Mittelamerika Reiseberichte


Mexiko
 
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Do.15.01.09 über dem Atlantik
So allmählich komme ich zu mir. Wir befinden uns bei einer Geschwindigkeit von 848km/h in 10km Höhe über dem Atlantik, streifen gerade die Südspitze Grönlands und haben noch 3,5 h Flugzeit bis New York vor uns. Die Sonne scheint, ab und zu ein paar Schlaglöcher in der Luft schütteln uns ein bisschen durch.
Nach sieben turbulenten Wochen in Deutschland fuhr mich die liebe Tanja (noch mal ein herzliches Dankeschön dafür!) gestern abend nach Hamburg, wo ich eine letzte kurze Nacht bei Ra und Gerben verbringen durfte. Die beiden haben wir in Argentinien kennengelernt, wo sie für einige Monate auch mit ihren Motorrädern gereist sind. Dementsprechend verbrachten wir den Abend mit Reisegeschichten - gut für mich, um mich wieder auf das Reisen einzustimmen. Dann, als um halb vier der Wecker klingelte, fuhr Gerben mich mit einem Statt-Auto zum Flughafen. Den Weg hätte ich sonst mit meinem über 20kg schweren Koffer mit Bus und S-Bahn zurücklegen müssen. War schon sehr viel angenehmer so: danke, Gerben (und herzlich willkommen in unserer Newslettergemeinde ? )!!
Das Verabschieden von meiner Familie fiel mir gestern sehr schwer, viel schwerer als im September 2007, als wir unsere Reise begannen.
Mein „Heimaturlaub“ war einfach leider kein Urlaub, sondern mit abzuarbeitenden Listen an Einkäufen für die weitere Reise und anderen Erledigungen viel zu vollgestopft. So rannen mir die Wochen durch die Finger, ich hetzte zu viel durch die Gegend , konnte nur schlecht schlafen und war am Ende total ausgepowert.
Was nicht heissen soll, dass es nicht auch eine sehr schöne und intensive Zeit gewesen sei!
Zwischendurch habe ich meine to-do-Listen einfach auch beiseite gelegt und mir Zeiten stibitzt, in denen ich nur mit meinen Kindern, Eltern oder anderen Freunden zusammen sein konnte. Das war dann richtig schön, nur zu kurz. Und dabei dachte ich, sieben Wochen wären soo viel Zeit..
Nun geht es also weiter. Thomas wartet in Valladolid und freut sich darauf, dass wir bald endlich wieder auf den Motorrädern sitzen und durch schöne Landschaften fahren.
Ich fange morgen an, mich zu freuen, heute hänge ich noch dem Abschied nach..
Also erstmal nur so viel: wir sind wieder da und melden uns in der nächsten Zeit wieder regelmäßig mit unseren Reiseberichten bei euch zuhause.

16.01.09 Valladolid
Nach achtstündigem ruhigen Flug landete der Airbus 340 auf dem großen Flughafen JFK in New York., beim Einschwenken über das amerikanische Festland sah ich tief unter mir wunderschöne leicht verschneite Berglandschaften am St. Lorenz-Strom. Da ich keinen Fensterplatz hatte, konnte ich leider nur kleine Blicke an der etwas verkrampft wirkenden jungen Frau neben mir vorbei erhaschen.
Die planmäßigen drei Stunden Aufenthalt in NY kamen mir recht lang vor, bis ich mich in der Einreiseschlange hinter über hundert anderen Reisenden wiederfand. Nur langsam bewegte sich die Menschenmasse vorwärts. Als ich an die Reihe kam, um meine Fingerabdrücke und meinen Augenscann für die amerikanische Anti-Terror-Datenbank abzugeben, war meine Wartezeit schon auf nur noch eine Stunde geschrumpft. Als nächstes holte ich mein Gepäck vom Laufband, um es, wie schon auf dem Hinflug, durch den Zoll zu schleusen. Glücklicherweise verzichtete man auf die Durchsuchung meiner tausend Kleinteile, die ich in Deutschland für den Unterwegs-Bedarf eingekauft hatte und ich konnte den schweren Alukoffer gleich wieder abgeben, aufdass er in den nächsten Flieger nach Cancún transportiert werde… Bei einer Inspektion wäre ich wahrscheinlich in argen Erklärungsnotstand geraten ob der vielen elektronischen Bauteile und undefinierbaren Flüssigkeiten in unbezeichneten Plastikfläschchen in meinem Koffer. Dazu noch die Tatsache, dass ich zwei Reisepässe mitführe, hätte wohl zu großer Verwirrung geführt..
Ein freundlicher schwarzhäutiger Flughafenhelfer wies mir den Weg zu meinem Abflugterminal, drückte mir noch ein älteres japanisches Ehepaar, der englischen Sprache nicht mächtig, in die Hand: sie sollten zum gleichen Terminal, ich nahm sie unter meine Fittiche. Mit dem „Airtrain“ genannten Flughafenzug waren wir schnell an Ort und Stelle. Für die weitere Orientierung konnte ich ihnen nicht helfen, aber sie sprachen einen anderen Japaner an, der sie weiter vermittelte. Als Nächstes musste ich mich um meine Bordkarte für den letzten Reiseabschnitt kümmern - wieder stand ich, allmählich etwas nervös, in einer Schlange am Check-in-Schalter und dann noch mal mit der Bordkarte in der Hand vor dem Security-check, wo das Handgepäck und die Kleidung untersucht werden. Weit und breit war keine Uhr zu sehen, doch wurde ich den Verdacht nicht los, dass die Zeit bis zum Abflug meiner Maschine schon sehr fortgeschritten sei.
Hier ging es zum Glück recht flott vorwärts und ich hatte mich auf den letzten Metern der Warteschlange schon halb entblättert, um Zeit zu sparen. Kaum hatte ich nach der Kontrolle meine Schuhe notdürftig zugebunden, hörte ich aus dem Lautsprecher den letzten Aufruf zum Boarding meines Fliegers und rannte im Schweinsgalopp mit rutschender Hose (man muss bei der Kontrolle auch seinen Gürtel abnehmen und durch das Durchleuchtungsgerät schicken) zum wartenden Flugpersonal am Gate 1. Ausser Atem ließ ich mich zwischen zwei älteren Herren auf den schmalen Economysitz fallen, kurze Zeit später rollten wir zur Startbahn und hoben ab nach Mexiko. Wegen starkem Gegenwind kamen wir mit einer halben Stunde Verspätung in Cancún an. Nach der unkomplizierten mexikanischen Einreiseprozedur warteten alle Fluggäste am Gepäckband auf ihre Koffer, meine kamen nicht. Das Band leerte sich, die Halle ebenfalls, ich stand ratlos am Band, auf dem immer wieder dieselben, mir fremden, Gepäckstunde kreisten. Tat das jetzt noch not? Ich wendete mich irgendwann an einen Mann vom Flughafenpersonal, der routinemäßig meine Meldung aufnahmen. Mit einem entsprechenden Zettel in der Hand, demzufolge mir das verspätete Gepäck am nächsten Tag nach Valladolid gebracht werden sollte, verließ ich eiligen Schrittes das Gebäude, um den wartenden Thomas zu erlösen. Es waren inzwischen schon eineinhalb Stunden seit der planmäßigen Ankunft vergangen und ich sah ihn vor meinem inneren Auge Fingernägel knabbernd und ratlos vor der Türe stehen.
Als ich erwartungsvoll aus der Halle kam und in die laue Abendluft auf den Vorplatz trat, war ausser einer größeren Menge von Taxifahrern, die auf Kundschaft lauerten, niemand dort, der auf mich wartete. Mein suchendes Auge wurde immer unruhiger, doch kein Thomas weit und breit. Nach inzwischen ca 30 Stunden mit nur ein paar halben Stündchen Schlaf und nach der Aktion mit dem fehlenden Gepäck hatte ich nun für heute keine Lust mehr auf Abenteuer. Ich stellte mich, vorübergehend ratlos, an die Seite und überlegte, was zu tun sei, wenn wir uns hier nicht finden sollten. Die Angebote der vielen Taxifahrer, mich zum anderen Terminal rüberzufahren, um nach Thomas zu suchen (für „nur“ 5 Dollar auf ca 800m Strecke…) schlug ich vorläufig aus. Nach einer Viertelstunde, die mir wie eine Ewigkeit erschien, sah ich Thomas von weitem angelaufen kommen: er hatte am anderen Terminal lange auf den Flughafenkollektivbus gewartet, nicht wissend, dass die Entfernung zum anderen Terminal leicht zu Fuß zu bewältigen wäre und war dann doch losgelaufen, um mich abzuholen. Mir fiel ein großer Stein vom Herzen und wir nahmen uns nach sieben Wochen, in denen wir "nur" über Internettelefonie kommuniziert hatten, endlich wieder in die Arme. Nach 14 Monaten Reisezeit, in denen wir fast rund um die Uhr zusammen gewesen waren, war die lange Trennung sehr gewöhnungsbedürftig.
So weit, so gut, nun mussten wir nur noch einen Bus zum zentralen Busterminal finden. Entgegen der aus den eigenen Geschäftsinteressen der Taxifahrer geborenen Aussage, es führe um diese Uhrzeit kein Bus mehr in die Stadt, gab es diese Möglichkeit doch und wir erreichten unseren vorgebuchten Bus nach Valladolid ohne weitere Probleme.
Es war inzwischen elf Uhr abends nach mexikanischer Ortszeit. Drei Stunden saßen wir nun noch im zugig herunterklimatisierten 2.Klasse-Bus und holperten die Landstraße entlang. Ich schlief mich dort in mein 50.Lebensjahr hinein und wachte zwischendurch nur einige Male auf, weil mir vom häufigen Abbremsen für die hier so beliebten Geschwindigkeitsbegrenzer schlecht wurde. Gegen zwei Uhr nachts erreichten wir Valladolid. Der Busfahrer ließ uns relativ verkehrsgünstig aussteigen und wir spazierten, „glücklicherweise“ ohne schweres Gepäck, den 15-minütigen Weg durch die schlafende Stadt zu unserem Häuschen, wo mich der Anblick unserer beiden halb auseinandergebauten Motorräder begrüßte.
Dieser Marathontag endete wenige Minuten später in traumlosem Erschöpfungsschlaf.
Bis zum nächsten Morgen um neun Uhr verschwand diese erstaunliche Welt, in der man mit stählernen Röhren innerhalb eines Tages in sonst fast unerreichbare Entfernungen katapultiert werden kann, vorübergehend aus meinem Bewusstsein.
Als wir wieder erwachten, war ich mit meinem Hiersein noch nicht ganz wieder vertraut, aber konnte mich nach einem von Thomas zubereiteten Geburtstagsfrühstück allmählich besser zurechtfinden. Jetzt erst hatten wir die Muße, uns gegenseitig die Geschichten der letzten Zeit zu erzählen. Leider fehlt auch hier heute mal der strahlende Sonnenschein… Was heute anliegt, ist die Nachforschung bezüglich des ausständigen Gepäckes, eine geburtstägliche Skypesitzung mit der lieben Familie und eine ebenso geburtstägliche Einladung zum Essen, die mir Thomas „angedroht“ hat.
Schauen wir mal, wie lange meine zu Fuß gehende Seele braucht, um ganz wieder hier anzukommen…
Bei Einbruch der Dunkelheit spazieren wir also los, ein passendes Restaurant zu suchen und landen in relativ ansprechendem Ambiente im offenen Restaurant neben dem Cenote Zaci. Die routinemäßige Frage nach vegetarischem Essen für Thomas wird bejaht, ich bestelle mir ein typisch yucatekisches Gericht, Poc Chuc. das aus holzkohlengegrilltem Schweinefleisch mit braunem Bohnenmus, Reis und einer pikanten Tomatensauce besteht. Eine gute, reichliche Mahlzeit für umgerechnet 3 Euro, die durch ein leckeres mexikanisches Bier abgerundet wird. Leider sind wir schon bald, es ist noch nicht einmal 20 Uhr, die letzten Gäste und das Personal wartet ganz offensichtlich darauf, dass wir gehen. Man reisst uns förmlich jedes nicht mehr benötigte Stück Geschirr aus den Händen, bringt unaufgefordert die Rechnung an unseren Tisch. Also stürze ich mein Bier viel schneller hinunter, als mir lieb ist und wir entlassen die arbeitende Bevölkerung in den Feierabend.

17.01.09 Valladolid
Kein Jetlag diesmal: ich konnte nach dem Geburtstagsessen und einem heimischen Kinoabend (in unserem neuen Laptop habe ich einige schöne Filme mitgebracht) eine ganz normale Nachtruhe geniessen und wachte morgens ausgeruht auf. Die typischen Geräusche der Stadt, wie die quäkende Erkennungsmelodie des täglich durch das Viertel kreisenden Gasflaschenwagens, rhythmisches Händeklatschen des Eisverkäufers, der auf einem alten dreirädrigen Fahrrad seine Runden zieht und sich auch bemerkbar machen will und plärrende Radios ließen mich schnell erinnern, wo ich bin. Und nun vertrödeln wir den Tag, die Sonne scheint herrlich warm - ein Hochgenuss für mich nach dem trüben deutschen Schmuddelwettter.
Das Gepäck ist noch nicht hier, aber, wie es aussieht, soll es wohl heute abend zu uns gebracht werden. In Cancún wurde es schon gesichtet, teilte man unserem hilfsbereiten Nachbarn, der inzwischen schon dreimal am Flughafen angerufen hat, am Telefon mit.
Ab morgen haben wir dann wieder mehr zu tun, denn im Koffer befinden sich u.a. einige Motorradersatzteile etc, die noch verbaut werden sollen. Hoffen wir also darauf, dass der Transport des Gepäckes hierher nun problemlos vonstatten geht.
Thomas kennt sich inzwischen ziemlich gut aus in Valladolid und zeigt mir auf ausgedehnten Spaziergängen wichtige Infrastrukturen, wie z.B. einen großen Supermarkt, wo er sich in meiner Abwesenheit mit lebenswichtigen Dingen, wie Erdnusscreme, versorgen konnte.
Bei der Kommunikation mit den Menschen hier stelle ich beruhigt fest, dass ich in sieben Wochen Deutschland mein Spanisch nicht verlernt habe.
Abends warten wir bis 23 Uhr vergeblich auf mein Gepäck…

18.01.09 Valladolid
Es geht nicht vorwärts ohne meinen Koffer. Wir mögen das Haus nicht verlassen, um die Anlieferung nicht zu verpassen, die aber wahrscheinlich heute, am Sonntag, sowieso nicht stattfinden wird. Die lateinamerikanische „mañana“-Problembewältigung hat uns wieder einmal voll im Griff.
Don Emilio telefoniert gutmütig ein weiteres Mal mit Cancún: ja, gestern sei der Fahrer so spät gekommen und sei dann nicht mehr nach Valladolid gefahren. Heute führe er aber ganz bestimmt...
Wir lesen, schreiben, lauschen so nervös wie vergeblich durch die offene Tür auf die Straße hinaus. Um Mitternacht geben wir auf und gehen schlafen, im Kopf abenteuerliche Theorien über den Verbleib des Gepäckes.

19.01.09 Valladolid
Nach dem Frühstück radelt Thomas zur Plaza, um seinen neuen Freund von der Touristenpolizei, der ihn mal auf seinen Nachmittagsausflügen angesprochen hat, zu suchen. Von ihm erhoffen wir uns Hilfe bei der Heranschaffung unserer Dinge. Guten Mutes kommt er zurück: Das Gepäck wurde tatsächlich gestern abend nach Valladolid gefahren, wo jedoch der Fahrer die Adresse nicht fand und unverrichteter Dinge die 180km nach Cancún zurückfuhr. Wenn selbst wir Gringos uns hier zurechtfinden, wieso kann sich ein mexikanischer Fahrer nicht bis zu uns durchfragen? Die Adresse steht erwiesenermaßen korrekt auf dem Nachforschungszettel…
Um es etwas einfacher zu gestalten, soll das Gepäck bei einem zweiten Anlauf heute direkt bei der Municipalidad, der Gemeindeverwaltung, abgegeben werden. Um 17Uhr dürfen wir es dort abholen (und dann die 20kg schwere Kiste nach Hause schleppen). Na, hoffen wir, dass es nun klappt.
Ein weiteres Problem hilft uns heute, uns nicht zu langweilen: seit morgens haben wir keinen Strom im Haus. Die Nachbarn haben Strom, das spricht dafür, dass man uns den Hahn abgedreht hat. Anfang Januar hatte Thomas dieses Problem schon einmal - unsere liebe Vermieterin, Doña Guadalupe, hatte ihre Rechnung nicht bezahlt. Bis der Strom wieder eingeschaltet wurde, waren drei Tage vergangen, in denen das Essen im warmen Kühlschrank vergammelte.
Scheinbar war es Lupe aber nicht möglich gewesen, die Rechnung zu bezahlen, denn, wie man uns auf Anfrage bei der Stromgesellschaft bestätigte, fehlte der damalige Betrag noch immer. Hatte sie wohl nur einen Aufschub erreicht. Allmählich wird uns klar, warum sie uns das Haus vermietet hat und selbst bei ihrer Mutter untergeschlüpft ist.

20.01.09 Valladolid
Der Strom ist wieder da, der Kühlschrank arbeitet und Thomas kann weiter löten etc.
Doña Lupe besuchte uns gestern abend noch kurz in unserem gemütlichen Kerzenschein und brachte die Einzahlquittung vorbei, heute morgen wurden wir wieder freigeschaltet. Nun geht’s richtig an die Arbeit, an den Motorrädern ist noch viel zu tun.
Ein nachmittäglicher Spaziergang zur Plaza, ein abendlicher Film aus meiner Wunderkiste nach dem leckeren, von Thomas zubereiteten Essen - eigentlich haben wir es hier ziemlich gut. Sogar Haustiere haben wir: hinter dem Spülkasten am Klo wohnen einige daumengroße Kakerlaken. Ich gebe zu, dass ich kurzfristig über den Einsatz von Gift nachgedacht hatte, aber dann haben wir ein Arrangement gefunden, mit dem scheinbar alle Beteiligten leben können: sobald ich das Licht anschalte, verschwinden sie hinter dem Spülkasten und verhalten sich ruhig, bis ich den Raum wieder verlasse. Unter diesen Bedingungen dürfen sie weiter dort hausen.



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