Südamerika Reiseberichte

Chile
 
voriges Tagebuch Chile Januar 2008 (Weltreise Tagebuch 15) nächstes Tagebuch
Dienstag, 01.01.08 - Feliz año nuevo!
Wie überall in der Welt fand auch hier heute das Frühstück etwas später statt, die Gesichter wirkten auch dann noch etwas müde. Entsprechend ruhig verlief der Tag. Abends gabs Reste von gestern..

Mittwoch, 02.01.08 - Heute geht's los!
Nach zweiwöchiger Pause in Ushuaia packen wir heute alles wieder ein und fahren los Richtung Alaska (klingt gut, oder?).
Da wir nicht so schnell wieder die Möglichkeit zum Backen haben werden, kneten wir noch einen großen Brotteig. Vier Laibe Brot stecken wir in unsere Packsäcke, das reicht erstmal ein Weilchen.
Erst mitten am Nachmittag hat alles wieder seinen Platz auf den Moppeds gefunden und alle lieben Leute sind verabschiedet. Besonders die Campingplatzbetreiberfamilie verabschiedet sich sehr herzlich. Sie sagen, ich hätte nun Freunde für immer am anderen Ende der Welt. Da ich von unserer Gruppe eine der wenigen bin, die etwas Spanisch sprechen, haben sie sich oft an mich gehalten, wenn es etwas zu erklären gab. Sehr liebe und freundliche Leute: Ruben und Marie, das Seniorpaar- er immer zu Späßen aufgelegt und ein Meister der argentinischen Kochkunst, sie eine liebe Mama, Sergio, der Sohn- der einzige in der Familie, der recht gut Englisch spricht und eigentlich Opernsänger ist... Guido aus Buenos Aires, der in der Sommersaison hier arbeitet und die neuen Gäste einführt, Öfen heizt etc und last, but not least Patricia, die Putzfrau, die jeden Vormittag gründlich alle Böden wischt, die Bäder putzt und die Reste des Abwasches vom Vortag erledigt. Sie kommt auch ursprünglich aus BsAs, lebt seit 24 Jahren hier, ist alleinerziehende Mutter dreier Söhne und ein Herz von Mensch. Sie alle sind mir in den letzten 2 Wochen richtig ans Herz gewachsen und nun hauen wir wieder ab. Das ist wohl beim Reisen dabei, dass man die neuen Freunde auch bald wieder verlassen muss... wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
Beim Verlassen der Stadt versuchen wir, uns diesen, irgendwie besonderen Ort noch einmal richtig einzuprägen: die kleinen Holzhäuser am Hang an der blauen Bucht vor den kalten Bergen, die aus dem Wald herauswachsen. Ein Kreuzfahrtschiff und einige kleinere Schiffe liegen im Hafen vor Anker, die Sonne scheint zwischen den Wolken hindurch und lässt die weißen Schiffe leuchten. Schön ist es hier! Wäre es etwas wärmer, dann könnte ich glatt hier versacken...
Über den Bergen, durch die wir nun zurückfahren werden, hängen tiefe Wolken, ich ziehe lieber gleich meinen Regenkombi an. 100km bis Tolhuin, dann nach 18km auf eine gute Piste zum Lago Yehuin, das ist unser Plan. Wie durch Zauberhand verschonen uns die vielen Wolken fast komplett, es tröpfelt nur ab und zu ein wenig, ansonsten bleiben wir trocken. Die Tour durch die Berge ist sehr schön und auch auf der Piste haben wir viel Freude: leicht zu befahren führt sie durch sanfte Hügel mit vereinzelten Wäldern. Ab und zu flüchten ein paar Schafe oder Guanacos (sie springen bei Bedarf aus dem Stand über mannshohe Zäune!) vor unserem Motorengeräusch, fantastische Wolken bilden einen eindrucksvollen Hintergrund. Nach knapp 50km erreichen wir die ehemalige Hosteria am See, von der uns erzählt wurde. Ein großer Gebäudekomplex, vielleicht 30-40 Jahre alt, verlassen und zerstört, steht am einsamen See, drumherum mystisch wirkender lichter Wald mit vielen abgestorbenen, flechtenbehangenen Bäumen. Schneeberge auf der gegenüberliegenden Seeseite. Wir wollten eigentlich Peter und Klaus hier treffen, aber die sind wohl schon weitergefahren. Stattdessen treffen wir ein deutsches Paar im Wohn-LKW, die auch die Stille hier genießen.
Wir bauen das Zelt direkt am See auf und wärmen uns abends mit einem schönen Lagerfeuer auf. Fast alle Wolken sind fort, der sommerliche südliche Himmel wird auch mitten in der Nacht nicht richtig dunkel, das Kreuz des Südens steht über dem nun glatten See. Noch Fragen?

Donnerstag, 03.01. - Estancia San Julio
Wo sind wir hier wieder gelandet?
Der Wind hat uns ein Zimmer auf einer einsam gelegenen Estancia nordwestlich von Rio Grande beschert. Er blies uns so kräftig entgegen, dass wir kein auch nur halbwegs windgeschütztes Plätzchen draußen finden konnten. Die Straße, die wir von Rio Grande aus nahmen, führte durch hügeliges Weideland ohne jeden Baum und es war selbst auf der Leeseite der Hügel kaum möglich, die Moppeds einen Moment abzustellen. So gaben wir unseren Plan auf, wild zu zelten und fragten auf dieser Estancia nach einem Zeltplatz im Windschatten der Häuser. Martin, der Besitzer, zeigte mir daraufhin ein fast leeres Zimmer im Gesindehaus. Dort könnten wir schlafen, sagte er, und um 8 Uhr gäbe es dort drüben im Comedor Abendessen. Das war mehr, als wir erwartet hatten! Wir räumten unsere Sachen in das Zimmer, in dem zwei leere Bettgestelle auf einem, durch ein Stück Plastikplane geschützten, neuen Holzfußboden stehen. Ein großer Hohlbaustein dient als Nachttisch, die Tür kann man jetzt, nachdem ich ein entsprechendes Loch in die hölzerne Zarge geschnitzt habe, sogar schließen.
Auf dem flurartigen Raum in der Mitte des Hauses steht ein großer Holzofen, der richtig viel Wärme abgibt. Dort trifft man sich offensichtlich. Ein freundlicher zwölfjähriger Junge versuchte, mit uns zu kommunizieren, was etwas schwierig war, da er sehr schnell und leise sprach. Einiges verstand ich trotzdem und versuchte, sinnvoll zu antworten. Er stellte mir den einzigen Polsterstuhl zum Ofen und bereitete sich und mir Mate. Später kam noch sein Vater dazu, genau so schwer zu verstehen....
Um 20 Uhr führte uns der Junge (ich konnte seinen Namen nicht verstehen...) zum Speisehaus, wo in einem sauberen Raum zwei große Esstische und eine Tischtennisplatte standen. Ein Tisch war aufgedeckt, eine große Kaserolle mit gekochtem Lammfleisch mit Nudeln und etwas Gemüse stand schon dort. Für mich lecker, Thomas musste leider mit trockenem, aber frischen Brot vorlieb nehmen. Eine Handvoll Landarbeiter saßen mit uns am Tisch und wussten erst nicht so recht, was sie mit uns anfangen sollten. Einer fing irgendwann an, die üblichen Fragen zu stellen. Das brach den Bann und wir kamen ins Gespräch, wenn ich auch weiterhin etwas Probleme mit der Verständigung hatte und vor allem müde war. Als der Tisch abgeräumt wurde, nutzten wir die Gelegenheit, uns zu verabschieden.
Die Estancias hier in der Gegend bestehen aus ca 10-15 Holzhäusern der gleichen Bauart mit einem Zaun um das ganze Anwesen. Sie leben von der Rinder- und Schafhaltung. Das Vieh läuft frei in der windigen Landschaft, nur an der äußeren Grenze der Estancia steht ein Zaun. Da diese Straße außer zu den Estancias nirgendwo hinführt, kommen hier sehr wenig Touristen her. Wir sind auch nur hier gelandet, weil unsere Karte uns einen nicht vorhandenen Grenzübergang nach Chile vorgegaukelt hat..
Wir erleben die interessantesten Dinge häufig "aus Versehen", so auch heute. Morgen müssen wir dann doch wieder zur Hauptstraße fahren und den üblichen Grenzübergang in San Sebastian nehmen. Vielleicht ist es ja morgen etwas weniger windig...

Freitag, 04.01.2008 - San Sebastian
Die ersten 70km des heutigen Tages haben wir geschafft. Im Grenzhotel verstecken wir uns jetzt ein Weilchen vor dem tosenden Wind, der leider in keinster Weise abgenommen hat seit gestern - im Gegenteil, er kommt mir stärker vor. Die 50 km Piste bis zur R.3 waren daher sehr anstrengend, obwohl die Piste selbst gut zu fahren ist. Wenn wir ein Stück mit dem Wind fuhren, war es auf dem Motorrad winstill bei ca 70km/h, die stärkeren Böen überholten mich... Meistens führte die Straße allerdings quer zum Wind, der hartnäckig, aber bisher erfolglos versuchte, uns von der Fahrbahn zu schubsen. Zum Glück waren wir nahezu allein auf der Straße, so konnten wir die ganze Breite ausnutzen.
Wir wollen heute noch bis Porvenir fahren, um morgen die Fähre nach Punta Arenas zu erreichen. Mir ist etwas bange vor der langen windigen Piste dorthin...

Sonnabend, 05.01.2008 - Punta Arenas
Da die Grenzformalitäten gestern wegen großem Andrang recht lange dauerten, schafften wir es doch nicht mehr ganz bis nach Porvenir. Die Piste war sehr gut zu befahren trotz des Windes, wir waren aber beide etwas angestrengt von den letzten beiden Tagen. So beschlossen wir, als es zu regnen anfing, unser Zelt am Strand der Bahia Inutil aufzustellen. In der Nacht flatterte es laut im Wind, aber mit den unersätzlichen Ohrstöpseln konnten wir trotzdem schlafen.
Morgens war es kalt und windig, ich hatte Kopfschmerzen und wollte am liebsten im Schlafsack bleiben. Gute Koordination war nötig, um das Zelt abzubauen, ohne dass es dabei wegflog, dann fuhren wir die letzten 40km nach Porvenir, wo um 14 Uhr das Schiff fahren sollte. Der Ort wirkt gut gepflegt, kleine farbige Häuser am Hang, eine grüne Plaza mit sorgfältig gestutzten Bäumen, eine Bank, deren Geldautomat leider keine Visakarten akzeptiert und 5km hinter dem Zentrum der Fähranleger. Wir waren rechzeitig dort und warteten ca. eine Stunde, bis das Schiff kam und wir unsere Tickets kaufen konnten. Man hatte uns gesagt, es sei immer sehr ausgebucht und man müsse manchmal mehrere Tage auf einen Platz warten, aber wir passen mit den Motorrädern ja meist noch irgendwo in eine Ecke. So war es auch heute kein Problem, wir bezahlten ca 10 € pro Person und kamen als erste aufs Schiff, wo wir versuchten, die Moppeds seetüchtig zu verzurren. Das war nicht so einfach, es gab nur eine Lasche in der Nähe. Zum Glück wurde noch ein großer Container direkt nebenan abgestellt (fast hätte der LKW-Fahrer Jolly beim Einparken des Containers umgeworfen ) und wir konnten die so entstandenen zusätzlichen Laschmöglichkeiten für uns nutzen. Als wir gerade fertig verzurrt hatten, kam Rens, Africatwinfahrer aus Holland, zuletzt gesehen in Ushuaia, aufs Schiff gefahren...
Die See war ziemlich rauh, das Schiff schaukelte drei Stunden lang ganz erheblich durch die Magellanstraße - ich blieb lieber an Deck, auch wenn es kalt war. So wurde mir jedenfalls nicht schlecht. Die Sonne schien auf die hohen blaugrünen Wellen, die Gischt duschte Autos und Passagiere gründlich ab. Wir gingen nicht unter, sondern kamen planmäßig nach ca. drei Stunden in Punta Arenas an.
Diese Stadt hatte ich mir so groß nicht vorgestellt! wir fuhren eine ganze Weile zu dritt herum, bis wir das im Lonely Planet angegebene Hostel mit Campmöglichkeit gefunden hatten - wo uns schon wieder etliche Bekannte erwarteten. Nein, wie klein die Welt ist! Wir konnten zu dritt in einem Doppelzimmer im Nachbarhostal unterkommen, die Moppeds wurden sicher in der großen Garage des Nachbarn abgestellt.
Da morgen Sonntag ist, werden wir wohl bis Montag hierbleiben, wenn ich meinen Reifen gewechselt habe. In der zollfreien Zone der Stadt sollte ich günstig einen bekommen.

Sonntag, 06.01.2008 - Punta Arenas
Diese Stadt ist wirklich sehr fotogen! Die kleinen Häuser sind meist mit farbig angestrichenem Blech verkleidet und wirken recht gepflegt mit kleinen Gärten voller Blumen und geschnittenen Rasenflächen. Das Stadtzentrum besteht aus einer Plaza mit sehr großen alten Zedern un anderen Bäumen, in der Mitte ein bronzenes Magellan-Denkmal. Um die Plaza reich wirkende große Häuser aus der Blütezeit der Stadt im 19.Jh. Damals kam der Reichtum hauptsächlich aus der Schafzucht und dem Export der Wolle. Da vor dem Bau des Panamakanals alle Schiffe zur Westseite des amerikanischen Kontinentes hier vorbeifuhren, blieben viele Menschen hier hängen und bauten sich eine neue Existenz auf. Im Gefolge des Schafzüchter-Reichtums kamen viele europäische Handwerker, die den Reichen ihre Häüser bauten und so auch reich wurden. es gibt noch etliche so reich ausgestattete Häuser mit Marmor aus Italien und anderen erlesenen importierten Materialien, die zu besichtigen sind.
Ebenso kann man den vergangenen Reichtum auf dem berühmten Friedhof erkennen, wo es viele exklusive Grabmäler gibt.
Wir nutzten unseren freien Sonntag mit einem ausgiebigen Spaziergang durch die Stadt. Von einem Aussichtspunkt aus verschafften wir uns einen Überblick und marschierten dann zuerst zu einer großen Kirche, in der eine große Weihnachtskrippe mit wunderschönen großen Figuren liebevoll auf frischem Moos aufgebaut war. Das einzig Störende waren diverse blinkende Lichterketten, die um die geschaffene Landschaft herum drapiert waren. Außer den Kernfiguren der Weihnachtsgeschichte inclusive der drei Könige mit beladenen Kamelen waren dort viele Hirten, Frauen mit Kindern, etliche Schafe (natürlich!) aufgebaut. Mir wurde so etwas verspätet nun doch nochmal richtig weihnachtlich zumute und ich hätte am liebsten dort in der Kirche alle alten Lieder gesungen. Stattdessen saß ich andächtig davor wie früher vor unserer schönen Weihnachtskrippe zuhause und freute mich still vor mich hin.
Auf dem Weg zur Kirche versackten wir allerdings erst in einem schnuckeligen Cafe neben dem Aussichtspunkt. Von außen sah es wir ein Hexenhäuschen aus, drinnen war alles aus Holz, ein Ofen brannte, es gab hausgemachten, sehr leckeren Kuchen und einen tollen Blick über die Stadt. An einer Wand war eine Sammlung alter und noch älterer Telefone ausgestellt, eine kleine ältere Dame bediente uns sehr freundlich. Ein netter Ort!
Nach ein paar Stunden kamen wir in unsere nette, wenn auch gruselig kitschige Pension zurück. Für heute abend ist geplant, mit den restlichen Bikerfreunden (eine große Gruppe fuhr mittags weiter Richtung Torres del Paine, was bei uns auch als Nächstes auf dem Plan steht ) Essen zu gehen. Ganz so teuer, wie wir befürchtet hatten, ist es hier nicht - das wird wohl in den Nationalparks heftiger werden...
Davon demnächst mehr.darüber.



voriges Tagebuch Argentinien Januar 2008 (Weltreise Tagebuch 15) nächstes Tagebuch
copyright Globusbiker