Mittelamerika Reiseberichte


Mexiko
 
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Mi, 25.02. kurz vor Juchitan
Der Tag fing früh an, als das Leben an der Pforte zum Nationalpark erwachte. Wie im Zoo kamen wir uns vor, als wir dort frühstückten und zusammenpackten, denn es standen einige Arbeiter herum und schauten uns interessiert zu. Schon vor 10 Uhr waren wir fertig und auf der Straße. Die ersten km nach Tuxtla waren ziemlich nervig, weil die Straße voll war und sich die Autoschlange nur langsam bewegte. Besser wurde es hinter Ocozocautla, wo wir eine Kaffeepause machten und von zwei Mopped fahrenden Männern neugierig interviewt wurden. Danach waren wir wieder fast allein auf der Straße. Kurz hinter der Stadt machten wir einen Abstecher zum “Aguacero”, einem Wasserfall, empfohlen von den beiden Moppedfahrern. Um dort hinzugelangen, fuhren wir drei Kilometer Sandstraße entlang, die letzten 500m davon ziemlich heftiges Geholper bergab zu einem kleinen Parkplatz, wo wir von einem jungen Mann freundlich empfangen wurden. Für eine kleine Eintrittsgebühr zeigte er mir erst einen Mirador, der in eine tiefe Schlucht mit einem kleinen Fluss darin schaut und dann führte er mich zu einer Höhle, durch die das Wasser, dass die Kaskaden speist, unterirdisch heranfließt. Stockdunkel war es dort, in der Tiefe des Berges hörten wir einen Wasserfall im Berginneren rauschen.
Das eigentliche Abenteuer des Ortes kam aber dann erst: über 700 Stufen, sorgfältig an den Berg gebaut, führen hinunter in die Schlucht und zu den Kaskaden. Ich war neugierig darauf, Thomas weniger, so machten wir Arbeitsteilung. Ich ging runter, Thomas wartete bei den Motorrädern.
Da mein Muskelkater aus Calakmul schon vergessen ist, stiefelte ich guten Mutes die vielen Stufen hinunter. Unten angekommen erblickte ich inmitten der trockenen Berge eine wunderbare grüne Landschaft am Fluss, wo ich nur mit ein paar Kühen auskommen musste.
Ein kleiner Pfad führte mich am Fluss entlang zu den rauschenden Wasserfällen, die hoch über mir einfach so aus dem Berg spritzten. An vielen Stellen sprüht dort ein feiner Nebel unter der dünnen Humusschicht des Berges heraus und hat über die Jahrhunderte unter sich eine üppige Pflanzenwelt entstehen lassen. Auf halber Höhe, wo das Wasser auftrifft, haben sich grüne Kalkschirme entwickelt, die mit etwas Fantasie wie große Regenschirme aussehen.
Schließlich sammelt sich das Wasser ein mehreren kleinen Bächen, die sich im sandigen Flussbett vereinen.
Ein verzauberter Ort! Fast hätte ich beim Staunen und Spielen im Wasser die Zeit völlig vergessen, so schön war es!
Doch dann kehrte ich um, denn ich hatte ja noch die vielen Stufen bergauf vor mir. Es waren wirklich sehr viele und ich hatte Kopfweh...
Trotzdem - es hatte sich 100%ig gelohnt!
Den Holperweg wieder zurück und durch die Berge weiter Richtung Küste. Das Kurvenfahren machte viel Spaß, erst durch Berge, dann über eine weite Ebene, die von blaudunstigen Bergen eingekreist war und dann wieder durch die nächsten Berge. Von den letzten Höhen konnten wir in der Ferne schon den Ozean erahnen. Eh wir es uns versahen, hatten wir das Städtchen Tanatatepec hinter uns gelassen und befanden uns auf der vielbefahrenen Küstenstraße. Die Sonne sank, wir schauten uns nach einem Schlafplatz um, doch das war heute etwas schwieriger. Wir wurden immer weiter geschickt, schließlich landeten wir auf einer Tankstelle in einem ziemlich unwirtlichen Ort “La Ventosa” - die Windige. Sie heisst nicht aus Versehen so!!
Diese Gegend scheint das gesamte Windaufkommen des Landes zu verwalten, so stürmte es plötzlich. Patagonien ist überall!
Am Ende eines langen Tages, mit heftigen Kopfschmerzen nun auch noch Seitenwind auf einer vielbefahrenen Straße bei einbrechender Dämmerung . nicht wirklich witzig!
Der Wachmann der Tankstelle wies uns einen Platz zu unter einem kleinen Vordach, wir bauten das Zelt auf , um es gleich wieder abzubauen: der Tankstellenpächter hatte Angst, mit der staatlichen Mineralölfirma Pemex Ärger zu bekommen und konnte es nicht dulden, dass wir auf seinem Gelände zelten.
Inzwischen war es fast dunkel, aber der Wind hatte sich etwas beruhigt. Nach weiteren 10km entdeckte Thomas das Schild eines Motels, wo wir uns ein verspiegeltes Zimmer für die ganze Nacht bis morgens um acht, na gut, halb neun (konnte ich noch raushandeln), anmieteten. Abendbrot, Kopfschmerztablette, Feierabend.

Do.26.02. Zipolite
Pünktlich um 8:29 starteten wir unsere Motoren und fuhren in einen neuen Tag hinein. Der Wind war noch nicht aufgestanden, es war warm und sonnig. In Tehuantepec überfielen wir einen großen Supermarkt und stopften mal wieder jede Lücke im Gepäck mit Lebensmitteln, bevor wir auf die Küstenstraße Richtung Huatulco gingen.
Auch dies ein Deja-vu der letzten Mexiko-Reise. Und auch diese Strecke, die wir damals in einem drittklassigen Bus übermüdet und von der Klimaanlage fröstelnd erduldet hatten, war heute auf dem Motorrad ein sehr schönes Erlebnis. Ziemlich gute Straße, wenig Verkehr, immer rauf und runter durch die Hügel am Meer, zum Teil mit fantastischen Blicken über schöne blaue Buchten.
Und da wir ja so früh unterwegs waren, erreichten wir Huatulco, eine der Haupt-Touristen-Melkstationen Mexikos, schon gegen Mittag. Schon 180km gefahren. Ich zeigte Thomas ein paar Plätze, die für mich mit Erinnerungen verknüpft sind, dann fuhren wir weiter.
Nach Puerto Angel wollten wir, denn dort sollte es friedlich und nur wenig touristisch sein. Von der Küstenstraße fährt man 6km auf einer schmalen kurvigen Straße bergab, bis man den kleinen Fischerort Puerto Angel erreicht. Leider gibt es dort keinen Campingplatz und die Hotels haben, wohl aufgrund ihrer steilen Hanglagen, meist keine Garage. Das einzige Hotel mit sicherem Parkplatz, das wir fanden, lag traumhaft über dem Dorf auf der Spitze eines steilen Hügels, den hinaufzufahren schon ein wahres Abenteuer war. Oben hatten wir einen tollen Ausblick, aber die Zimmer sollten 500 Pesos kosten und das war ganz eindeutig nicht unsere Liga. Man riet uns, lieber nach Zipolite weiterzufahren, nur ein paar Minuten Fahrt entfernt. Das mexikanische Hippie-Mekka von vor zwanzig Jahren. Darüber stand so viel abfälliges (runtergekommen, viel Drogenkriminalität etc) in den Reiseführern, dass wir da eigentlich gar nicht hin wollten. Naja, nun fuhren wir halt doch hin. Erst landeten wir auf einem Trailer-Park, mit Rasen, aber fernab von allem. Was sollen wir hier? Also weiter. Nach einigem Suchen fand sich ein relativ ansprechendes Restaurant mit Zimmervermietung, dort konnten wir bis vor die Zimmertüre fahren und für 150 Pesos übernachten. Nette Leute, grüner Innenhof, saubere, einfache Zimmer, aus Brettern zusammengenagelt. Und nur 2Minuten Weg zum herrlichen breiten Strand, an den die Pazifikwellen donnern.
Wir hören die Brandung bis in die Träume. Und hier konnte ich auch den Fisch essen, der mir schon seit Tagen vor dem inneren Auge schwebte und mir den Mund wässerte. Unsere Gastgeber haben eine ziemlich gute Küche: für fünfeinhalb Euros bekamen wir beide eine riesengroße Platte voll mit gutem Essen und jeder einen großen Pott Ananassaft.

Fr.27.02. Zipolite
An einem Hotel hier hängt ein selbstgemaltes Holzschild, worauf steht: “Where people come to do nothing”. Das trifft den Kern ziemlich gut, denn außer dem Strandleben gibt es hier nichts zu tun und das ist auch gut so! Die Bucht ist wunderschön, für die Aktiven gibt es die Möglichkeit zum Wellenreiten oder Spazierengehen, die anderen hängen am Strand in der Sonne oder unter den Palapas in schattigen Hängematten herum, man zeigt sich gern nackt hier, was ich bisher in Mexiko noch nirgends gesehen habe. Nahtlos Braune und grad erst frisch Verbrannte zeigen den Grad des Eingebürgertseins durch ihre Hautfarbe. Mir scheint, es gibt hier etliche “Hängengebliebene”, was ich gut nachvollziehen kann. Es ist angenehm warm, aber nicht zu heiß und so kann man gut am Strand sitzen, über die fantastischen Wellen gucken und den Pelikanen zuschauen, wie sie mühelos über das Wasser gleiten, immer ein Auge nach unten gerichtet, um sich bei Fischsichtung plötzlich in einen Pfeil zu verwandeln, der blitzschnell herabstößt.
Die Leute wirken sehr entspannt, so viel ist im Moment wohl auch nicht los - good to be here!

Sa.28.02. Zipolite
Wir haben noch einen Tag dran gehängt. Wär doch zu schade, so schnell wieder weg zu fahren. So nach zwei Übernachtungen gehören wir hier fast schon zur Familie, es ist nett und ruhig hier. Ruhig nicht im akustischen Sinne, denn nachts gibt es scheinbar irgendwo ordentlich Party. Abgesehen von dem ununterbrochenen Wellengedonner hört man also auch ziemlich gut, dass in der nicht ganz direkten Nachbarschaft Leute an ihrem Gehörschaden arbeiten. Sollen sie, wir schlafen trotzdem die Nacht durch.

Nachmittags spazieren wir wieder am Strand entlang, diesmal in die andere Richtung, und entdecken ein großes Felsentor, durch das sich hoch auftürmende Wellen pressen. es schäumt und donnert, sehr eindrucksvoll!
Wir stehen mit dem Rücken an einem großen Felsen, der auch längere Zeit nach Sonnenuntergang noch ganz warm ist, und schauen den heute besonders hohen und unberechenbaren Wellen zu, die sich gegenseitig bekämpfen und in die Quere laufen. Manchmal strömt das Wasser fast über den gesamten Strand, wo sonst nur trockener Sand ist. Gewaltige Kraft des Meeres...

So.01.03. Miahuatlan
Früh war ich auf und fand die etwas dickleibige freundliche Jagdhündin der Gastgeberfamilie genauso untätig und unternehmungslustig vor, wie ich mich selbst fühlte. Wir einigten uns auf einen gemeinsamen Strandspaziergang und stromerten los. Erst war sie noch etwas unentschlossen, ob sie mir wohl folgen sollte, aber dann lief sie fröhlich mit mir herum. Das Wasser, das gestern abend sehr hoch an den Strand schlug, war wieder friedlicher und darum traute ich mich doch mal hinein (nach verschiedenen traumatischen Ereignissen mit zu hohen Wellen und zu heftigem Sog bin ich im Laufe der Jahre vorsichtig geworden. Preciosa (die Wertvolle), wie die Hündin heißt, war etwas wasserscheu, aber wartete geduldig, bis ich wieder an Land kam. Als wir zurückkamen, war Thomas aufgestanden und war mit der Frühstücksvorbereitung beschäftigt.
Mittags fuhren wir los Richtung Oaxaca, ca 250km entfernt.. Auf schmaler Straße schlängelten wir uns die Küstenberge hoch, es wurde richtig “urwäldlich”. Auf den ersten 100km ging es immer bergauf und bergab mit ungezählten engen Kurven und gutem Teer. Hinter jeder Kurve wartete das Unbekannte, das wir so lieben (solange es nicht zu extrem ist...).
Von Meereshöhe angefangen erreichten wir nach fast vier Stunden Gekurbel luftige Höhen von bis zu 2800m. Die Luft dort oben war kalt, es wehte ein kräftiger böiger Wind. Ganz oben kamen wir durch ein kleines Städtchen, richtig auf den Bergkamm gepflanzt. Von vielen der kleinen einfachen Häuser kann man in zwei Richtungen über weite bewaldete Berglandschaften schauen. Sehr schön, aber mir zu zugig!
Einige Kilometer führte die Straße ebenfalls auf dem schmalen Bergkamm entlang. Die Böen schubsten uns dort fast von der Fahrbahn. Bald ging es wieder bergab in ein weiter Hochtal auf 1600m, eine völlig andere Vegetationszone! So stellt man sich Mexiko eher vor: trocken, in einiger Entfernung mittelgroße Berge. Esel und Ziegen weiden das karge gelbe Gras ab, große Kakteen und Agaven sind neben wenigen Bäumen die einzigen größeren Pflanzen in der trockenen Gegend, über die ein regenloser blauer Himmel gespannt ist.
Nur der kalte Wind, der auch dort unten wehte, passte nicht ins Bild.
Wir waren satt vom stundenlangen Kurvenfahren und suchten in der gesichtslosen Stadt Miahuatlan eine passende Unterkunft. Nach einigem Herumgesuche fanden wir schließlich ein großes, neues Hotel, das mir gleich zu teuer erschien. Erstaunlicherweise ließ sich der Pförtner um 50 Pesos auf 250 herunterhandeln, da konnten wir nicht widerstehen und fuhren in die bewachte Tiefgarage hinein. Schönes Zimmer, heiße Dusche, ein Spaziergang durchs Städtchen, wo Touristen wohl eher die Ausnahme sind. Jedenfalls wurden wir sehr neugierig und belustigt bestaunt. Der Sonntagsmarkt war eben vorbei, überall wurde geschäftig geräumt und gepackt. Schade, sind wir zu spät gekommen!
Ein kleines Restaurant füllte uns die Mägen und dann hingen wir müde in unserem Zimmer vor dem Fernseher ab. Spät abends fanden wir einen deutschen Film (schwere Kost über typisch deutsche Beziehungsprobleme..) mit spanischer Untertitelung. Wie sowas wohl auf Durchschnittsmexikaner wirkt?

Mo. 02.03. Oaxaca
Wir wollten nicht das ganze Frühstücksequipment ins Zimmer schleppen, so fuhren wir ungefrühstückt los und breiteten unser Plastikdeckchen 20km weiter auf dem trockenen Erdboden aus. Viel schöner, so in freier Natur zu sitzen beim Kaffee! Die Erde hat hier eine interessante orangebraune Farbe, dazu gelbes Gras, einige grüne Bäume und als Bonbon ein violettblühender Jacarandabaum bilden eine schöne Farbkombination. Es ist immer noch recht kühl (für die Gegend sehr untypisch, wie mir der Hotelportier erzählt hatte), aber nicht mehr so windig, insgesamt recht angenehm.
Über die Ebene geht es nun flotter vorwärts, nur noch 100km bis Oaxaca. Der Verkehr nimmt zu, es stinkt nach schlecht verbranntem Benzin. Kaffeepause am Straßenrand in Ocotlan.
Kurze Zeit später spült uns der Großstadtverkehr laut und stinkend über die volle Umgehungsstraße zu dem im Reiseführer empfohlenen Trailerpark, wo wir uns für eine Nacht einmieten. Ein Rotelbus, diese Reisebusse mit Schlafkabinen, denen wir in Südamerika häufiger begegnet sind, steht auf dem Platz, außerdem einige French-Canadians und ein Schweizer Reisetruck, die Inhaber sind allerdings ausgeflogen.
Wir fühlen uns hier nicht wohl, denn es ist städtisch-laut, die Luft ist abgasgeschwängert und wir können zu zweit den Platz nicht verlassen, weil wir die Sicherheitslage nicht einschätzen können. Was, also, sollen wir hier?
Wir beschließen, gleich morgen weiterzufahren. Ich kenne die historische Altstadt schon, Thomas hat für den Moment auch genug mexikanische Altstädte gesehen, sagt er, also weiter. Tut mir leid, dass euch auf diese Art auch Fotos von der wirklich sehr schönen Altstadt Oaxacas entgehen, aber wer mag, kann ja mal bei google-earth nachschauen. Meistens finden sich dort viele Bilder zu den Orten...

Di.03.03. Santiago de Jujupan
Mittags ließen wir uns von der Verkehrslawine wieder aus der Stadt hinaustragen, füllten unsere Tanks an einer der vielen Tankstellen der staatlichen Pemex, die das Kraftstoffmonopol hat (und daher auch einheitliche Preise). Der bessere Sprit, hier Premium genannt und mit 92 Oktan angegeben, kostet ungefähr 50 Eurocent/Liter. Kein Wunder, dass spritsparende Autos in Mexiko so gut wie nicht vorkommen. Die allermeisten Wagen hier verbrauchen ab 20 L aufwärts, schätzen wir. Große Geländewagen mit schlecht eingestellter Zündung werfen den Sprit fast unverbrannt aus dem Auspuff und selbst die meisten LKW fahren hier mit Benzin. Hinter ihnen kann man es nicht lange aushalten, ohne Kopfweh zu bekommen. Zum Glück teilte sich die Straße bald in eine schnelle, zu bezahlende Autobahn und eine kleine kurvige “libre”, für die sich außer uns nur wenige Leute entschieden. Dort war die Luft besser, es roch wieder nach Kiefernwald und trockener Erde. Wir atmeten auf! Bei einer kleinen Pause schlachteten wir die mitgebrachte Kokosnuss und schauten übers Land: der wolkenlose Himmel spannte sich über bewaldete Berge, so weit das Auge reichte, es war warm, aber nicht heiß, es ging uns wieder gut. Später wurde der Wald dünner, die Bäume waren hier meist mit braunem Laub bedeckt und trugen lange Flechtenbärte, sehr mystisch sah das aus! Und dann hörten die Wälder ganz auf, schade.
Dafür hatten die Dörfer nun häufig große, meist baufällige Kirchen oder Klöster mit ganz eigenem Charme auf ihren Dorfbergen stehen, die man über dem kahlen Land schon von Weitem sehen konnte.
Wir stoppten an einem kleinen Straßenrestaurant außerhalb einer kleinen Stadt. Thomas wollte gerne einen Kaffee trinken, ich hatte Hunger und bestellte mir eine Hühnersuppe. Die junge Frau, die hier bediente, tischte nun drei verschiedene Teller mit scharfen Zutaten zum Würzen der Suppe auf, brachte Reis, warme Tortillas und schließlich einen Teller Suppe. Dann schleppte sie noch einen großen Pott Orangensaft mit zwei Gläsern an, als ich fertig war, bekamen wir, ebenfalls beide, noch einen gelben Ananaswackelpudding dazu. Ein komplettes Menü also. Als die Rechnung kam, lautete sie auf 43 Pesos, etwas über 2 Euro! Auf meine frage nach einer Toilette schickte mich die junge Frau eine Treppe hinunter. Dort kam ich ganz offensichtlich durch die familiäre “Wohnung”, die aus einem halbfertigen Raum mit ein paar Sitzmöbeln und einem staubigen Fernseher bestand, außerdem etwas undefinierbarem Gerümpel. Dort sollte ich mich rechts halten, hatte sie gesagt. In der Ecke sah ich eine verbogene Presspapp-“Tür”. Dahinter fand ich tatsächlich eine Toilette, daneben eine Wassertonne zum Nachspülen, an der Wand eine zusammengeklüterte Installation aus verschiedenen kurzen Schläuchen, die offensichtlich eine Art Dusche beschicken soll. Schwer beeindruckt von diesen Wohnverhältnissen kam ich wieder rauf. Das Trinkgeld fiel heute etwas höher aus...
Beim Weiterfahren fühlten wir uns durch die verwitterte Landschaft sehr an Nordargentinien erinnert, auch der zunehmende Wind trug zu dem Eindruck bei.
Unsere Suche nach einem geschützten Übernachtungsplatz wurde durch die fehlenden Bäume sehr erschwert, darum bogen wir an einer kleinen Siedlung von der Straße ab. Oben auf einem Hügel hatte ich so etwas wie eine Schule gesehen, dort wollte ich fragen.
Der Hausmeister auf dem weitläufigen Schulgelände bedauerte sehr, dass der Direktor nicht da sei und er nicht authorisiert sei, uns auf dem Gelände übernachten zu lassen, schickte uns dann aber weiter zum “Municipio”, der Verwaltung des Ortes Santiago de Jujupan.
Wir folgten seiner Wegbeschreibung und kamen zu einer kleinen Plaza mit einer schönen alten Kirche und einem ebenso alten Verwaltungsgebäude mit großem Bogengang davor. Dort stand eine Tür offen und ich fragte einen Mann, der drinnen an seinem Schreibtisch saß, ob er eine Idee hätte, wo wir unser Zelt aufstellen könnten.
Er überlegte kurz und sagte dann, direkt hier in dem Bogengang, also mitten auf der Plaza, könnten wir übernachten. Es sei die ganze Nacht Licht dort und einen Wachmann gäbe es auch. Das war ja mal lustig - wir standen also mit unserem Zelt mitten in der tiefsten mexikanischen Provinz auf der Plaza, für alle Augen sichtbar. Ein wunderschöner Sonnenuntergang machte die alten Gemäuer noch malerischer, ein paar Kids spielten Ball, sonst war wenig los. Wir freuten uns auf eine ruhige Nacht...

Mi.04.03.
...die sich als eine der unruhigsten Nächte überhaupt entpuppte. Was wir abends nicht wussten, war, dass die kleine Straße, die an der Plaza vorbeiführt, nachts von vielen LKW frequentiert wird, die sie als Abkürzung nutzen. Und da neben dem Municipio ein Geschwindigkeitsbegrenzer installiert ist, mussten sie alle in unserer unmittelbaren Nachbarschaft anhalten und wieder losfahren. Was bei den sowieso lauten Benzinertrucks einen Höllenlärm macht und uns immer wieder aufschrecken ließ. Gegen Morgen schien es etwas ruhiger zu werden, bis um sechs Uhr, es war immer noch dunkel, die blecherne Glocke der Kirche geläutet wurde und als besondere Würze dazu in mehreren Salven die hier so beliebten superlauten Böller abgefeuert wurden. Selbst Taube wären allein durch die dabei entstehende Druckwelle aufgewacht! Und wir sind nicht taub! Völlig gerädert schälten wir uns um halb neun endlich aus dem Schlafsack, als für die meisten Mexikaner der Arbeitstag schon halb rum war. Während wir packten, sprachen uns zwei Frauen an, die, wie sich herausstellte, im Gebäude der Municipalidad ein Kulturprojekt aufgezogen haben. Einfach so, ohne offizielle Unterstützung, haben sie beschlossen, es müsse was getan werden für die kulturelle Entwicklung der Menschen hier. Sie zeigten mir ihren Laden, wo sie vor drei jahren über das Vehikel des Süßigkeitenverkaufs eine erste Tür zu den Kids des Ortes öffneten. Als die Kinder die Scheu verloren hatten, fingen sie an, kleine Kulturprojekte mit ihnen zu starten. Inzwischen haben sie es geschafft, ein Theaterprojekt durchzuführen, mit der kostenlosen Unterstützung einiger lokaler Künstler malen, basteln, singen sie mit den Kids. Eine große Fotowand erzählt von den Erfolgen der ersten drei Jahre ihrer “Casa de Cultura”. Da die offiziellen Kräfte dem Ganzen eher misstrauisch gegenüberstehen, können sie nicht mit finanzieller Unterstützung rechnen und sind daher auf Spenden angewiesen.
Die beiden erzählten weiter, dass sie auch gerne an die Erwachsenen der Region herantreten möchten, die aber wesentlich schwerer zu öffen und zu motivieren seien. Ein Gartenprojekt für die Frauen, bestehend aus einer kostenlosen Ausgabe von Saatgut für verschiedene Gemüsesorten und der Unterrichtung in der Aufzucht des Gemüses, versickerte nach einer Saison, weil es den Frauen zu mühsam war. Auch hier gibt es eine Entwicklung weg von den natürlichen Lebensmitteln des lokalen Anbaus hin zu Fertigprodukten, die nicht nur ungesunder sind, sondern natürlich auch teurer.
Ich fand es toll, was diese beiden einfachen Frauen hier in Eigeninitiative auf die Beine stellen. Sie gaben mir zum Abschied ihre handgemalte Visitenkarte mit Mailadresse (artesdetejupan@yahoo.com) und Fotoblog (www.fotolog.com/casadecultura/).
Den Tag über fuhren wir durch die Berge, es war heiß, bis 38 Grad zeigte das Thermometer, blauer Himmel, riesige Kakteen und trockenes Gestrüpp, gute Straße, heiß, trocken, mehr Kakteen, ab und zu ein grüner Baum, heiß, trocken, kurvig. Wir waren so richtig in unserem Element, der Fahrtwind machte die Temperatur angenehm.
Hinter der 597. Kurve, oder so ähnlich, tauchte weit vor uns über dem Dunst der dunkle Kegel des Popocatepetl auf. Weiter östlich sah man, weiter weg, noch eine, schneebedeckte Bergspitze: der Pico de Orizaba. Beide sind weit über 5000m hoch und schwebten hier vor uns am Himmel, fast unwirklich. Die Straße senkte sich wieder zwischen die Hügel, weg waren die Berge.
Nach der schlechten Nacht hatten wir uns fest vorgenommen, heute einen ruhigen Übernachtungsplatz zu finden.
In Acatlan, einem kleinen Städtchen am Weg, versorgten wir uns mit frischem Wasser und unseren aktuellen Mails, dann fuhren wir in den nächstbesten Schotterweg hinein, der zwischen den trockenen Hügeln von der Straße abzweigte. Nach ein paar Kilometern sahen wir eine älteere Frau und ihren erwachsenen Sohn am Wegesrand im Schatten an ihrem Brunnen stehen. Die fragten wir, ob sie uns erlauben würden, auf ihrem Grund zu zelten. Das war überhaupt kein Problem, wir könnten unser Zelt hinstellen, wo wir wollten, aber wir könnten auch noch ein Stückchen weiterfahren, dort sei ein Fluss, an dem wir übernachten könnten.
Gute Idee, wir fuhren weiter und fanden nach einigem Suchen ein schön abgelegenes Plätzchen am flachen Wasser, dem Überbleibsel eines breiten Flusses. Ein freundlicher Bauer, der dort auf seinem Acker arbeitete, bestätigte uns, dass wir dort ruhig zelten könnten und so taten wir`s. Kein Verkehrslärm, sondern quakende Frösche und zirpende Grillen, keine quasselnden Menschen, sondern das leise Plätschern des Wassers, wir atmeten auf, kochten uns ein paar Kartoffeln mit Zwiebel-Maisgemüse und schliefen dann fest die ganze Nacht durch.

Do. 05.03. morgens am Fluss
Spät erwachten wir heute, es war so herrlich ruhig! Als ich aus meinen Träumen, mal wieder bunt und aufregend, auftauchte, hörte ich Tauben gurren. Ich schaute zu, wie sich die Träume allmählich verflüchtigten, wie weiße Wolken in der warmen Sonne. Statt ihrer erstand um mich herum die Welt des Tages, wie ich sie von gestern in Erinnerung hatte. Die Sonne scheint ins Zelt, ich höre leise Menschenstimmen in einiger Entfernung, das Bild unserer Zeltumgebung am Fluss baut sich vor meinem inneren Auge auf. Ach ja, hier sind wir. Ein neuer Tag, und wir dürfen wieder mitspielen! Heute wollen wir bis Cuernavaca fahren, der Stadt, in der mein alter Onkel Walter gelebt hat und den ich vor 30 Jahren (30 Jahren??) zum ersten Mal besucht habe. Nun lebt nur noch seine, inzwischen sehr alte Witwe dort, wir wollen versuchen, ihr einen Besuch abzustatten. Das muss organisiert werden und darum versuche ich per Mail einen Kontakt zu ihrer Tochter aufzubauen, die allerdings im Moment sehr dadurch in Anspruch genommen ist, dass ihr Sohn einen schweren Motorradunfall hatte. Schauen wir mal! Cuernavaca liegt 2 Autostunden südlich von Mexiko-City und wurde bekannt als “Altersheim” reicher Amerikaner (und Mexikaner), da es ein sehr mildes Klima hat. Fast immer scheint die Sonne, doch nachts ist es frisch, man kann es dort schon aushalten! Das Lustige am Reisen ist, dass es immer anders kommt, als man denkt.
Nach zwei Tagen des gemütlichen Fahrens erwischte uns heute auf dem Weg nach Cuernavaca wieder der mobile Wahnsinn auf den immer breiter werdenden Straßen. Während ich noch Ausschau hielt nach dem Popocatepetl, der im dunstigen Himmel mit uns Versteck spielte, wurden die Autos um uns herum immer schneller und rücksichtsloser. Wir mussten sehr aufpassen, um heil auf der Straße zu bleiben. Zum ersten Mal in Mexiko zahlten wir auf den letzten 40km die sehr teure Autobahnmaut. Zweimal leierten sie uns 46P. aus der Tasche! Für 40km! Dafür, dass man uns dort fast über den Haufen fuhr! Naja, wir erreichten Cuernavaca, die Quelle meiner Mexikoleidenschaft, unversehrt und suchten als erstes ein Internetcafe. Keine Antwort von Marlene... Da wir schon in der Nähe des Hauses von Onkel Walter waren, fuhren wir auf Verdacht hin und erfuhren, als dort niemand öffnete, dass Cecilia, die Witwe, nicht mehr dort wohnt. Sie sei vor einiger Zeit verstorben, sagte ein Nachbar, das Haus sei verkauft worden. Verblüfft und etwas ratlos (warum habe ich davon nichts gewusst?) standen wir da und überlegten. Schließlich fuhren wir weiter ins Zentrum der Stadt und suchten das Hostel, das ich als "Plan B" im Internet herausgesucht hatte.
Dort war man sehr nett, bloß gibt es keine Garage und hier ist es nicht unbedingt empfehlenswert, die Motorräder über Nacht auf der Straße zu lassen. Wir überlegten, ob es möglich wäre, die schweren Jungs die steilen Stufen ins Hostel hinein zu transportieren, doch dann hatte Estefania eine gute Idee. Sie wohnt etwa 5 Autominuten von hier entfernt und dort gibt es eine Garage, die sie uns freundlicherweise anbot. Wir nahmen das Angebot an und dann fuhr sie vor uns her durch die Stadt.
Aufgrund einer politischen Demo waren die Straßen total verstopft, darum dauerte das Unternehmen länger als gedacht, doch dann standen die Motorräder sicher und wohlbehütet hinter Schloss und Riegel, während wir im Auto wieder zum Hostel zurückchauffiert wurden. Sehr guter Service! Das Hostel heisst "Experiencia", falls jemand mal hier vorbeikommt... Es werden auch Sprachkurse hier abgehalten, in jeder Ecke des Hauses finden Spanischklassen für Ausländer und Englischklassen für Mexikaner statt. In dem kleinen Garten ist es grün, den Pool werde ich morgen ausprobieren. Ebenfalls morgen werde ich herausfinden, ob es mir hier möglich ist, meine immer noch bestehende Zahnlücke (ihr erinnert euch an meine Zahngeschichte zwischen Chile und Bolivien?) neu bestücken zu lassen. Also, große Dinge werfen ihre Schatten voraus...



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