Südamerika Reiseberichte

Bolivien
 
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Sonnabend, 31.05. - La Paz
Ausnahmsweise überspringe ich mal ein paar Tage, weil ich euch nicht mit der Beschreibung unserer Faulenzertage langweilen möchte. Aber heute war ein interessanter Tag mit Stadtbesichtigung. Wir sieben Leute (Erwin, Isa und Guido sind inzwischen angekommen und waren mit von der Partie) stiegen vormittags in einen "Microbus", diesmal sogar mit gepolsterten Sitzen, und fuhren ins Zentrum. Bemerkenswert an dieser Stadt ist, dass sie kaum Straßen ohne Steigung hat und dass die verwitterten Lehmberge auch in der Stadt zwischen den alten Kolonialgebäuden und den Glas- und Stahlpalästen sichtbar sind. Wir spazierten diesmal tiefer in das wuselige Marktviertel hinein, alle Wertsachen mit höchster Aufmerksamkeit hütend. Durch unendlich viele kleine Gassen zieht sich das Verkaufsgeschehen. Zuerst liefen wir durch den so genannten Zaubermarkt, wo allerlei magische Dinge verkauft werden. Am auffälligsten fielen uns die getrocknet herumhängenden Lamaföten ins Auge, die z.B. bei Hauseinweihungszeremonien für Glück sorgen sollen. Allerlei Kraut und Pulver, kleine Fläschchen mit Tinkturen, besondere Kakteen in frischer und getrockneter Form und allerhand andere mysteriöse Dinge waren an den Ständen zu erwerben. Weiter ging es durch schmale Gänge voller "echter" Markenkleidung von Adidas, Nike und Co. Wer kauft das bloß alles? Elektronikartikel, Haushaltswaren, Utensilien für Kinderfeste, und und. und... Es nahm kein Ende und überall wimmelte es von Menschen, die irgendwas kaufen oder verkaufen wollten. An manchen Orten stank es so erbärmlich nach menschlichen Exkrementen und anderen Dingen, dass wir fast fluchtartig weiterliefen. Dort, wo Autos fahren konnten, stank es außerdem stark nach Dieselabgasen, ein olfaktorisches Abenteuer!
Wir mussten sehr aufpassen, uns nicht unterwegs zu verlieren. Bei sieben Leuten, die alle gucken, fotografieren, handeln wollen, kein leichtes Unterfangen! Nach ein paar Stunden, als sich der Hunger immer deutlicher zu Wort meldete, kehrten wir um und suchten das Restaurant unseres letzten Stadtbesuches auf. Für ungefähr 5€ bekam ich dort ein riesiges Lamasteak mit Reis, Roquefortsauce und frischem Gemüse vorgesetzt, nicht zu verachten!
Nach dem Essen fuhren die Hundebesitzer unter uns zurück zum Hotel, während Guido, Thomas und ich noch ein Weilchen durch die Fußgängerzone stromerten auf der vergeblichen Suche nach einem netten Straßencafe. Stattdessen kamen wir auf eine Plaza mit großen offiziellen Gebäuden drumherum. Auf der Plaza saßen viele Menschen, die es sich scheinbar zum Ziel gesetzt hatten, alle Tauben dieser Stadt glücklich zu machen. Hunderte, wenn nicht Tausende dieser Ratten der Luft liefen pickend über das Pflaster und fraßen zerstoßenen Mais, den man an kleinen Ständen kaufen konnte. So viele Tauben habe ich wohl noch nie auf einem Fleck gesehen! Da es langsam kühl wurde, traten wir bald den Heimweg an, suchten uns ein passendes Colectivo und ließen uns zurück nach Mallasa schaukeln. Thomas fotografierte noch aus dem Bus heraus wie wild, so viele interessante Motive gab es zu sehen. Besonders die korpulenten Frauen mit ihren farbenfrohen Kleidern und typischen runden Hüten hoch über dem Kopf sind immer wieder ein Foto wert.

Sonntag, 01.06. - La Paz
Und schon wieder gab's leckeres Essen: zur Feier des Sonntags spazierte unsere ganze Mann- und Frauschaft zur nahe gelegenen Parrilla, wo für 4 € ein Mittagsbuffett mit vielen guten Sachen, auch für unsere Vegetarier Thomas und Isa (diese bezahlten nur 3€) aufgetischt war. Wie immer bei solchen Gelegenheiten aßen wir zu viel und rollten uns anschließend mühsam den Berg hinauf zu unserem Domizil. Nichtsdestotrotz gönnten wir uns später noch ein Dessert aus der guten Hotelküche. Bei den hiesigen Preisen überlegen wir da nicht lange.
Wie schon in den letzten Tagen zeigten wir uns abends gegenseitig Reisebilder auf einem der vielen vorhandenen Laptops (wir sind hier mal wieder die einzigen, die sowas nicht mitführen). Mit sieben Leuten ist es zwar selbst in dem großen Wohntruck von Bruno und Renate eng, aber darum nicht weniger gemütlich. Und dann kam das absolute Highlight des Tages: wir konnten uns ein Laptop und ein paar DVDs ausleihen und im Zelt bis spät in die Nacht Kino gucken. Das gab es ja schon lange nicht mehr!

Montag, 02.06. - La Paz
Ich war mal wieder beim Zahnarzt. Nach der letzten Antibiotika-Kur ließ der Erfolg immer noch auf sich warten und das ist ja kein Zustand auf die Dauer! Vom Hotel wurde mir ein Arzt empfohlen, der auch Englisch spricht und als wir dort nachfragten, durfte ich sofort kommen.
Eine modern ausgestattete Praxis erwartete mich und ein sehr kompetent wirkender freundlicher Arzt untersuchte mich mit allen technischen Mitteln. Leider kam dabei nur das heraus, was ich die ganzen Wochen schon befürchtet habe: der Zahn muss raus, wenn ich mich nicht in Zukunft weiter von Amoxicillin ernähren will. Dank der Möglichkeiten der Neuzeit konnte ich das neue Röntgenbild noch aus der Praxis zu meinem Hauszahnarzt mailen, um sein OK oder Veto einzuholen. Ich durfte mich in der Rezeption der Praxis an den Rechner setzen und den entsprechenden Text aufsetzen, sehr nett!
Für den Rückweg musste ich nun ein "sicheres" Taxi finden. Ich fragte daher einen Sicherheitsmenschen mit langem Schlagstock, ob er mir ein solches zeigen könne und er ging mit mir zu einem wartenden Taxi, öffnete mir die Tür und sagte laut genug, dass der Fahrer es hören konnte, dieses sei sicher. Der freundliche Fahrer brachte mich heil zum Hotel zurück, ohne mir Geld oder Kreditkarten abzuknöpfen (hatte ich erzählt, dass wir letzten Sonntag in einer Tageszeitung eine zentrale Doppelseite über die Gefahren der Taxinutzung in La Paz und ihre Vermeidung in 25 Ratschlägen gefunden hatten?).
Da es nun schon recht spät war, verschoben wir den für heute angedachten Besuch der "Migracion" zur Verlängerung des 30-Tagevisums auf morgen. Mit der neuen Perspektive der zahnärztlichen Behandlung müssen wir wohl sowieso bis nach dem nächsten Wochenende in der Stadt bleiben.

Dienstag, 03.06. - La Paz
Ein spannender Tag: wir haben heute den bolivianischen Präsidenten Evo Morales bei uns im Hotel gesehen! Von morgens an gab es eine Regierungssitzung im Konferenzsaal des Hotels, danach auf der Wiese des Restaurantgartens eine Pressekonferenz, wo wir auch dabei sein und die gesamte Regierungsspitze hautnah erleben konnten. Was für ein Privileg für uns, in diesen kritischen Wochen der bolivianischen Politik so ein Event auf dem Silbertablett serviert zu bekommen! Es geht seit einiger Zeit um die Unabhängigkeitsbestrebungen der reicheren Provinzen, die ihren Reichtum nicht so gerne mit den ärmeren Regionen teilen wollen. Evo Morales, erster indigener Präsident des Landes, möchte der indianischen Bevölkerung seines Landes aus der Armut helfen und stößt mit seinen Bemühungen natürlich beim Kapital an. Er bekommt nun reichlich Gegenwind und versucht, das Land trotzdem zusammenzuhalten. Es fand vor kurzem ein Referendum in der Provinz Santa Cruz im reichen Tiefland Boliviens statt, bei dem die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (bei einer Beteiligung von 64%) für eine weitgehende Autonomie von der Zentralregierung votierte. Morales befand das Referendum für verfassungswidrig und daher ohne Gültigkeit, es werden aber trotzdem in drei weiteren Provinzen Volksbefragungen erwartet, die den Präsidenten schon sehr in Bedrängnis bringen können. Es gab schon heftige Krawalle in der letzten Zeit, man weiß nicht, wie es weitergehen wird..
Auf uns machte Evo Morales einen angenehmen Eindruck, allerdings schien er mir, im Gegensatz zu seinem Innen(?)minister, der die Pressekonferenz weiterführte, als Morales schon gegangen war, weicher und etwas verunsichert. Ich hoffe, er scheitert nicht mit seinen Reformen, wie z.B. der Verstaatlichung der Gaspipelines. Man sagt hier, Bolivien sei der "Bettler auf dem goldenen Thron", weil das Land eigentlich sehr reich ist mit riesigen Gasvorkommen und anderen Bodenschätzen, trotzdem aber ein großer Teil der Bevölkerung sehr arm ist. Und wie wir hier in La Paz sehen können, gibt es auch eine Menge reicher und sehr reicher Leute, es liegt also auch hier an der Verteilung des vorhandenen Reichtums.
Zu der Thematik kann man zurzeit auch in der internationalen Presse einiges lesen, falls jemand Lust hat, sich weitergehend zu informieren.
Thomas und ich verbrachten den Nachmittag in der Stadt und ließen unser Visum verlängern (Migracion Calle Camacho, mit Kopien des Passes und des Einreisezettels für EU-Bürger eine Sache von fünf Minuten. Unsere Schweizer Freunde mussten dafür von einem Schalter zum anderen laufen, überall anstehen und zusätzlich noch 165 Bolis pro Nase (16€) bezahlen. Manchmal hat die EU doch Vorteile!
Allerdings erfuhren wir bei der Migracion, dass man dort die Aufenthaltsgenehmigung für die Motorräder nicht verlängern kann. Dazu müssten wir zur Zollbehörde gehen. Da diese nur ca. 20 Minuten Fußweg entfernt war, marschierten wir gleich dorthin. Leider ohne Erfolg, denn wir erfuhren, dass wir zur inneren Zollbehörde gehen müssen, die sich ganz woanders, in El Alto, befindet. Und da es nun schon fast vier Uhr nachmittags war und die Behörde um halb fünf Feierabend hat, konnten wir dieses Vorhaben für heute knicken und haben damit morgen noch mal Spaß.
Na ja, wir trieben uns noch ein Weilchen in der Stadt herum und fuhren dann mit einem alten Klapperbus nach Mallasa zurück.

Mittwoch, 04.06. - La Paz
Anstatt das Datum auf unseren Dokumenten für die zeitweise Einfuhr der Motorräder zu fälschen, wie wir kurzfristig erwogen hatten, machten wir heute doch den Ausflug nach El Alto zum Zoll. Da der Weg richtig weit ist nach dort oben (oberhalb 4000m), kostete das Taxi 70 Bolivianos und fuhr über eine halbe Stunde fast nur bergauf. Unterwegs hatten wir einen tollen Ausblick auf das Stadtgewimmel von La Paz und den alles überragenden Berg Illimani mit seinen 6439m.
Die Oberstadt El Alto ist die ärmere Gegend von La Paz, dort ist es staubig, müllig und wirkt sehr chaotisch, aufgrund der Höhe ist es wesentlich kühler als "unten" in der Stadt. Fast am Stadtrand liegt dort das Zollgelände, dort fragten wir nach der Vorgehensweise und wurden dann losgeschickt, im Kopierladen des Zolls eine "Nota" machen zu lassen. Ah ja...
Ein freundlicher Mensch rief dort ein vorbereitetes Worddokument auf und verbrachte viieel Zeit damit, in dieses Dokument meine und Jollys Daten einzufügen. Als er erleichtert das fertige Schreiben ausgedruckt und kopiert hatte, begriff er erst, dass wir noch ein Mopped haben und setzte sich seufzend noch einmal an den Rechner. Den genauen Sinn und Inhalt des Schreibens habe ich nicht begriffen, eine einfache Verlängerung auf unserem Einreisedokument mit Stempel und Unterschrift hätte es doch auch getan - aber warum einfach, wenn es auch kompliziert geht!
Mit den fertigen Schreiben mussten wir dann noch mal ins Hauptgebäude, wo jemand einen wichtigen Stempel unter den Text setzte. Listo! (fertig!)
Mit einem völlig überfüllten kleinen Colectivo fuhren wir wieder hinab in die Stadt - für 2 Bs pro Person, aßen zu Mittag und machten ein paar Besorgungen, bevor wir uns auf den Weg zur Hinrichtung meines Backenzahnes machten. Thomas begleitete mich freundlicherweise.
Dass wir aufgrund des dichten Verkehrs fast eine halbe Stunde zu spät zum Termin kamen, störte niemanden, schließlich sind wir in Südamerika. Dafür warteten wir halt auch noch geraume Zeit, bevor ich aufgerufen wurde.
Als ich eine Stunde später das Sprechzimmer mit einem blutigen Wattebällchen in der neu entstandenen Lücke verließ, hatte der nette Zahnarzt inzwischen schwer arbeiten müssen, um den sehr entzündungsgeschädigten Zahn in Einzelteilen aus seinem Platz herauszubohren und zu hebeln. Drei Mädels standen um mich herum und assistierten: eine hielt den Sauger, eine mit Leibeskräften meinen Unterkiefer, der sich anfühlte, als wolle er aus den Gelenken springen, die dritte reichte die Instrumente an. Ich bekam den zerlegten Übeltäter als Souvenir mit nach Hause und verzichtete für den Rest des Tages auf feste Nahrung.

Donnerstag, 05.06. - La Paz
Alles ist gut, nur wenig Wundschmerz störte die Nachtruhe, das Frühstück schmeckte schon wieder.
Bruno und Renate verließen heute unsere Hofrunde und machten sich auf zum Titicacasee übers Wochenende.
Wahrscheinlich werden wir zwei morgen mit Isa und Erwin ebenfalls einen Ausflug dorthin machen, Guido hat am Auto zu tun und ansonsten nun auch endlich die allgemeine Magenverstimmung bekommen, die, (außer mir!...) inzwischen alle irgendwie durchgemacht haben. Ich bin wahrscheinlich inzwischen so mit Antibiotika abgefüllt, dass keine Infektion eine Chance hat.

Freitag, 06.06. - von La Paz zum Titicacasee
Nach dem fälligen Kontrollbesuch beim Zahnarzt brachen wir zu viert aus dem "Oberland" auf und schraubten uns durch die Stadt empor nach El Alto. Dort war der Verkehr so dicht und chaotisch, dass wir zeitweise überhaupt nicht von der Stelle kamen. Im dichten Dieselqualm schoben wir uns zentimeterweise durch das Gewimmel, von ständigem Hupen ungeduldiger Verkehrsteilnehmer begleitet, die dadurch auch nicht schneller vom Fleck kamen.
Nach 40 gefahrenen Kilometern hatten wir endlich die Stadt und ihre endlosen Auswüchse hinter uns gelassen und fuhren mal wieder durchs kühle Altiplano. Auffällig war, dass die ganze Gegend sehr zersiedelt ist - alle hundert Meter ein Häuschen, ein kleines Feld, ein oder zwei Kühe oder Schafe. Hier leben wohl die vielen Frauen, die auf den Märkten von La Paz ihre paar Kartoffeln o. ä. verkaufen.
Bald sah man in der Ferne das Wasser des Titicacasees glitzern und wenig später fuhren wir am Ufer dieses höchsten schiffbaren Sees der Erde entlang. Seitdem Bolivien ein Binnenland ist, ist hier die Marine des Landes stationiert. Viele Fischer leben von den Forellen, die im See scheinbar noch ausreichend vorhanden sind. Ein paar Meter neben der Straße auf einer kargen, etwas vermüllten Wiese bauten wir das Nachtlager auf. Nach langem Suchen fand sich genügend Material für ein kleines Wärmefeuer. Das war nötig, denn es blies ein kalter Abendwind, der uns trotz des Feuers bald in die Schlafsäcke trieb.

Sonnabend, 07.06. - Copacabana
Morgens scheint die Sonne angenehm warm zum Frühstück, ein paar Fischerboote auf dem blauen See bilden die richtige Kulisse zum Tagesanfang.
Im weiteren Verlauf Richtung Copacabana steigt die Straße in Serpentinen an bis auf über 4000m, dort gibt es fantastische Blicke über den See bis zu den Schneebergen, fällt dann wieder ab nach San Pedro de Tiquina. An dieser schmalsten Stelle des Sees misst er nur 800m. Von dort fahren kleine Fährboote hinüber auf die Halbinsel, die zwar mit der peruanischen Seite verwachsen ist, aber trotzdem noch zu Bolivien gehört. Die hölzernen Pontonboote liegen dort in dichter Reihe am Hafen, man fährt über lose verlegte Bohlen, unter denen man das gezogene Wasser sieht, an Bord und nachher rückwärts wieder hinunter. Mit den schweren Motorrädern alleine nicht zu schaffen. Auf der Fähre unterhielten wir uns mit Alberto, einem freundlichen kolumbianischen Biker auf einer abenteuerlich bepackten Honda Falcon. Er war unterwegs nach Peru, machte viele Fotos von uns und den Motorrädern und schrieb uns dann seine Adresse in Bogotá auf, damit wir ihn besuchen können, wenn wir nach Kolumbien kommen. Er begleitete uns noch ein Weilchen und verabschiedete sich dann, um schneller vorwärts zu kommen, denn er muss bald wieder zuhause sein. Eine nette Bekanntschaft!
Auf der Halbinsel stieg die nagelneue breite Straße in schönen Schwüngen bis auf auf 4300m an, immer mit Ausblick über den in der Sonne glitzernden See, dessen gegenüberliegendes Ufer man nicht sehen konnte (8000qkm Fläche!). Nach 38km erreichten wir den Hauptort Copacabana, sehr touristisch, aber nicht unangenehm. Am Hafen reihte sich ein kleines Restaurant an das andere, überall wurde "trucha"(Forelle) angeboten. Für 18 Bolis (immer durch 10 teilen) bekamen wir ein brauchbares Fischgericht vorgesetzt, etwas fettig, aber lecker.
Vor den Läden standen jeweils Kinder mit einem Teller in der Hand zur Kundenwerbung. Auf den Tellern präsentierten sie ihre Fische, roh, versteht sich.
Nach dem Essen drehten wir noch eine kleine Besichtigungsrunde durch die engen Sträßchen des Ortes, wobei wir an der Plaza eine überraschend große, mit ihren runden, gekachelten Turmdächern fast maurisch erscheinende weiß getünchte Kirche entdeckten. Auf dem großen Vorplatz sammelten sich gerade die Menschen an, als wir neugierig dazu stießen, begann auf der Kirchentreppe eine volkstümliche Musiktruppe zu spielen. Mit großen Pauken, Panflöten und Gesang begleiteten sie einige tanzende Frauen in traditioneller Tracht.
Über eine feste Schotterpiste verließen wir den Ort an der Küste entlang, um uns einen Übernachtungsplatz zu suchen. Diesen fanden wir auf einem sonnigen Bergsattel mit Blick auf den See und die Isla del Sol, die wegen ihrer Ruinen eines Inkatempels eine besondere Attraktion der Gegend ist.
Kurz vor Sonnenuntergang spazierte ich auf einen nahe gelegenen Berg, von wo ich einen noch gewaltigeren Ausblick hatte: nach Westen über den See, nach Osten über die Hügel der Halbinsel mit vereinzelten Eukalyptusbäumen hinweg auf die Schneeberge (lauter 6000er, deren Namen ich mir nicht merken kann. Die Menge an hohen Bergen hier wird schon fast zur Gewohnheit...) in der Abendsonne. Dummerweise brachen die Batterien der kleinen Fotokamera nach wenigen Bildern zusammen, wie schade! In der Nacht war es, bis auf einen kurzen Anfall von heftigem Wind, der mich zum Abspannen des Zeltes aus dem warmen Schlafsack zwang, herrlich ruhig.

Sonntag, 08.06. - Am Titicacasee
Bei Sonnenaufgang stellten wir fest, dass wir auf einem Verkehrsknotenpunkt standen: lauter kleine Colectivobusse kamen hupend angefahren, um die verstreut in den Bergen wohnenden Menschen und ihre Waren einzusammeln. Aus allen Richtungen kamen sie gegangen, mit bepackten Eseln, Fahrrädern und Lamas. Die großen Bündel wurden in die Fahrzeuge verladen, die Tragetiere in der Gegend angepflockt.
Wir waren natürlich eine interessante Abwechslung für die Leute, doch traute sich niemand zu uns herüber. Erst, als Erwin und Isa mit Ricco auf einen Spaziergang unterwegs waren, kam ein Mann zum Smalltalk herüber geschlendert. Seine erste Frage war dann auch, wo denn der Hund sei und ob der beißen würde. Als ich ihn diesbezüglich beruhigt hatte, entspannte er sich, bewunderte Auto und Moppeds und fragte die üblichen Dinge.
Unser Konvoi machte sich wieder auf den Weg, zurück über Copacabana nach Tiquina zur Fähre. Auf dem Rückweg war der Ausblick noch schöner, weil die Berge nun vor uns über die Hügel schauten. Mit einer der abenteuerlichen Holzfähren, deren kleiner Außenbordmotor aus dem letzten Loch pfiff, ließen wir uns zurückschippern. Beim Abladen wurde Erwin vom Fährpersonal schlecht gelotst und steckte plötzlich mit einem Hinterrad zwischen den Holzbohlen fest. Zum Glück war der Abstand zum Boden nicht sehr groß und ließ sich durch ein paar Steine überbrücken.
Auf dem Parkplatz neben dem Fährhafen war was los: ein Schwimmwettbewerb über die Seeenge war kurz vor dem Start. Ca 30 Männer und Frauen, dick mit Vaseline eingefettet, standen frierend am Kai und warteten auf den Start.
Sie kletterten über den steinigen Strand ins kalte Wasser und tauchten keuchend ein. Als der Startpfiff erklang, kraulten sie los - bis auf einen, dem die Wassertemperatur den Mut genommen hatte und der ziemlich kleinlaut stehen blieb. Viele Boote begleiteten die Schwimmer, feuerten an und fischten die heraus, denen die 800m zu lang und das Wasser zu kalt wurden.
Als sich die Menge auflöste, fuhren auch wir weiter, ein ansprechendes Restaurant gegen den Mittagshunger zu suchen.
Doch vorher machten wir noch einen Besuch beim Schilfbootsbauer, an dem wir vorgestern vorbeigefahren waren. Ein großes neues Schilfboot stand dort auf einem Hof am Straßenrand. Als wir anhielten, kam sofort der Bootsbauer aus seinem Haus und erzählte seine Geschichte: sein Vater war der Erbauer der berühmt gewordenen Boote Ra ll und Kontiki, mit denen der Beweis erbracht wurde, dass diese Boote hochseetauglich sind (Kontiki fuhr über den Pazifik nach Hawaii, Ra ll über den Atlantik, siehe Thor Heyerdahl).
Als wir dann weiter fuhren, standen an der Straße viele heftig winkende Kinder, die uns auf diverse Restaurants aufmerksam machen wollten. Bei einem dieser Restaurants, vor dem ein zahnloser alter Mann mit einem blauen Stück Plastik winkte, hielten wir an und wurden sofort herzlich begrüßt. Ein livrierter Kellner lotste uns in einen großen leeren Speisesaal mit herrlichem Blick über den See, durch den Raum tönten amerikanische Swingklassiker. Das Essen war sehr gut und günstig: Chateaubriand mit Pommes und frischem Gemüse für knapp 3,50€, für Vegetarier gab es einen großen Gemüseteller für dasselbe Geld. Ein richtiges Sonntagsessen!
Gut gestärkt fuhren wir weiter. Auf der bolivianischen Seite des Sees kann man noch ein Stück Richtung Norden auf einer löcherigen Teerstraße fahren. Dort wollten wir uns einen Platz zum Übernachten suchen. In der kleinen Stadt Achacachi wurden wir von einem angetrunkenen Mann darauf hingewiesen, dass heute Feria (Markt) sei und wir eine Umleitung nehmen müssten. Jenseits der Stadt war ein kleiner Fluss, an dem ein paar Frauen ihre Wäsche wuschen. Unvorstellbar für uns, in dem kalten Wasser die gesamte Wäsche waschen zu müssen!
Leider führte die Straße nun weit vom See entfernt durch die Ebene, doch noch bevor wir beschlossen, umzukehren, fanden wir einen kleinen Weg, der hinter eine Hügelkette führte. Dort, direkt hinter dem breiten Schilfgürtel des Sees lagen ein paar kleine Ruderboote am Ufer, viele verschiedene Wasservögel dümpelten im flachen Wasser herum und wir konnten, gut vor Wind und Blicken geschützt, unser Lager aufschlagen. Bis zum letzten Sonnenstrahl hatten wir es schön warm, dann wurde es allerdings wieder kalt und wir verzogen uns zusammen ins Auto, wo wir den Abend mit Kartenspielen und dem Verzehr von etwas Whisky (als Vorbeugung gegen Montezumas Rache) verbrachten.

Montag, 09.06. - zurück nach La Paz
Die vielen Wasservögel mussten morgens unbedingt fotografiert und gefilmt werden. Dazu baute ich die Videokamera am Ufer auf. Zwei alte Männer, die in der Nähe ihren kleinen Acker bearbeiteten, kamen neugierig herbeigeschlendert und fragten, was ich da mache. Sie dachten, ich sei Landvermesserin, weil ich da mit dem Stativ herumhantierte und schauten dann sehr interessiert auf das Display der Kamera.
Dem einen kam die Idee, er könne irgendwie von meiner Anwesenheit profitieren und fragte nach einem Bild von der Kamera als "recuerdo" (Erinnerung). Ich konnte ihm nur schwer verständlich machen, dass ich die Bilder aus der Videokamera nicht einfach herausziehen kann. Er war sehr enttäuscht...
Nach knapp zwei Stunden Fahrt übers Altiplano waren wir wieder in der großen Stadt. Erfreulicherweise kamen wir durch El Alto heute ohne Stau oder andere Probleme durch, Erwin, der den Weg inzwischen kannte, fuhr voraus.
Der fällige Kontrollbesuch beim Zahnarzt wurde schnell auf dem "Heimweg" erledigt und dann waren wir wieder im "Oberland", wo sich der Campinghof inzwischen stark gefüllt hatte. Wir fanden gerade noch ein Plätzchen fürs Zelt. Abends kamen Cecilia und Markus, deren Fahrzeuge wir schon vorgefunden hatten.
Großes Geburtstagsfrühstück für Thomas, in der Sonne zwischen all den Reisemobilen hier auf dem Hof. Passenderweise kam dann Guidos Freund Sandro, der für fast alle hier Anwesenden wichtige Dinge im Flieger mitgebracht hattte und machte große Bescherung.
Der Plan für heute ist ein Ausflug auf den Gletscher Chacaltaya auf 5350m, der bis jetzt die Großstadt mit Trinkwasser versorgt, aber scheinbar rasant an Dimension verliert (seit 1850 verlor er etwa 85%!). Man vermutet, dass er in wenigen Jahrzehnten ganz verschwunden sein wird. Dann wird La Paz große Probleme bekommen. Wir versuchen, einen Transport zu organisieren, der unsere ganze Gruppe hin- und herbringt.



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