Reiseberichte


Europa
 
Europa Mai 2011 (Weltreise Tagebuch 139) nächstes Tagebuch
Freitag, 20.05. Alexandroupoli
Von der Lehmpiste lieber wieder zurück auf die holperige, aber immerhin vierspurige Straße, die zur griechischen Grenze führt. So einen zurechtgeflickten Teer haben wir lange nicht gesehen! Aber die Sonne scheint heute recht häufig zwischen den Wolken durch, es ist relativ wenig Verkehr unterwegs, die Frühlingsblumen leuchten am Straßenrand, es ist gut, auf den Moppeds zu sitzen und einfach unserer Nase zu folgen. Am frühen Nachmittag erreichen wir die Grenze zu Griechenland. Auf der türkischen Seite müssen wir unsere Papiere viermal durch kleine Fenster in halbdunkle Schalter hineinreichen, bis wir vorläufig aus der Türkei entlassen sind (ich sage vorläufig, weil wir ja nun kaum was von diesem interessanten Land gesehen haben. Wir müssen also nochmal wiederkommen!). Die Einreise nach Griechenland und damit in EU-Land sieht so aus: am ersten Fenster wirft der Beamte einen flüchtigen Blick in unsere Pässe und gibt sie uns zurück, der Zollbeamte winkt uns gleich ganz durch. Wie jetzt - war das alles?? Und schon sind wir in Griechenland und schnurren über eine glatte Autobahn in europäischem Standard durch waldiges Hügelland. 35 km später kommen wir in die erste größere Stadt, Alexandroupoli am Mittelmeer, wo wir uns umschauen, Euros besorgen und mal vorsichtig in einem Hotel nach dem Zimmerpreis fragen. Wäre nett, hier abends herumzulaufen... aber 55 Euro sind eindeutig in unserem Etat zur Zeit nicht vorgesehen, wenn uns auch der Hotelier das Zimmer in gutem Deutsch schmackhaft machen möchte und uns sogar 5 Euro Discount geben will. Wir begnügen uns stattdessen mit dem örtlichen Campingplatz, der immerhin auch noch über 20 Eulen kostet. Dafür haben wir aber gute Gesellschaft: eine größere Horde von grauhaarigen "Aussies" auf Dnjepr-Gespannen belagert den Platz. Nach guter australischer Art kommen sie alle nach und nach zum Klönschnack vorbei und dabei erfahren wir im aussie-typischen breiten Englisch, das uns im vergangenen Jahr so vertraut geworden ist, dass sie sich die Bikes in der Ukraine gekauft haben und sie in ein paar Wochen, nach einer Runde durch den Balkan, nach Hause verschiffen wollen. Ursprünglich wollten sie bis Israel fahren, aber da im Moment in Syrien zuviel Blei in der Luft liegt, haben sie umdisponiert und fahren stattdessen zur Verschiffung nach Genua. Die Gespanne machen viel Ärger, erfahren wir. Es vergeht kein Tag ohne Panne bei einem der Bikes. Nur die stoische Gelassenheit der Australier hilft ihnen, dabei die gute Laune zu behalten, vermute ich. Als unser Zelt steht und eingeräumt ist, spaziere ich an den nahen Strand. Das Mittelmeer hat hier erstaunlicherweise schon eine recht brauchbare Badetemperatur, geschätzte 23 Grad, die ich sofort ausnutze. In Istanbul war das Marmara-Meer sicher zehn Grad kälter, komisch... Apropos Istanbul: im Internet erfahren wir abends, dass irgendwann in den letzten Stunden in der westlichen Türkei die Erde gebebt hat! Und zwar recht heftig, auch in Istanbul, wo wir sicher heute noch geblieben wären, wenn nicht Aysun ihre Tour geplant hätte!! Schon wieder sind wir gerade einem Erdbeben entkommen...
Sonnabend, 21.05. auf dem Weg nach Thessaloniki
Der erste Weg führte uns heute Mittag zu Lidl, Schwarzbrot kaufen. Die Gleichschaltung der Supermärkte killt alle Diversität, aber hat auch ihre Vorteile... Auf dem Parkplatz sprach Thomas mit einem jungen Griechen, der in Stuttgart lebt und arbeitet und hier bei seiner Familie die Ferien verbringt. Sie sprachen über die griechische Schuldenkrise. Der Grieche klagte über die korrupte Vetternwirtschaft in seinem Heimatland, wo man ohne Schmiergelder und/oder Beziehungen beruflich zu nichts käme. Alle Aufträge würden an Insider vergeben, sagt er. Und er erzählte von kleinen und größeren Schwindeleien, die passieren, um an europäische Fördergelder heranzukommen. Z.B. würden alle Viehherden der Nachbarn zusammengetrieben, um eine größere Menge an Tieren vorzutäuschen, wenn der Prüfer auf einen Hof käme... Er sei sehr unzufrieden mit den Zuständen, sagte er. Aber er hätte hier keine Chance und bliebe darum lieber in Deutschland... Nun versuchten wir, unter Vermeidung der Autobahn der Küste zu folgen, was nicht ganz einfach war, weil die vielen kleinen Sträßchen, die sich durch Olivenhaine und kleine Dörfer schlängeln, nur rudimentär ausgeschildert sind. Und wenn, dann natürlich in griechischer Schrift... Dadurch kamen wir zwar nur langsam voran, aber fuhren durch wildschöne, karge Küstenberge mit Blick aufs blaue Meer, begegneten vielen kleinen Schaf-und Ziegenherden mit sonnengegerbten Hirten und rollten durch verträumte Mittelmeerorte, wo alte Männer in Cafés saßen und Katzensich entspannt in der Sonne räkelten. Bilderbuch-Griechenland mit Wiesen, die von blühendem Mohn leuchteten und kleinen bunt gestrichenen Miniaturkirchen am Straßenrand, die an thailändische Geisterhäuschen erinnerten. Wir verfuhren uns immer mal wieder, aber behielten die Generalrichtung Westen bei. Unser nächstes Ziel ist ein kleiner Ort auf der Peleponnes-Halbinsel, wo wir Thomas´ Vater besuchen wollen, der dort den Frühsommer verbringt. Dafür müssen wir etwa 1000 km Richtung Süden fahren, mehr, als wir dachten... Beim Auftanken vertippte ich mich offenbar dreimal beim Eingeben der PIN und sperrte damit meine Kreditkarte, zu dumm! Wie gut, dass wir nicht nur eine haben... Das Benzin ist hier zwar nicht ganz so teuer, wie in der Türkei, aber viel fehlt nicht: ein Liter für 1.68 Euro ist immer noch ganz schön happig (ja, wir haben´s schon gehört, in Deutschland ist der Sprit auch nicht mehr viel billiger!) Richtung Feierabend landeten wir unabsichtlich am A.... der Welt, wo die Straße nicht mehr weiterging. Thomas fragte einen Polizisten, der gerade des Weges kam und der winkte uns, wir sollten seinem Auto folgen. Er führte uns über eine ziemlich holperige Piste durch die Wiesen bis auf einen Damm, der, wie er uns per Zeichensprache deutete, am Fluss entlanglief. Auf der kleinen Piste auf diesem Damm sollten wir die nächsten 20 km bleiben, dann kämen wir wieder an eine richtige Straße. Was er wohl verstanden hatte, wonach wir suchten? Naja, wie dem auch sei, wir fanden ein Stück weiter in der Nähe hoher Pappeln einen gemütlichen Zeltplatz, wo zwischen anderen Kräutern viele kleine Hanfpflanzen standen, deren feingliedrige Blatthände sich im leichten Wind bewegten. Nanu? Bei genauerer Untersuchung handelte es sich um offenbar wildwachsenden Hanf ohne „Rauschgefahr“. Während wir das Zelt aufbauten, rief in der Nähe ein Kuckuck, ein paar Hunde heulten in der Ferne ...
Sonntag, 22.05. Leptokaria
Morgens wurden wir vom frühlingshaften Vogelkonzert wieder geweckt, die Sonne schien, der Tag lockte. Schon um halb zehn saßen wir gut motiviert im Sattel und folgten der steinigen Piste über den Damm. Im Gewirr der schmalen Feldwege verirrten wir uns erstmal, sahen dann in einiger Entfernung die Autobahn. Leider gab es keine Auffahrt in der Nähe... Stattdessen fanden wir eine Landstraße Richtung Kabala, auch gut. Kabala ist eine galerieartig die Berge hinaufgebaute Küstenstadt mittlerer Größe. Von fast überall hat man Meerblick... Bei der Weiterfahrt gerieten wir unabsichtlich auf die Autobahn nach Thessaloniki, aber da dort kaum Verkehr und die Landschaft drumherum schön war, wir fuhren durch ein weites Tal zwischen zwei Mittelgebirgszügen, blieben wir drauf und erreichten die große Stadt in zwei Stunden. Im Bogen wurden wir auf der Bahn um die Stadt herum und Richtung Katerini geführt. Kurze Sitzfleischerholungspause am Straßenrand... und weiter. Plötzlich tauchten im wolkigen Dunst am Horizont hohe Schneeberge auf! Wir kamen zur Wohnstatt der alten griechischen Götter: dem Olymp! Gewaltig ragen die massigen Berge aus dem Flachland - kann man sich schon vorstellen, dass die Menschen sich die Götter dort oben hin dachten... Bald hinter Katerini bogen wir von der Autobahn ab und machten uns selbst an den Aufstieg in den Olymp. Auf einer sehr guten Serpentinenstraße mit Dutzenden von Haarnadelkurven schraubten wir uns von Meereshöhe bis auf 1000 m hinauf. Oben ein kleiner Parkplatz mit fantastischem Ausblick über die laubwaldigen Berge hinab zur Küste. Einige Kilometer weiter bogen wir vom Teer in einen schmalen Weg ab, an dem wir, schön versteckt, aber trotzdem mit Weitblick, unser Zelt aufbauten. Über uns grunzte es am Hang: dort ging eine Schweinefamilie spazieren. Sie schauten kurz nach uns, befanden uns für harmlos und gingen weiter ihren Beschäftigungen nach. Tief unter uns sahen wir ein altes Gemäuer. Thomas stieg den Berg hinab und fand heraus, dass es sich um ein noch in Funktion befindliches Kloster handelt. Sehr schön aus Feldsteinen gebaut und mit Morgen- und Abendsonne. Er wollte es am liebsten sofort kaufen... Nach dem Abendbrot saßen wir noch draußen am Hang, schauten hinab zur Küste, lauschten den Abendvögeln und sogen den Geruch von wildem Thymian und Pfefferminze ein, der aus dem grünen Teppich zu unseren Füßen stieg. Lilafarbene Glockenblumen nickten im leichen Wind, Walderdbeeren blühten ringsherum, ein Marienkäfer kletterte auf Thomas´ Lederhose bergauf.
Montag, 23.05. Levadia
Bis wir auf anderem Weg die Haupstraße nach Larissa erreichten, hatten wir zwei Stunden Spaß in den Bergen auf kleinen kurvigen Teerstrecken, manchmal von Steinschlägen sehr löcherig geworden, aber dafür fast ohne Verkehr. Erst ging es durch Kiefernwald, dann hinab in ein Hochtal. Ein von der Zeit vergessenes Dorf, in dem scheinbar nur alte Leute wohnen. Im Kirchlein bimmelt eine Glocke, Hühner scharren im Straßenstaub, drei alte Männer sitzen auf der Plaza (wie heißt Plaza eigentlich auf Griechisch?) im Schatten. Schmale Gassen, die Häuser sehen alle etwas baufälllig aus und wurden lange nicht mehr geweißt. Nun geht es auf den nächsten Bergrücken hinauf, eine Kuhherde kreuzt gemächlich die Straße, wir warten und genießen den Ausblick auf die Serpentinen, die wir kurz darauf hinunter swingen. Nach dem nächsten Dorf geht es auf Schotter weiter, durch kleinere Hügel - sind wir noch richtig? Die Beschilderung gibt uns öfter Rätsel auf, denn nur an den großen Hauptstraßen stehen die Ortsnamen auch in lateinischer Schrift. Und obwohl wir eine zweisprachige Landkarte gekauft haben, sind die Bezeichnungen schwer zu entziffern, denn auch im Griechischen sind die Worte unterschiedlich geschrieben... Diesmal sind wir richtig und freuen uns über die Fahrt durch die Olivenhaine. Der Weg wird gesäumt von goldgelb blühendem Ginster, der die warme Luft mit seinem honigsüßen Duft erfüllt. Plötzlich ein gróßes Gekrabbel auf dem Weg: Heerscharen von Heuschrecken laufen über den Weg! Zu spät fliegen sie auf, etliche bleiben überfahren liegen. Durch die Hintertür kommen wir in den nächsten Bauernort gefahren, ab hier sind wir wieder auf Teer und haben bald die Stadt Larissa erreicht. Tanken, einkaufen, weiter. Der Straßenverkehr in diesem Land ist anstrengend: es wird sehr schnell gefahren, ständig trotz Gegenverkehr überholt, sehr knapp eingeschert und wenn wir nicht ganz rechts ran fahren, um die nervösen Leute vorbeizulassen, werden wir oft böse angehupt. Unangenehm! In der Türkei fahren auch alle Freistil, aber dort geht es trotzdem gemächlich zu und vor allem denkt man mit und gibt sich gegenseitig Raum. Hier ist jeder nur für sich allein unterwegs... Nach Larissa kommen wir durch Farsala, dann Lamia, eine größere Stadt, und weiter Richtung Levadia. Die Landschaft ist großartig, wechselt zwischen hohen Bergen, mit und ohne Sahnehäubchen, und flachen Gegenden mit viel Ackerbau. Wenn gerade niemand versucht, uns durch gewagte Überholmanöver umzubringen, macht das Fahren großen Spaß, denn die Landstraße führt immer wieder auf langen Serpentinenstrecken über die Berge hinweg und wir genießen sowohl die Kurvenfahrten als auch die Blicke aus der Vogelperspektive auf das Land, die sich uns hier bieten. Als wir uns abends an einem kleinen Fluss unter einen Baum pflanzen, haben wir 280 km auf der Uhr. Genug für heute. Auf dem Feldweg blühende Kamille, es riecht nach Kindertagen und Versorgtsein. Wir hatten zuhause eine spezielle Tasse mit Kräuterdekor, in der der Tee aufgebrüht wurde, mit keramischen Einhängesieb und Deckel... Die fällt mir jetzt ein.
Dienstag, 24.05. Drepano
Morgens tröpfelt es ein wenig, dann klart es wieder auf. Rund um unser Zelt, wo das Laub kürzlich abgemähter Distelfelder vor sich hin trocknet, fliegen viele Hornissen, offenbar auf der Suche nach Nistmaterial. Sie interessieren sich nicht für uns, so lange wir uns ruhig bewegen. Bald sind wir wieder auf der Straße und folgen weiter den Landstraßen Richtung Süden. In Mandra haben wir die Nase voll von der Landstraße und wechseln lieber auf die Autobahn nach Korinth: hier haben die Raser zwei Spuren mehr zur Verfügung, um sich auszutoben und wir haben auf der rechten Spur unsere Ruhe. Da zahlen wir lieber die Maut. Hinter Korinth biegen wir bald ab Richtung Nafplio, der ersten Hauptstadt Griechenlands zu grauer Vorzeit, und haben bald den kleinen Ferienort Drepano erreicht. In der ersten Reihe am blaugrünen, klaren Mittelmeer finden wir bald das gesuchte kleine Holzhaus, wo Thomas´ Vater und seine Lebensgefährtin uns in Empfang nehmen. Hier können wir im Schatten hoher Kiefern zelten, wir bekommen Kaffee und Kekse und strecken die Füße von uns.
Mittwoch, 25.05. Drepano
Gemeinsam fahren wir nach Nafplio, nur 10 km entfernt. Die kleine Stadt strotzt vor Geschichte, wie eigentlich die ganze Peleponnes- Halbinsel. Hoch über der Stadt trohnen zwei alte Burgruinen auf den kahlen Hügeln, die zu verschiedenen Zeiten die Hafeneinfahrt bewacht haben. Zwischen Nafplio und Kreta sowie Ägypten herrschte ein reger Handelsverkehr, der hier von hoher Warte bewacht wurde. Im Hafenbecken eine weitere kleine Burg auf einer Felseninsel, sehr fotogen in der Bucht gelegen. Das Städtchen selbst ist in den letzten Jahrzehnten sehr angewachsen, nicht alle Gebäude können als Verschönerung der Gegend angesehen werden, doch in den schmalen Gassen der Altstadt kann man noch eine Vorstellung davon bekommen, wie es früher hier ausgesehen hat. Im Nachbarort Argos finden wir einen Motorradhändler, der sich in der Lage sieht, uns Reifen zu besorgen, die wir in zwei Tagen abholen können. Gut, abgehakt. Auf dem Rückweg fahren wir mit dem großen Wohnmobil in Nafplio den Berg hinauf zu einem noch aktiven Nonnenkloster. Sehr malerisch und gut gepflegt schmiegen sich die, zum Teil weißgetünchten, Feldsteingemäuer an den Hügel, hohe schlanke Zypressen und blühende Rosen vollenden das Bild. Hier gibt es eine Quelle, aus der sich viele Menschen ihr Trinkwasser holen. Aus dem Quellbecken fließt das Wasser in einen viereckigen, gemauerten Goldfischteich im Halbschatten eines Paternosterbusches. Die Kerne der ungenießbaren Früchte werden als Perlen für Rosenkränze verwendet. Die Sonne scheint warm auf diesen Ort der Stille hoch über dem wuseligen Treiben der Welt. Ein Impuls sagt mir, es wäre schön, hier zu bleiben.. Verschwitzt kommen wir zurück nach Drepano, das Meer lockt zum Baden. Sehr praktisch, so direkt am Strand zu wohnen! Das Wasser ist frisch, aber nicht zu kalt, ich schwimme mit den kleinen Fischchen. Wärme mich danach im sonnengeheizten Kies des Strandes wieder auf, schnurr!
Donnerstag, 26.05. Drepano
Heute wollten wir uns eigentlich auf eigene Faust etwas umschauen und ein paar „alte Steine“ bewundern, aber der Wettergott war uns nicht wohlgesonnen und schickte mehrere heftige Gewitter mit Regen nach Drepano. Wir fügten uns und verbrachten den kühlfeuchten Tag stattdessen mit Lesen und anderen ruhigen Tätigkeiten. Um unser Zelt herum kriechen Hunderte von Weinbergschnecken herum. Wir versuchen, sie nicht zu zertreten.
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