großen Australischen Bucht, wo zwischen Mai und Oktober die südlichen Glattwale, die selbe Art, die wir in Argentinien schon bewundert haben (für die, die schon so lange mit uns unterwegs sind), ihre Jungen gebären und aufziehen. Leider kommen wir hier zu spät, die letzten Wale sind vor etwa zwei Wochen Richtung Antarktis abgereist. Naja, kann nicht immer klappen. Gashahn auf, und weiter durch die leere Ebene, die nun aber auch zum Glück bald aufhört, ganz ohne Bäume zu sein. Hundert Kilometer später fahren wir durch schöne, leicht hügelige Landschaft mit typischem australischen Busch, wo die Bäume auch wieder Höhen von etwa 5-7 Metern erreichen und gelb blühende Büsche die heiße Luft mit ihrem Honigduft erfüllen. Der Wind lässt nach, welch eine Erleichterung! Bis Ceduna, der Stadt, in der unser Obst wartet, schaffen wir es trotzdem heute nicht mehr. Wir sind von Hitze und Wind zu geschafft und verziehen uns, nach 340km Tagesleistung, lieber eine Stunde vor Sonnenuntergang in die Büsche, wo wir unser fliegenfreies Asyl genießen. Da sitzen sie nun auf dem Insektennetz der Zelttür und wollen soo gerne rein zu.. näh-nänä-näh-näh!
Sonntag, 7.11. - bei am Gilles-Lake
Gestern war außer einem Besuch der Stadt Ceduna, wo wir endlich wieder frisches Obst bekamen, nicht viel Erzählenswertes los. Wir sind müde von der langen Fahrt durch die Ebene und haben abends nur noch den Schlafsack im Sinn. Die Eyre-Halbinsel im Südosten von Ceduna haben wir daher auch nur gestreift. Die Landschaft ist recht flach und voller Getreidefelder, davon haben wir erstmal genug. Die Küste soll wohl sehr schön sein, aber da ist es uns zu windig und außerdem haben wir nun so viel Küste gesehen... Darum drehten wir bald bei, übernachteten abseits einer kleinen Schotterstraße im Windschatten und fuhren heute im Bogen wieder auf die Hauptroute nach Port Augusta. Die Fliegen nerven! Sobald wir irgendwo anhalten, sind sie da. Heute kamen wir durch die kleine Stadt Kimba, deren Hauptattraktion ein Schild ist, auf dem zu lesen steht, dass man nun die halbe Strecke zwischen Sydney und Perth hinter sich habe. Damit kann man sich dann fotografieren lassen. Naja... Kurz hinter Kimba führt eine gute Schotterstrecke etwa 7km nach Norden zu einem kleinen Salzsee. Dort, hatten wir gehört, könne man auch campen. Dies erwies sich als guter Tipp: niemand hier, jede Menge schöne Plätze unter kleinen Bäumen und ein schöner weißglitzernder Salzsee mit bunten Blumen am Ufer. Vogelstimmen, Fußabdrücke von einem großen Emu, der Himmel hat in etwa die gleiche Farbe, wie die Wände des neulich angestrichenen Hauses nach der ersten Schicht Weiß hatten. Etwas Blau schimmert hindurch...
Montag, 08.11. - Gilles-Lake
Morgens beim Zusammenpacken stellen wir fest, dass wir eigentlich beide heute gar nicht weiterfahren wollen. Dies ist so ein schöner Ort für einen Ruhetag. Zu essen haben wir genug dabei, Wasser auch, also fällt die Entscheidung nicht schwer und wir rollen die Matten wieder aus. Verbringen den Vormittag mit Lesen. Gehen später gemeinsam spazieren, stellen fest, dass der See sich vor unseren Augen ausdehnt. Wo gestern alles trocken und weißüberkrustet war, ist jetzt Wasser. Die Wasserlinie schleicht sich immer weiter. Ein metallisch grün glänzender Käfer ist von der Flut überrascht worden, rennt nun durch das flache Wasser und sucht am salzigen Strand nach Schatten. EIn kleines Stóckchen kommt ihm gerade recht, er beginnt, mit allen sechs Beinchen gleichzeitig durch die Salzkruste ein Loch zu graben. Wir schauen ihm zu. Nach zehn Minuten ist es endlich groß genug, um ihn vor der Austrocknung durch die Sonne,die heute sehr warm von wolkenlosem Himmel brennt, zu schützen. Kein Wind geht, die Landschaft wirkt heute sehr still. Nur die Fliegen und einige Bremsen sind aktiv und verfolgen uns. Wir haben extra lange Hosen angezogen und unsere Netze um den Kopf und lassen uns nicht stören. Wer zu aufdringlich wird, muss sterben. Zurück beim Zelt ist Friseurstunde: Thomas' Haare sind mal wieder fällig. Ich schneide sie ihm auf vier Zentimeter, darin habe ich inzwischen Übung. Während wir uns so beschäftigen, stellen wir einen intensiven Benzingeruch fest: wer stinkt hier so? Eindeutig Foster diesmal. Thomas findet Feuchtigkeit außen am Vergaser. Wo kommt die her? Seufzend fügt er sich ins Unvermeidliche und baut zum x-ten Mal den schweren Tank ab, um die Vergaser feizulegen. Diagnose nach einer halben Stunde Arbeit: die Schwimmernadel eines Vergasers muss klemmen, denn Benzin ist aus dem Vergaser übergelaufen und in den Ansaugtrakt des Zylinders gelaufen. Als der voll war, ist es nach außen durchgedrückt und am Vergaser heruntergelaufen. Thomas lässt den Motor leer durchdrehen, um den Sprit aus dem Ansaugstutzen loszuwerden. Das Benzin spritzt überall hin. Dann versucht er, den Vergaser zu untersuchen, ohne ihn wieder auszubauen. Nichts festzustellen. Dann alles wieder zusammenbauen, testen: läuftt. Nun muss er vorläufig auch immer schön den Benzinhahn zumachen. Ich hatte vor kurzem ein ähnliches Problem, allerdings hat Jollys Vergaser einen Überlaufschlauch, der den Sprit nach außen ableitet. Damit fällt es sofort auf, wenn der Schwimmer hängt, während bei der Transalp einfach fröhlich der Zylinder voll läuft. Gut, dass uns das aufgefallen ist. Bis morgen wäre sonst sicher eine ganze Menge ausgelaufen... Als er fertig ist mit der Bastelei, wird es dunkel. Zeit fürs Abendbrot. Herrlich, so ein Extra-Tag. Es ist so schön still hier. Den ganzen Tag über hat sich hier niemand blicken lassen, kein Autolärm, nur Vogelstimmen, Fliegensummen und leises WIndrauschen in den Bäumen.
Dienstag, 09.11. - Spring Creek Mine
Schon wach, lauschen wir still den morgendlichen Stimmen um uns herum. Dann muss ich raus und schauen, wie es heute draußen aussieht. Ein amselgroßer grauer Vogel mit einem markanten Ruf lässt sich durch Imitation seines Liedes herbeilocken. Bis auf einen Meter kommt er an mich heran, schaut dann etwas verdutzt auf dieses ungewöhnliche Exemplar seiner Art, das da im Busch hockt. Von allen Seiten werde ich begutachtet, während wir uns weiter in seiner Sprache unterhalten. Dann beschließt er, dass mit mir wohl keine Familiengründung möglich sei und fliegt davon. Die 150 Kilometer bis Port Augusta wurden hälftig geteilt von einem oben herum deutlich angeknabberten Eisenberg und einer dazugehörigen kleinen Stadt: Iron Knob. Die Mine ist inzwischen offenbar stillgelegt. Daraus erklärt sich uns auch der etwas geisterstadthafte Zustand des Städtchens, dass sich bemüht, über Führungen durch die alte Mine und ein kleines Museum zum gleichen Thema ein paar Touristen von der Hauptstraße wegzulocken. Die übriggebliebene Infrastruktur beschränkt sich auf das Allernötigste: eine kleine Post, in der man auch kalte Getränke und Snacks bekommt, residiert in einem dafür abgestellten Container, der ehemalige kleine General Store ist wohl schon länger verwaist, mit staubblinden Fenstern und abblätternder Farbe. Einige kleine Häuser sehen noch bewohnt aus, einige sogar gepflegt mit frischer Farbe und Blumen vor der Tür. Aber der Trend dieses Örtchens geht eindeutig abwärts. Wir sitzen eine Weile im Schatten, fahren dann weiter nach Osten, wo sich im Dunst die Berge der Flinders Range abzeichnen. Bald erreichen wir Port Augusta, eine 15000 Einwohner starke Stadt mit einem, für australische Verhältnisse, alten Stadtkern um eine lateinamerikanisch anmutende grüne Plaza. Während Thomas in der benachbarten Bücherei unsere Mails abruft (in Südaustralien kostenlos), sitze ich an einem Tischchen im Park, bekomme dort Besuch von drei Aboriginals. Zwei Männer, Onkel und Neffe, und die zum Neffen gehörende Frau. Onkel Desmond beendet gerade einen Folienkanister Wein, ist dementsprechend gut aufgelegt. Da in dieser Stadt das öffentliche Alkoholtrinken verboten ist (warum nur?), trägt er seinen Stoff in eine Tasche versteckt bei sich. Er presst sein Ohr an ein Mobiltelefon, aus dem quäkende Popmusik schrillt. Auch ich bekomme mal das Handy ans Ohr: er fragt, ob mir die Musik auch so gefällt?Naja... Wir sitzen freundlich zusammen und klönen, bis Thomas mir zuwinkt: ich kann den Rechner übernehmen und meine Mails checken. Um 17 Uhr verlassen wir die Stadt Richtung Adelaide, biegen dann bald nach links ab, fahren auf einer schön kurvigen Straße durch die, vom reichlichen Regen der letzten Wochen herrlich grüne Range, um jenseits der Berge nach Süden zu fahren. Weniger Verkehr und schönere Landschaft dort, vermuten wir. Dann suchen wir bald einen Schlafplatz, biegen dafür vom Teer auf eine Schotterstraße in die Berge ab. Zu einer historischen Mine ist der Weg ausgeschildert, der erst ganz harmlos anfängt... Bergauf schrauben wir uns, dann geht es wieder bergab, zwischen die Hügelketten in ein schmales Tal hinunter. Da es, wie gesagt, in der letzten Zeit viel geregnet hat in dieser Gegend, hat der Weg wohl sehr gelitten und wurde vor kurzem mit faustgroßen Steinen ausgebessert, die noch lose auf der Oberfläche liegen und die Motorräder zu wilden Sprüngen veranlassen. Als wir unten ankommen, bin ich, zumindest gefühlt, kreidebleich. Da müssen wir wieder hoch, Hilfe, das kann ich nicht! Aber erstmal bleiben wir hier und bauen uns direkt auf dem Weg auf, der hier an einer modernen Pumpstation und dem alten, verschlossenen, Minenstollen endet. Der Spring Creek plätschert fröhlich durch das Tal, beschattet von großen alten Eukalyptusbäumen. Viele Schafe hört man am gegenüberliegenden Hang blöken, mannshohes blühendes Gras und große Felder tiefblau blühender Wildblumen vervollständigen das Frühlingsidyll. Um mir einen ruhigen Schlaf zu ermöglichen, steige ich vor der Dämmerung den Hang nochmal hinauf und betätige mich als Straßenbauer, räume große Steine aus dem Weg und plane meine Strecke bergauf für morgen früh. Danach ist meine Angst nicht mehr so schlimm und ich kann den schönen Ort genießen
Mittwoch, 10.11. - Laura
Die Fahrt über die bearbeitete Bergaufpiste ist zwar immer noch aufregend, aber nicht mehr gefährlich und wir kommen beide unfallfrei über die steinige Strecke. Aufatmen (was bin ich doch nach so langer Reise mit doch vielen heftigeren Offroaderfahrungen immer noch für ein Hosenschisser!) Hinter der Range ist das Fahren auf leicht kurviger, vielfach geflickter Teerstraße dann ein wahres Vergnügen. Der Himmel wolkig, aber ohne Regen, die Landschaft grün und hügelig, es duftet nach blühenden Bäumen und frischem Heu. In den Niederungen knorrige alte Bäume mit dicken Wurzelfüßen, Bäche sprudeln munter, einige Kühe, Pferde und Schafe auf den Wiesen. Viele blühende Wildrosenbüsche am Straßenrand. Alle 20km ein kleines Dorf. Landwirtschaft, ein bisschen Tourismus. Hähne krähen, Trecker rumpeln die Straße entlang, die Häuser meist aus flachen Feldsteinen gebaut, drum herum blühende Gärten. Die Luft ist warm und weich. Nach 50km fahren wir durch das 500 Seelen-Dorf Laura, wo es uns beiden gleich gut gefällt. Darum verlegen wir die übliche Kaffeepause heute vor und halten bei einem, "Koffi 'n Kandi" genannten Straßencafe an. Vor der Tür sitzt ein Grüppchen alteingesessener Bauern gemütlich klönend zum Lunch zusammen, wir besorgen uns Kaffee und unvernünftigerweise ein reichhaltiges Stück Kuchen und pflanzen uns an einen kleinen Tisch vor der Tür. Geruhsam läuft das Leben hier, man redet über das Wetter und die Hoffnung, das Korn nun bald trocken einfahren zu können. Es ist wieder Regen angesagt... Lange sitzen wir und fühlen uns hier irgendwie heimisch. An der baumbestandenen breiten Dorfstraße befinden sich noch etliche kleine Läden: Friseur, Schlachter, Gernera Store, Hardware, sogar ein alter Juwelier steht in seinem Lädchen und repariert, die Lesebrille tief auf die Nasenspitze gerutscht, ein Schmuckstück. Ein kleines Krankenhaus versorgt die kleinen Nöte der Bevölkerung, für die größeren muss man in die Stadt. Ja, Krankenschwestern würden hier immer gesucht... ...und die Grundstückspreise sind hier noch recht günstig... hmmm... Wir reißen uns los, denn wir wollen abends in Adelaide sein und haben noch über 200km vor uns. Durch offenes, etwas kahles, Hügelland bis zur grünen Weinbaugegend um das Städtchen Clare herum. Riesling wird hier angebaut, lesen wir. Hinter Gawler kommen wir allmählich in den Sog der Großstadt. Die Straße füllt sich stärker, als uns lieb ist. Wir lassen uns mitschwemmen und finden uns im Herzen Adelaides im Feierabendverkehr wieder, bekommen so einen ersten Kurzdurchgang der City geliefert: ein paar moderne Hochhäuser, eine schöne große Kirche aus gelbem Sandstein. Wenn ich mich nicht irre, die Schwester der Kathedrale von Sydney? Muss ich nochmal nachlesen. Nun suchen wir erstmal den Weg nach Süden wieder raus aus der Stadt, denn unsere Freunde Chris und Carol, mal wieder Reisebekannte, die uns ihr Haus öffnen wollen, wohnen 50km südlich in dem Ort Willunga. Als Mitbringsel besorgen wir eine reife Ananas und verlassen die City. Die angegebene Adresse lässt sich leicht finden, wir werden mit herzlichen Worten empfangen und kommen in ein geräumiges Haus aus zementverstärktem Lehm, mit viel Holz und einem großen, offenen, zweistöckigen Wohnraum. Bei einem Glas kaltem Saft sitzen wir draußen im üppig blühenden Garten, wo es in einem Baum von Bienen summt. Wir wissen noch wenig voneinander. Nur, dass die Beiden auch gerne reisen und uns darum aus Reisesolidarität eingeladen haben. Nun erfahren wir, dass Chris an zwei Tagen in der Woche als Arzt in einem kleinen Krankenhaus in der Nähe arbeitet, Carol vormittags als Physiotherapeutin in einem anderen. Sie haben sich dieses schöne Haus vor fünf Jahren gekauft, um in der Nähe der Stadt und ihrer drei erwachsenen Söhne zu sein. Später bereiten wir gemeinsam ein leckeres Essen mit viel Gemüse und ein paar gegrillten Hühnerfleisch-Schaschliks zu und sitzen zusammen bis in den späten Abend. Eine warme Dusche und ein weiches, ach so gemütliches Bett runden den Tag ab. Seufz!
Donnerstag, 11.11. - Willunga
Heute rühren wir uns nicht von der Stelle! Unsere Gastgeber sind beide schon aus dem Haus, als wir aufstehen und bei warmem Wetter draußen frühstücken. Die vielen Blumen duften und zum ersten Mal hier in Australien sehe ich eine Amsel! Sie sitzt auf der Gartenmauer und verschwindet nach einigen Momenten des besorgten Umsichschauens mit einem Würmchen im Schnabel in einem Gebüsch. In einiger Entfernung höre ich nun auch den schönen Amsel-Frühlingsgesang, den ich so vermisse in diesem Land der ungezählten Vogelstimmen. Um noch besser eintauchen zu können, schnappe ich mir einen Besen und fege die Steinplattenwege des kleinen Gartens, bewundere die leuchtend gelb und orange blühende Kapuzinerkresse, die den Boden unter den dichten weißgelben Margeriten bedeckt, staune über die schöne rote Amaryllis und schnuppere am Lavendel. Wie schön! Dann heißt es: an die Arbeit. Wäsche waschen, Korrespondenz abarbeiten. Die Verlängerung unserer Zollpapiere muss voran gebracht werden.
Australien November 2010 (Weltreise Tagebuch 119) nächstes Tagebuch
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