Mittelamerika Reiseberichte


Mexiko
 
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Sa.28.03. von Cuernavaca bis Valle Victoria
Wegen einer kleinen Magenverstimmung meinerseits verzögerte sich der Aufbruch noch um einen letzten Tag, aber nun sind wir wieder on the road. Der erste Fahrtag brachte uns knapp 150km weiter nach Nordwesten, mitten durch die Stadt Toluca hindurch, wo uns viel Straßenverkehr nervte und weiter Richtung Zitahuaro. Hier im Großraum Mexiko-City ist es ziemlich voll, viele Straßen, viele Autos, wenig Sicherheitsabstand. Darum beeilen wir uns, in leerere Gegenden zu gelangen. Zwei Fahrtage liegen schätzungsweise vor uns, bis wir wieder die Straßen für uns haben. Die Strecke des heutigen Tages war eigentlich schön: durch tiefe Wälder, in denen es durch die Abgase hindurch nach Kiefern roch, stiegen wir von Cuernavaca, das "nur" auf 1600m Höhe liegt, steil in die Berge hinauf, über einen Pass und etwas wieder bergab - Toluca liegt auf 2600m. Entsprechend frisch wurde der Fahrtwind, als wir in die Höhe kamen. Der Wald offnete sich, wir fuhren durch trockenes Hochland, wo der Wind den Staub in großen Windhosen sammelte und durch kleine ärmliche Ortschaften trieb. Straßenschilder waren hier Mangelware, darum mussten wir häufig anhalten und nach dem Weg fragen. Da wir natürlich wieder mal sehr spät aufgebrochen waren und uns lange von Cecilia und Teresa verabschiedet hatten, wurde es schnell Zeit, nach einem Lagerplatz Ausschau zu halten. Die Suche endete ziemlich schnell an einem familiären Restaurant an der Straße mit reichlich Grünflächen und Bäumen drum herum. Dort durften wir zelten und bekamen von der freundlichen Familie ein sehr leckeres Essen zubereitet. Vor dem Haus stand ein mexikanisches Auto mit deutschen Aufklebern, es stellte sich heraus, dass es dem Sohn der Familie gehört, der ziemlich gut Deutsch spricht, weil er, als Gegenbesuch zu einem deutschen Jungen, der hier in der Gegend ein dreiviertel Jahr Zivildienst gemacht hat, zwei Monate in Deutschland verbracht hat. Erstaunlicherweise heißt er Olaf, obwohl er als Sohn zweier mexikanischer Eltern zur Welt kam. Während wir das gute Essen genossen, saß er bei uns am Tisch und erzählte von seinem Deutschlandaufenthalt. Thomas freute sich, dass da endlich mal jemand war, mit dem er sich richtig unterhalten konnte. Olaf ist Ingenieur der Elektromechanik und interessiert sich sehr für erneuerbare Energien, kennt sich mit Photovoltaik und Windkraft aus, weiß, was Raps ist und was man damit macht, wir staunten.
Als sich das Restaurant leerte, versammelte sich die ganze Familie an unserem Tisch, richtig nette Leute. Jeder las sich unseren Info-Flyer komplett durch und stellte Fragen dazu, wir wurden zum Tequila eingeladen, es wurden Erinerungsfotos gemacht, ein schöner Abend. Doch bald verabschiedeten wir uns in unser Zelt, mit vollem Magen und nach dem Tequila wurden wir schnell müde. Wir befinden uns auf knapp 2600m und es ist recht kühl, im Schlafsack ist es darum umso gemütlicher.

So.29.03. Atzimba
Wir kommen doch nicht rechtzeitig auf die Straße morgens! Heute war es wieder so nett beim Draußen-Frühstück mit der Familie zu sitzen, Bilder zu gucken und zu quatschen, dass es schon fast 13 Uhr war, als wir endlich auf den Motorrädern saßen. Thomas genoss das Reden mit Olaf, die beiden sprachen lange über die Möglichkeiten, erneuerbare Energien in Mexiko einzusetzen und ich freute mich über das mexikanische Frühstück, das bei mir gut noch auf das erste Frühstück oben drauf passte. Es bestand aus (mal sehen, ob ich alles zusammenkriege) blauen Tortillas - aus blauen Maiskörnern gemacht, gerösteten dicken Bohnen, die mir in meinem ganzen Leben noch nie so gut geschmeckt haben, etwas Frischkäse, gegrilltem Schweinefleisch, Gemüse aus den beliebten Kaktusblättern, scharfe Salsa, gebratenen Zwiebeln..... ich glaube, das war´s in etwa. Wir wurden einfach dazu eingeladen, da konnte ich nicht nein sagen.
Der 3-jährige Alan, Sohn einer der Töchter des Hauses wurde inzwischen recht zutraulich und krabbelte mir immer wieder auf den Schoß, die ganze Familie war sehr freundlich und unkompliziert. Als wir uns endlich losrissen, winkten sie hinter uns her und luden uns ein, doch irgendwann einmal wieder herzukommen. Wir sprachen im Gegenzug eine Einladung nach Deutschland aus, falls Olaf mal wieder dorthin fahren möchte. Nun waren wir wieder unterwegs und fuhren durch den dunklen Wald bergauf und bergab. Heute war weniger Verkehr und die Luft war darum deutlich besser als gestern. Das Fahren machte Spaß, wir fuhren nun durch das Gebiet, in dem ich eigentlich gerne die großen Kolonien der überwinternden Monarchfalter hätte sehen wollen, wenn nicht der Zahn Priorität gehabt hätte. Inzwischen haben sich die Millionen Schmetterlinge wieder auf die Reise nach Norden gemacht und sind weg, schade! So können wir von diesem sicher sehr eindrucksvollen Naturschauspiel keine Fotos liefern, aber ich denke, unter den Suchworten: Mexiko/Monarch/Morelia/Michoacan sollte es im Internet Bilder darüber geben. Bald wurde der Wald lichter, die Landschaft weitete sich zu einem breiten Flusstal. Zu beiden Seiten trockene Berge, am Grunde des Tals grüne Felder und kleine Dörfer. Den schmalen Fluss säumten große Weiden, deren saftig-grüne Blätter im Wind wehten. Richtig schön! Wir kamen an dem kleinen Städtchen Ciudad Hidalgo vorbei, folgten der Straße Richtung Morelia und bogen dann rechter Hand ab nach Norden. Bei Zinapecuaro kamen wir an einem Zeltplatz mit Betontisch- und Bankgruppen vorbei, sehr untypisch für Mexiko! Wir blieben, obwohl die Übernachtung fast 8 Euro kosten sollte. Neben dem Zeltplatz ein großes Badeparadies, in dem es von sonntäglichen Mexikanern wimmelte. Darum ist wohl das Zelten hier so teuer... Egal, wir haben jedenfalls einen Tisch, an dem wir sitzen können und eine Dusche gibt es auch.

Mo.30.03. bei Santa Barbara am Stausee
Früh waren wir heute auf den Beinen und pünktlich um zehn starteten wir in das Abenteuer eines neuen Reisetages. Die Landstraße war recht belebt und es wehte den ganzen Tag über ein kräftiger Wind von links, also von Westen. Das macht das Fahren ziemlich anstrengend und ich bin nun, 250km und viereinhalb Fahrstunden später, sehr froh, Feierabend zu machen. Thomas hatte den Wunsch angemaeldet, doch mal wieder einen ruhigen Freicampplatz zu suchen und das taten wir. In ziemlich offener Landschaft mit vielen Kakteen und wenig größeren Bäumen ist es immer etwas schwierig, einen guten Platz zu finden, der nicht so exponiert ist. Aber an einem kleinen Stausee, in dem noch das letzte Wasser vom vorigen Jahr steht, gefiel es uns ganz gut und wir erklärten ein paar weidenartige Bäume zu unserem Zuhause für eine Nacht.

Für die Finger auf der Landkarte oder die Augen in Google-earth hier unsere Strecke des Tages: von Acambaro über Celaya und San Miguel Allende nach Dolores Hidalgo und weiter nach San Felipe. Von dort auf halbem Wege nach Ocampo (ein recht kleiner Ort, wird wohl auf den Karten nicht zu finden sein) sahen wir seitlich den kleinen Stausee in der Sonne blinken, an dem wir nun zelten. Mit Kiefernwäldern und Ähnlichem ist schon lange Schluss, die kahle Hochlandschaft entspricht so richtig dem Klischee des staubig-windigen, von der unerbittlich scheinenden Sonne verbrannte Mexiko, wie man es sich vorstellt und in dem es außer Kakteen kaum etwas gibt. Das Mexiko der großen Sombreros und der Hahnenkämpfe. Die kleinen Ortschaften liegen ungeschützt und schmucklos auf dem kahlen Land, meist gekrönt von einer Kirche, die häufig das einzige ansehliche Gebäude der Stadt ist. Das Interessanteste sind für mich die vielen Keramikwerkstätten, die an der Straße ihre Produkte zum Verkauf anbieten. Wunderschöne Blumenkübel, mit bunten Ornamenten und Blumen bemalt, Figuren und Tiere, bunte Fliesen, Obstschalen, Türschilder etc, eine Fülle farbenprächtiger und formschöner Dinge wartet auf wohlwollende Käufer. ich würde bestimmt dazu gehören, wenn ich nicht mit dem Motorrad, sondern mit einem Wohnmobil hier wäre. So konnte ich nur Fotos mitnehmen, was ja auch schön ist. In einer großen Manufaktur durfte ich mich umschauen und auch den jungen Männern und Frauen beim Malen über die Schulter schauen.
Man hatte Verständnis dafür, dass wir nichts mitnehmen konnten..
Gegenüber der Keramikwerkstatt lag ein Restaurant, auch nicht schlecht, denn wir hatten Hunger! Mit gefülltem Magen fuhren wir noch eine gute Stunde, bis wir hier ankamen. Nun sitze ich im offenen Zelt, auf der gegenüberliegenden Seite des Sees sielen ein paar Jungs in der Abendsonne Fußball. Es ist still, außer dem ruhiger werdenden Wind und dem Bolzen der Fußballer ist kaum ein Geräusch zu hören. Das können wir gut haben, denn die letzten Nächte nahe der vielbefahrenen Straßen waren doch ziemlich unruhig. Ich weiß nicht, warum das so ist, aber die großen Trucks machen einen Höllenlärm, wenn sie mit Motorbremse bergab fahren. Das weckt sicher sogar Tote auf! Schauen wir mal, ob wir hier ruhiger schlafen können.

Di.31.03. kurz hinter Fresnillo
Wir hatten Glück und durften friedlich schlafen, bis uns die Sonne weckte. Der Stausee lag spiegelglatt im Morgenlicht, ein paar Bauern waren in der Nähe am Holzhacken, der Wind schlief noch. Bald waren wir wieder unterwegs und hatten in der etwas öden Landschaft schnell die ersten 100km abgespult. In Aguascalientes fanden wir einen Supermarkt fürs Nötigste - und weiter. Der Wind frischte immer mehr auf, als wir am Nachmittag Zarateca erreichten, waren wir schon ziemlich angestrengt von dem Gepuste. Wir überlegten kurz, ob wir uns in der Stadt ein Hotelzimmer nehmen sollten, aber habtten dann doch keine Lust darauf, uns durch das Zentrum der großen Stadt zu drängeln und fuhren weiter bis Fresnillo. Inzwischen hatten wir schon über 300km Tagesleistung hinter uns und wollten am liebsten gar nicht mehr weiter, liebäugelten schon mit einem Motel, aber die außen angeschriebenen Preise schreckten uns ab. Noch 20km weiter fand sich ein Balneario an der Straße, eine Badeanstalt. Sah etwas verlottert aus, aber fragen kostet ja nichts. Ein Häuschen stand daneben, dort saßen zwei zu dem Zustand des Bades passende Männer vor dem Fernseher. Ja, sie meinten, wir könnten ohne Weiteres hier zelten, das Bad sei zwar im Moment außer Betrieb, aber wenn wir nicht baden wollten, mache das ja nichts. Einen Waschraum zeigte man uns und dorrt könnten wir, mit Wasser aus einer großen Zisterne im EImer hingetragen, auch duschen. Strom sei vorhanden, so hätten wir auch Licht. Tja, was wollen wir mehr? Wir bauten unter Dach auf und ließen uns auf die vorhandenen Plastikstühle sinken. Genug für heute!
Der Besitzer der Anlage, ein freundlich-bestimmt auftretender Bauer, kam später noch vorbei, bestätigte die Erlaubnis für unseren Aufenthalt und wünschte eine gute Nacht Der “Velador”, der Wächter der Anlage, kam noch einige Male zu uns und war so naiv-neugierig unbedarft, dass es auf uns fast etwas befremdlich wirkte. Er hatte überhaupt keine Ahnung, auf welchem Kontinent Deutschland liegt, dass es ein großes Wasser zwischen Europa und dem amerikanischen Kontinent gibt, war eine große Überraschung für ihn und selbst in Mexiko kannte er sich nur sehr wenig aus. Ich erklärte ihm anhand unserer Weltkarte, wo welches Land ist, wo wir schon waren und wohin wir wollen, er hörte interessiert-belustigt zu und staunte viele Bauklötze. Dann schaute er gespannt zu, wie Thomas auf dem Jornada sein Fahrtenbuch schrieb. Er kam immer dichter heran und linste Thomas über die Schulter, als ob er noch nie gesehen hätte, wie jemand auf einem computerartigen Gerät schreibt. Wahrscheinlich sind wir für ihn wie Wesen von einem anderen Stern. Wie unterschiedlich die Menschen sind, denen wir unterwegs begegnen!

Mi.01.04. schon an Durango vorbei
Trotz lärmender Trucks in der Nacht fing unser Tag früh an und wir verabschiedeten uns von unseren Gastgebern um halb elf. Der Wind war auch schon wach und wollte mit uns spielen. In der weiten Landschaft steht ihm nicht viel im Wege, er reisst alles mit sich fort. Plastiktüten, Staub, trockenes Geäst, alles wirbelt mit herum. Und wir fuhren quer zur Windrichtung, immer schön darauf bedacht, auf der Straße zu bleiben. Die Technik des Seitenwindfahrens haben wir ja in Argentinien gur gelernt: man muss nur daran denken, den Lenker nicht festzuhalten, dann geht es ganz gut und der Nacken verkrampft sich nicht. Sobald sich die Arme verkrampfen, kann man nicht geraudeaus fahren, sondern schlenkert bei jeder Böe hin und her. Bei lockeren Armen legt sich das Motorrad bei den Böen nur schräg, aber hält besser die Spur.
Und so bleibt trotz gesteigerter Aufmerksamkeit noch Muße, die Landschaft anzuschauen. Die weite. trockene Ebene wird begrenzt von kleineren Tafelbergen, die sehr nach Wildem Westen aussehen, so wie wir ihn aus dem Fernsehen kennen. Was auch kein Wunder ist, denn Hunderte von Wildwestfilmen wurden genau hier gedreht. Kurz hinter der Stadt Durango, (wir haben nun schon wieder über 200km Fahrt hinter uns), in einer weiten Ebene mit besonders viel Wind gelegen, gibt es mehrere zu besichtigende Wildwest-Dörfer, in denen Filme mit Clark Gable, Charles Bronson, John Wayne oder Anthony Quinn gedreht wurden. Eins dieser Dörfer, Villa del Oeste genannt, schaut Thomas sich an, während ich bei unseren "Pferden" blleibe. Glücklicherweise ist der Saloon geschlossen und so kommt mein Cowboy mit einigen Fotos im Kasten bald zurück. Das nächste Etappenziel heißt Hidalgo del Parral und ist von Durango ca 370km entfernt. Ganz schön groß, dieses Mexiiko! Nach fünf Tagen unterwegs sind wir nun über 1100km von Cuernavaca entfernt und haben trotzdem erst ungefähr die halbe Strecke bis zur Grenze der USA hinter uns. Von Parral aus wollen wir eine kleine Straße zur Barranca del Cobre, dem Kupfercanyon, einer besonders schönen und fast 2000m tiefen Schlucht, suchen. Alle schwärmen von dieser Schlucht, also schauen wir uns dort auch mal um. Laut Reiseführer wird das mal wieder ein abenteuerliches Offroad-Erlebnis, wir sind gespannt. Nach 300km Tagesleistung fragen wir abseits der Straße auf einem kleinen Bauernhof nach Zelterlaubnis. Der Bauer schickt einen jungen Mann mit zu einer Viehweide, auf der wir schlafen dürfen. Im grünen Gras, unter ruhig-wachsamer Beobachtung einer hübschen braunen Stute, machen wir uns breit und freuen uns an den grünen Bäumen im goldenen Abendsonnenschein. In der Ferne färben sich die Berge von Gold über Rot bis Violett, bevor die Sonne abtaucht. Der Wind wird leiser, alles kommt zur Ruhe.

Do.02.04. Rosario
In der Nacht fiel die Temperatur auf unter Null Grad. Wir mussten uns in den Schlafsäcken gut aneinander kuscheln, um nicht zu frieren. Als die Sonne aufging und es wieder warm wurde, hatten wir gut geschlafen. Keine Trucks, nur Grillen und das beruhigende Grasrupfen des Pferdes rund ums Zelt waren zu hören gewesen. Entsprechend unternehmungslustig begannen wir den Tag. Heute ohne Wind, was für eine Erholung! Wenig Verkehr auf der Straße, die sich durch Hügel schlängelt. Ein paar Tafelberge schauen zwischen den Hügeln hindurch. Bald steigt die Straße an und führt durch ein paar imposante Schluchten, bevor man dann die schier endlose Hochebene erreicht. Gelbes Gras, halbhohe grüne Büsche, vereinzelt Rinderherden, die zu ein paar großen Ranchos gehören. Die Sonne hoch am wolkenlosen Himmel, die Luft ist warm, aber nicht heiß, sehr angenehmes Fahren trotz der wenig abwechslungsreichen Landschaft hier oben. Es geht schnurgeradeaus, ca 100km weit. Nur alle Viertelstunde oder so begegnet uns ein Auto, ein paar kleine Straßendörfer lassen die Frage aufkommen, warum sich in dieser trockenen Ödnis Menschen angesiedelt haben? Ca 70km vor Hidalgo del Parral stellen wir bei einer kleinen Hintern-Erholungspause mit Blick auf die Straßenkarte fest, dass es eine kleine Straße quer rüber Richtung Westen gibt, die uns um die Stadt Parral herum und schneller zur Kupferschlucht bringen könnte. Kurzentschlossen biegen wir in Villa Ocampo ab, tanken nochmal voll, fragen den leider nicht besonders ortskundigen Tankwart nach der Strecke und stürzen uns ins Abenteuer. EIn zweiter Mann wird gefragt, er bestätigt, dass es eine solche Strecke gäbe, aber sie sei "pura terraseria", was wohl soviel wie Erdpiste heißen soll. Wir fahren 20km recht anspruchsvolle Schotterpiste bergauf und bergab, die vielen betonierten Furten liegen zum Glück trocken in dieser Jahreszeit. Schmal und steinig schlängelt sich der Weg durch die Hügel, außer ein paar Rindern, die sich nur ungern aus dem Weg bequemen, sehen wir niemanden. Als wir an eine Weggabelung kommen, natürlich unbeschildert, wählen wir aus dem Bauch heraus die nördlichere Variante... Weiter folgen wir den Spuren und kommen irgendwann an einen schönen See in der kahlen Weidelandschaft. Dort scheuche ich den Bewohner eines kleinen, einsam gelegenen Hauses in die Schuhe, damit er mir erzähle, wo wir eigentlich sind. Es stellt sich heraus, dass wir kurz vor einem kleinen Ort namens Rosario sind, den wir von Ocampo aus wohl auch auf einem einfacheren und kürzeren Weg erreicht hätten. Auf unserer Karte ist er überhaupt nicht eingezeichnet.. Wir halten uns vor dem Ort rechts und bleiben für heute hier am See, der klar genug für ein erfrischendes Bad ist. Es ist, abgesehen von dem gelegentlichen Muhen der kleinen Kuhherde in unserer Nähe, so still hier, dass wir das Blut in den Ohren rauschen hören. Auf der anderen Seite des Sees stehen ein paar Bäume, die grünen Farbtupfer geben in der gelben Landschaft einen schönen Kontrast ab. Dann und wann sehen wir ein Spielzeugauto drüben auf der Piste etlangkriechen, die wohl die kürzere Variante der Strecke nach Rosario ist. Morgen schauen wir dann mal weiter.

Fr.03.04. irgendwo in den Bergen zwischen Balleza und Guachochi
Wir genossen die Stille am See, entzündeten morgens ein wärmendes Lagerfeuer, um beim Frühstück nicht zu frieren und fuhren zeitig weiter. Bis nach Rosario war es nur ein kurzes Stück, von dort aus führte tatsächlich eine nicht zu verfehlende Piste quer durch die Berge in die Richtung, die wir wollten. Einige Flussdurchfahrten über große, glitschige Steine brachten den Adrenalinspiegel hoch, aber davon abgesehen, war die Strecke gut zu befahren und führte durch schöne, wenn auch karge, stille Landschaften. Viele kleine Dörfer lagen an der Strecke, überall wies man uns freundlich den weiteren Weg.Drei Stunden und 79km später kamen wir fast erstaunt, tatsächlich wieder an die Teerstraße, die uns Richtung Balleza brachte. Nach dem trockenen Hügelland erwarteten uns hier wieder völlig andere Bedingungen: ausgedehnte Kiefernwälder auf ca 2000m Höhe, einige Tafelberge, kräftiger kalter Wind, gute Teerstraße. Der kalte Wind strengte uns ziemlich an, daher hielten wir bald Ausschau nach einem Schlafplatz. Eine Schotterstraße führte in die Wälder, leider waren überall feste Zäune, wir kamen nicht rein in den Wald. Etliche Kilometer weiter hörten die Zäune auf, aber es war so windig, dass wir auch hier nicht fündig wurden. Erst als der Weg bergab zu einer kleinen Ansammlung von Häusern kam, wurde der Wind erträglich. Bei den sehr einfachen Menschen dort fragten wir, ob wir in der Nähe zelten dürften. Wir durften. Auf einem abgeernteten Maisacker versuchten wir, bei dem trotzdem noch heftigen Wind unser Zelt aufzubauen. Prompt kam eine besonders heftige Böe und brach einen Zeltstangenadapter glatt durch. Wie gut, dass wir uns von diesen recht anfälligen Teilen in Cuernavaca Ersatz haben drehen lassen. Aus Stahl anstatt wie bisher aus Alu. So stand das Zelt bald, an allen Seiten gut verspannt und mit Häringen gesichert. Aber noch war kein Feierabend, denn die männliche Bevölkerung des Dörfchens, zuerst ein stark angetrunkener Mann, dann fünf halbwüchsige Jungs, kamen uns besuchen, vielleicht um abzuschätzen, ob man uns wohl über Nacht in der Nähe dulden könne oder ob von uns irgendeine Gefahr ausginge. Ich versuchte, allen Kommunikationswünschen der Indianer nachzukommen und war froh, als sie schließlich befriedigt abzogen.
Die Menschen hier gehören zum Stamme der Tarahumara, der größten ethnischen Gruppe Nordmexikos, die sich noch einen Teil ihrer Eigenständigkeit und ihrer Traditionen bewahrt haben. Tarahumara heißt: die Leichtfüßigen, denn sie können sehr weite Strecken zu Fuß zurücklegen und gehen auch heute noch ihren Laufspielen nach, bei denen über mehrere Tage pausenlos gelaufen wird. Dabei kicken die Männer fast beiläufig einen kleinen hölzernen Ball vor sich her. Und Sierra Tarahumara heißt auch die Gegend, in der sie leben. Fremden gegenüber sind sie verständlicherweise zurückhaltend, denn die Fremden haben ihnen wohl wenig Gutes gebracht in ihrer Geschichte. Mir scheint, dass sie, wie man den Indianern allgemein nachsagt, sehr anfällig für Alkohol, denn nicht nur der erwachsene Mann, der uns beim Zelt besuchte, war so stramm, dass er dreimal hintereinander dieselbe Frage stellte,sondern auch von den Jungs ging ein heftiger Alkoholdunst aus. Und die waren sicher noch nicht mal 15 Jahre alt!

Sa.04.04. Batopilas
Entgegen den üblichen Gewohnheiten blieb der Wind die ganze Nacht über aktiv und störte unseren Schlaf nicht unwesentlich. Das Problem dabei ist, dass das silikonierte Material unseres Aussenzeltes bei Kälte sehr knistert und dadurch jeder Windstoß zu einem akustischen Erlebnis wird. Und einmal schreckten wir beide hoch, weil wir ein galoppierendes Pferd in der Nähe hörten. Als wir mit schlaftrunkenen Augen aus dem Zelt schauten, sahen wir vier Pferde auf der Nahrungssuche herumstreunen - ohne Reiter, also auch kein Grund zur Sorge. Wir übertrafen uns selbst und fuhren morgens schon um kurz nach neun ab. Um zwölf hatten wir auf gutem Teer 130km kurviges, kaltes Hochwaldgebiet mit bizarren Felsformationen und großen Kiefern leicht frierend hinter uns gebracht und erreichten die Abzweigung nach Batopilas. Von nun an waren wir wieder auf Schotter unterwegs, erstmal auf und ab durch die Wälder. Dort sind Straßenbauarbeiten im Gang und durch die Bearbeitung des kalkigen Felsens hat sich auf manchen Streckenabschnitten über einer Schicht losen Schotters eine dicke weiße Schicht Talkumstaub angesammelt. Man fährt wie durch weichen Schnee auf unsichtbarem Untergrund bergab. Sehr unangenehm! Prompt legte sich Foster in einer besonders dicken Schicht Staub auf die Seite. Außer einem kaputten Wasserkanister passierte nichts Gravierendes, wir wurden vorsichtiger und tasteten uns im Schritttempo vorwärts, bis der Weg besser wurde. Bald kamen wir an den oberen Rand der Schlucht, in deren Grund die ehemalige Silberminenstadt Batopilas liegt und konnten von oben die 1000m tiefer liegende Brücke sehen, über die wir später fahren sollten. Und nun ging es steil am Abhang in die Schlucht hinunter auf einspuriger Schotterstraße. Glücklicherweise war nur sehr wenig Verkehr, wir begegneten auf der gesamten Strecke von ca 70km schätzungsweise zehn Fahrzeugen. Die Aussicht war atemberaubend, wenn wir auch jedes Mal anhalten mussten, um das Panorama zu genießen, denn während des Fahrens war wirkllich nur Fahren angesagt. Die Piste war nicht wirklich schwierig, doch befand sich viel loser Schotter auf der Fahrbahn und die vielen Kurven waren eng und ausgefahren. Wenn man da einen Moment lang abgelenkt ist, geht es schnell dem Abgrund entgegen. Das bedeutet an vielen Stellen den finalen Flug..

30km geht es bergab, bis man die Brücke über den Fluss erreicht, von dort aus nach einmal 30km teilweise recht hoch über dem Fluss entlangan steilem Abhang bis nach Batopilas. Von ganz oben (über 2000m), wo schneidiger kalter Wind eine warme Jacke erforderlich macht, bis nach Batopilas auf 463m , liegen sicher 20 Grad Temperaturunterschied. Hier unten ist es, mit anderen Worten, bullig heiß - herrlich! Entsprechend verhält sich auch die Vegetation: vom Kiefernwald oben bis zur tropischen Vegetation unten, mit Kakteen und Gummibäumen, ist mal wieder alles dabei. Ungefähr am Anfang der Talfahrt trafen wir Keith und Randy aus Kalifornien, unterwegs auf KTM und Suzuki. Die ersten Biker seit längerer Zeit, die unseren Weg kreuzen! Sie haben ein paar abenteuerliche Pisten hier in den Schluchten des Gebietes der Barranca del Cobre abgefahren, die wir uns nicht antun müssen. Man kann von Batopilas weiter durch diese extreme Landschaft fahren, mit GPS und entsprechenden Unterlagen. Tiefe Flussdurchfahrten und heftige Pisten, tote Drogendealer und Polizisten mit rauchendem Gewehr - davon erzählten die Beiden und sowas brauchen wir nicht. So abenteuerlustig sind wir doch nicht! Darum bleibt uns nichts anderes übrig, als denselben Weg wieder hochzufahren, denn diese staubige steile Piste ist die einzige offizielle Versorgungsstrecke von Batopilas. Erstaunlich, aber wahr. Um vier Uhr nachmittags waren wir, staubbedeckt und verschwitzt, in der 1000 Einwohner starken Stadt angekommen. Sie besteht scheinbar fast nur aus einer langen Straße, die am Fluss entlangführt. Ehrwürdige alte Häuser zeugen von besseren Zeiten, als hier noch mit Silberminen das große Geld gemacht wurde, doch auch heute noch hat der Ort einen eigenen Charme. Einige Hotels wurden für den Schluchten-Tourismus gebaut, der von den Einheimischen offensichtlich mit gemischten Gefühlen gesehen wird. Bei unserer Fahrt durch den Ort, auf der Suche nach einem preisgünstigen Hotel mit Parkmöglichkeit für die Motorräder, sah ich manche freundliche Gesichter, aber auch manche sehr reservierte. Im kleinen Zentrum fand sich schnell ein altes Hotel mit dem Namen Mary. Dort kostet ein Doppelzimmer nur 200 Pesos und die Moppeds durften mit in den Innenhof, direkt vor die Tür unseres dunklen, aber geräumigen und sauberen Zimmers. Wir freuen uns nun auf die abendliche Dusche, die haben wir uns verdient. Morgen ist Ruhetag!



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