Südamerika Reiseberichte

Bolivien
 
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Sonnabend, 28.06. - Rurre
Heute faulenzen wir erstmal ein bisschen nach den "Strapazen" der letzten Tage ;-) Das sieht dann so aus, dass wir etliche Stunden im Internet zubringen, ziellos durch den Ort schlendern und am Fluss sitzen und "ein bisschen übers Wasser schauen". Und uns abends natürlich zum Essen in einem der vielen Restaurants fallen lassen. Wir haben inzwischen schon so einige ausprobiert, ein richtig gutes war noch nicht dabei. Meistens ist das Essen lauwarm, wenn es auf den Tisch kommt, das Fleisch zäh, der Pizzaboden dünn und hart und das Gemüse zu wenig. Aber dafür kostet es ja auch nur 2-3 Euro.

Sonntag, 29.06. - Rurre
Gestern Abend entdeckten wir auf dem Berg hinter dem Hotel ein großes angeleuchtetes Kreuz. Wir dachten uns, wo ein Kreuz steht, wird auch ein Weg hinauf führen und machten uns bei herrlichem Sonnenschein in der größten Mittagshitze (mal wieder typisch Touristen) auf den Weg zum Berg. Wir folgten der Wegbeschreibung unserer Hotelwirtin und fanden den Einstieg zum richtigen Weg doch nicht allein. Wir standen stattdessen bei ein paar Häuschen, bei denen der Weg augenscheinlich zu Ende war. Ein blondes Mädel kam aus einem der Häuschen heraus und bot auf Englisch an, uns das kurze Stück zum Anfang des richtigen Weges zu begleiten. Sie erzählte auf meine Frage hin, dass sie seit ein paar Monaten hier lebt, nachdem sie eigentlich nur für einen kurzen Urlaub hergekommen war. Scheinbar hat sie hier jemanden kennen gelernt und will mit ihm hier vom Kunsthandwerk leben. Es gibt in Rurre viele "Hängengebliebene". Kann ich gut nachvollziehen.
Aber weiter zu unserem Spaziergang. Ein schmaler Pfad schlängelte sich an ein paar Strohhütten mit aufgehängter bunter Wäsche in den Gärten entlang und dann fast senkrecht den Berg hinauf. Wir kamen schnell ins Schnaufen und Schwitzen und nutzten darum jede sich bietende Gelegenheit, stehen zu bleiben, den wachsenden Ausblick zu genießen und wieder auf halbwegs normale Körpertemperatur abzukühlen. Der meist sehr steile Weg führte über einen schmalen Grat immer weiter hinauf, meistens in der prallen Sonne, vorbei an bunten Blumen und anderen tropischen Pflanzen mit zum Teil sehr großen Blättern.
Nach einer, realistisch geschätzten, halben Stunde (gefühlte Zeit: ca. 2 Std...) erreichten wir unser Ziel und ernteten den Erfolg der Plackerei: einen herrlichen Blick über den Fluss Beni, der sich Richtung Nordwesten schlängelt. Zu unserer Rechten die grüne flache Pampa, die sich irgendwo im Dunst verliert, zur Linken die dicht bewaldeten Berge, die mich neugierig machen auf Urwaldmärsche.
Wir waren noch nicht lange auf dem Aussichtspunkt, wo man auf Bänken unter kleinen Palmdächern ausruhen und übers Land schauen kann, da kam ein junges Pärchen heraufgekeucht, offensichtlich auf der Suche nach ungestörter Zweisamkeit und etwas irritiert darüber, dass da schon jemand auf ihrem lauschigen Plätzchen saß.
Beim Abstieg einige Zeit später trafen wir allerdings noch mehr Menschen, die genauso verrückt waren wie wir und die Hitze des Sonntagnachmittags für eine körperliche Überforderung nutzen wollten. Eine Familie mit einer älteren Tante im Schlepptau kam uns entgegen, als wir schon fast wieder unten waren. Die Tante sah schon sehr angestrengt aus nach den ersten 50m, hoffentlich ist sie heil hoch und wieder hinunter gekommen! Thomas, der auf dem Hinweg meistens weit vor mir herumgesprungen war, bemerkte auf dem Weg hinab, dass ihm doch beim Abwärtssteigen die Knie Schmerzen bereiten. Also werden wir wohl doch nicht auf den Cerro Brujo steigen, sondern eine Dschungeltour ohne extreme Steigung suchen. Wir sind schon so ein paar Wracks: ich mit meinem Zahn und immer wieder Aua im Arm bei stärkerer Belastung, Thomas mit seinem Knie...
Abends stellte ich durch Zufall fest, dass mein Kettenritzel eigentlich nur noch als "Ninjastern" zu gebrauchen ist: die Zähne sind so abgenutzt und messerscharf, dass man von Glück sagen kann, dass ich bis hierher gekommen bin! Och nee, muss das jetzt sein?

Montag, 30.06. - Rurre
Also ist heute "Kettenritzeltag". Wenn ich irgendwo in erreichbarer Nähe Chancen habe, ein passendes Ritzel zu finden, dann hier. Leider haben wir in unserem reichhaltigen Werkzeug keinen 30er Schlüssel, um das Ritzel von der Antriebswelle zu lösen. Der muss als erstes herbeigeschafft werden.
Ich spaziere nach dem Frühstück durch die Stadt und frage mich von einer Werkstatt zur nächsten. Bald habe ich sicher schon drei bis vier Kilometer abgelaufen und zehn Leute vergeblich mit meinem Problem konfrontiert, bevor ich von einem alten Schweißer, der mich etwas zweifelnd beäugt ob meiner Aussage, dass ich selbst mit seinem Werkzeug zu arbeiten gedächte. Dann rückt er aber doch, gegen eine Sicherheitsleistung von 100 Bs, eine geflickte 30er Nuss nebst einem langen schweren Knebel heraus. Ich verspreche, beides bis mittags zurückzubringen und wandere mit meiner Beute und einer Blase am Fuß zurück zum Hotel. In zwei Minuten ist das Ritzel abgebaut und ich flitze, die knappe Zeit bis mittags nutzend, zum Moppedteileladen. Der freundliche Verkäufer sucht mit sicherem Griff das einzige suzukikompatible Ritzel aus seiner Sammlung heraus und reicht es mir zur Begutachtung. Es ähnelt dem Original durchaus, hat die richtige Anzahl von Zähnen, aber es fehlt etwas an Dicke. Das kann man mit einer Distanzscheibe ausgleichen, also nehme ich es für 35Bs mit zum Testen - es passt nicht auf die Welle, obwohl es theoretisch die gleiche Verzahnung und gleichen Durchmesser hat. Bei genauerer Betrachtung unter Zuhilfenahme einer Lupe finden sich kleine Ungenauigkeiten an den Zähnen, einfach schlecht gearbeitet. Auch nicht so schlimm, mit einer Feile ist dem wohl beizukommen... Die vorhandene Feile ist stumpf, darum laufe ich mal wieder los, eine neue zu kaufen. Muss sowieso das Werkzeug zurückbringen, da das Problem bis zum Mittag nicht zu lösen ist. Der Verleiher besinnt sich auf seinen Geschäftssinn und knöpft mir 10Bs Leihgebühr ab. Da der alte Mann ganz offensichtlich mit seiner Familie unter recht ärmlichen Bedingungen in dem Holzschuppen, der seine Werkstatt darstellt, zwischen Werkzeug und Metallresten haust, zahle ich die 10 Bs gerne.
Die Ferreteria hat zu, das mit der Feile muss bis nach der Mittagsstunde warten. Ich schleiche auf rund gelaufenen Füssen zurück und versuche weiter vergeblich, mit Thomas in Abwechslung, mit der stumpfen Feile etwas Material von den zu hohen Zähnen abzunehmen. Frust, aber noch gibt es die Hoffnung auf eine scharfe Feile.
Diese Hoffnung wurde nach der Wiedereröffnung der Ferreteria schnell zunichte, denn es gab zwar für 18Bs eine kleine Dreiecksfeile, diese war aber nach ein paar wenigen Strichen über den gehärteten Stahl ebenfalls am Ende ihrer Kapazität und gab auf. Ich ebenfalls. Jedenfalls vorläufig.
Mein lieber, niemals zu entmutigender, Reisebegleiter brachte die Idee auf, eine Dreherei zu suchen, die das Zuviel von den Zähnen abdrehen könnte. Erstmal wollte ich davon nichts hören, denn ich hatte keine Lust mehr, durch die Stadt zu laufen und Leute nach irgendwas zu fragen! Doch ein Weilchen später war ich immerhin wieder fähig, unsere Hotelwirtin nach einem Dreher zu fragen und siehe da: sie nannte mir einen Namen, Juan Chavez. Der sei der Beste in diesen Dingen. Nun musste ich nur noch herausfinden, wo er seine Dreherei hat. Ich fragte am Moppedtaxi-Stellplatz nach der Adresse und eh ich mich versah, saß ich in kurzer Hose und natürlich ohne Helm auf einem Moppedtaxi und wurde aus der Stadt hinaus zur Werkstatt des Juan Chavez gefahren. Diese Werkstatt bestand aus einer Drehbank und einem Schweißgerät unter einem offenen Palmdach, der Chef warf einen sachkundigen Blick auf meine beiden Ritzel und beschied dann, aus zweien eins machen zu wollen. Den Kern des einen und den äußeren Zahnkranz des anderen auszudrehen und beides zusammenzuschweißen. Das ganze solle 30 Bs kosten und bis morgen Mittag fertig sein, sagte er. Danach könne ich es in der Stadt bei seinem Wohnhaus abholen.
Wie schön schien auf einmal wieder die Sonne, als der Taxifahrer mich zurückfuhr! Alle Menschen sind nett, Probleme sind zum Lösen da!
Darauf haben wir uns ein gutes Abendessen verdient. Wir gingen mal wieder zu unserem Freund Carlos vom ersten Tag in Rurre und ich bestellte mir waghalsig ein Chateau-Briand für 30Bs. Ich erwartete nicht wirklich so etwas gutes, wie Erwin neulich am Titicacasee bekommen hatte, aber schauen wir mal. Thomas blieb bei der vegetarischen Pizza, die meist relativ lecker ist. Angenehm überrascht war ich, als Carlos nach einiger Zeit kam und fragte, wie ich das Fleisch wünsche - bien cocido oder medium? Nach weiterer Wartezeit kam er mit zwei Tellern an: auf dem einen lagen Pommes und Salat (ich hatte ausdrücklich gekochtes Gemüse bestellt), auf dem anderen war das Fleisch drapiert. Es handelte sich dabei um drei oder vier dünne Schichten zähester Kuh, zusammengesteckt mit Zahnstochern, um ein dickes Stück vorzutäuschen. Zwischen den Scheibchen Limonenscheiben, was soll das? Zum Glück konnte ich mir an dem Fleisch nicht den Mund verbrennen - es war fast komplett kalt, außerdem schlecht gewürzt. Ich war so überrumpelt von diesem Gourmetessen, dass ich es widerspruchslos unter heftigen Lachsalven aufaß. Eine kleine Hündin, die mir vertrauensvoll den Kopf aufs Knie legte, solange noch Essen auf meinem Teller zu riechen war, half mir bei der Verarbeitung der Schuhsohle.
Und selbst die vegetarische Pizza konnten sie hier verderben: sie schmeckte muffig, enthielt größere Mengen Sand und kurz nach dem Verzehr rannte Thomas nach Hause und aufs Klo, von dem er die ganze Nacht kaum runterkam. Soviel zu unserem Festschmaus.

Dienstag, 01.07. - Rurre
In der letzten Nacht war es mal wieder sehr laut in der Moskitobar und darum hatten wir morgens keine Lust, aufzustehen. Zum Glück gibt es um die Ecke den französischen Bäcker, der die leckersten Croissants der Welt backt. Die Bäckerei besteht aus einem Ziegelsteinofen auf einem Hinterhof und einer dunklen Ecke, in der die junge Bäckersfrau die frisch aus dem Ofen geholten Leckereien verkauft. Ein Croissant für 2 Bs, Sesambrötchen für 1, gute Vollkornbrötchen für 2, alles ausnehmend gut! Darum sind wir meist nach dem Frühstück so satt, dass wir uns am liebsten gleich wieder hinlegen würden. Aber es gibt ja zu tun. Wir räumen ein wenig herum und dann kann ich auch schon losgehen, das angepasste Ritzel abholen. Beim dritten Anlauf zum Haus des Señor Chavez bekomme ich das Ritzel ausgehändigt, es macht einen guten Eindruck. Stolz trage ich es zum Hotel und stelle bei der Anprobe fest, dass es nicht auf die Welle passt! Unter der Lupe sehe ich etliche kleine festgebrannte Schweissperlen, die auf dem inneren Zahnkranz für das Problem verantwortlich zeichnen. Wie gut, dass wir eine Feile haben! Nach einer Viertelstunde sind alle störenden Teile abgeschliffen, das Ritzel passt wieder satt-saugend auf die Welle - alles wird gut. Wieder eine Viertelstunde Weg zum Werkzeugverleiher, die 30er Nuss besorgen, (Viertelstunde Weg zurück) diese eine Minute lang zum Einsatz gebracht und wieder zurückgebracht (nochmal eine halbe Stunde laufen und weitere 10Bs Leihgebühr abdrücken).
Jolly steht nun wieder abfahrbereit im Hotelgarten und scharrt mit den Reifen, wir können weiter planen.
Diese ganze und andere, ähnliche Geschichten in ihrer Ausführlichkeit erzähle ich als Beispiele für den Aufwand, den es in diesen Ländern bedeutet, notwendige Dinge zu organisieren. Wir sind in Mitteleuropa so sehr daran gewöhnt, alles nur Erdenkliche per Mausklick oder schlimmstenfalls durch einen Gang durch die gut sortierten Geschäfte mit relativ gut informiertem Fachpersonal heranzuschaffen, dass der Umgang mit solchen ganz anderen Zuständen erst gelernt werden muss. Viele gesellschaftlich erlernte Hürden, wie die Scheu vor hartnäckigem Nachfragen bei möglichst vielen Menschen, müssen übersprungen werden, um zu einem irgendwie gearteten Erfolg zu gelangen.
Diese Unterschiede im südamerikanischen Leben zu unserer gewohnten Umgangsweise sind mir, momentan speziell durch das Lesen eines interessanten Buches (Egon Schwarz "Unfreiwillige Wanderjahre", Auf der Flucht vor Hitler durch drei Kontinente, beck'sche Reihe, ISBN 3-406-52836-8) deutlich geworden. Ich möchte dieses Buch, das mir hier in Rurre ausgeliehen wurde, sehr zur Lektüre empfehlen. Es beschreibt sehr eindrucksvoll den Lebenslauf eines halbwüchsigen Österreichischen Jungen, den die Machtübernahme Hitlers in Wien mitsamt seiner Familie in ein völlig anderes Leben in Südamerika schleuderte. Sehr gut nachvollziehbar stellt er die neue Lebensumwelt in ihrer Fremdheit dar und erzählt auch viele geschichtliche Einzelheiten Boliviens, Chiles und Ecuadors, aber später auch der USA, wo er sein späteres Leben und eine Universitätsausbildung verbrachte. Sehr genau und mit menschlichem Mitgefühl beobachtet hat er es nicht nötig, Schuldzuweisungen zu verteilen.
In der Hängematte im grünen Garten liegend, habe ich dieses Buch verschlungen und möchte es euch nun nicht vorenthalten!

Mittwoch, 02.07. - Rurre
Internetarbeit und Planung einer Reittour für morgen füllten den heutigen Tag. Die Rechner sind leider alle so langsam, dass das Hochladen von Fotos ewig lange braucht und manchmal gar nicht funktioniert. Aber, damit alle, die so fleißig mitreisen, endlich auch mal ein paar aktuelle Bilder anschauen können, haben wir nun eine Möglichkeit gefunden, wie dies möglich wird. Am Ende dieses Newsletters findet ihr einen Link, der euch dorthin führt, wo eine Auswahl der aktuellen Fotos abzurufen sind.
Unseren letzten Tag in Rurre, denn wir wollen tatsächlich weiterfahren, wollen wir zu Pferd verbringen. Dies haben wir nun auch geregelt. Für 200 Bs pro Kopf werden wir morgen für einige Stunden in den Dschungel reiten.
Am späten Nachmittag trafen wir unseren Pampaguide Bismark im Dorf: er war heute von der zweiten Tour zurückgekehrt und saß an der Straße, als wir mal wieder irgendwohin unterwegs waren. Etwas später begegneten wir ihm wieder und kamen ins Gespräch, was schließlich dazu führte, dass wir erst gemeinsam zum Hotel spazierten, weil er die Motorräder gerne mal sehen wollte und dann ergab es sich, dass wir ihn zum Essen einluden. Dies hatten wir schon nach der Tour sowieso vorgehabt, wo es aber wegen seiner Anschlusstour nicht klappe konnte. Nun konnten wir das nachholen und saßen lange zusammen. Ich quetschte ihn nach den Lebensumständen hier aus und er zählte auch von sich aus eine ganze Menge interessanter Dinge. Später saßen wir noch zusammen am PC und zeigten ihm Bilder von Schleswig-Holstein während der Rapsblüte und anderes von zuhause. Richtig nett!

Donnerstag, 03.07. - Rurre
Relativ früh weckerte der Klingel und erinnerte uns an den gebuchten Ausritt. Um halb neun fanden wir uns bei Donatos Büro ein und wurden von ihm und einem herbeigeholten Moppedtaxi aus dem Ort hinaus und zu unseren Pferdchen gebracht. Die standen schon halb gesattelt im Schatten, zwei kleine schmale braune und eine etwas größere falbe Stute warteten etwas lustlos auf die Dinge, die ihnen heute widerfahren würden. Nach europäischen Regeln völlig verkehrt wurden sie reitfertig gemacht: die Sättel werden hier mit einem ziemlich mittig über die rundeste Stelle des Bauches gespannt, die Trensen mit ungebrochenen Mundstücken mit kurzen Hebeln passten nur sehr leidlich (mein Stütchen hatte z.B. den ganzen Ritt über ihren Nasenriemen vor den Nüstern hängen). Aber nach einer Weile waren alle Pferde doch fertig "angezogen" und wir ritten los. Thomas' falbe Stute brachte noch ihren halbwüchsigen Sohn mit: er mochte nicht bei den anderen Pferden im Dorf bleiben und trödelte die ganze Strecke frei hinter uns her.
Über ein paar schmale Trampelpfade verließen wir die Siedlung und kamen auf eine breite Piste, die von einer zweiten, ebenso breiten Piste gekreuzt wurde. Doch erst, als uns ein Fluglotse heftig winkend zum Anhalten bewegen wollte, sahen wir, dass wir uns auf dem lokalen Flugplatz befanden und gerade ein Flugzeug auf der schotterigen Bahn zur Landung ansetzte. Okay, Flugzeuge haben Vorfahrt vor kleinen Pferden, also warteten wir, bis das zweimotorige Passagierflugzeug in seiner Staubwolke fast verschwindend, an uns vorbei und sicher gelandet war. Die Pferde störte der große Vogel und sein Lärm nicht, sie kennen den Flugbetrieb wohl.
Weiter ging's über die Landstraße und an ein paar Häusern vorbei Richtung Wald, in den wir irgendwann einbogen. Mein Pferd ging am liebsten vorne, dann schritt sie eifriger und guckte wacher in die Gegend. Allerdings versuchte sie einige Male, in kleine Seitenwege abzubiegen, in die ich nicht hinein wollte. Wir hatten daher einige Diskussionen miteinander. Sie erwies sich als die Klügere von uns beiden, gab nach und für den Rest unseres gemeinsamen Daseins akzeptierte sie meine Vorschläge zu Richtung und Tempo.
Im Dschungel war es sehr still, die Luft feucht und warm, von den großen Blättern am Wegesrand tropfte es ab und zu. Nur ein paar Grillen waren zu hören und dann und wann ein einzelner Vogel, ansonsten waren die trippelnden Hufe auf dem weichen Pfad die einzigen Geräusche. Wir kamen an großblättrigen Pflanzen mit knallroten Blüten vorbei, an dünnen Bäumen, die ihre Wurzeln aus zwei Metern Höhe zeltartig in den Boden streckten und an großen dicken Bäumen mit riesigen Brettwurzeln. Von einigen, vor langer Zeit gefällten Urwaldriesen sahen wir die vermodernden Stümpfe im Unterholz liegen, sie überragten unsere Kopfhöhe, auf den Pferden sitzend, zum Teil erheblich! Das müssen riesige Bäume gewesen sein!
Irgendwo endete der Weg, ein paar Bäume lagen quer und wir mussten umkehren, da ich dummerweise keine Motorsäge im Handgepäck hatte. Mit schmerzendem Hinterteil stiegen wir bei der Rückkehr von den Pferden. Mein Stütchen wurde am Dorfeingang herzlich wiehernd von ihrem freilaufenden Saugfohlen überfallen und zum sofortigen Stillen seines Hungers herangezogen. Thomas und ich quetschten uns zu zweit auf ein daherkommendes Motortaxi, das uns zum Touristenpreis wieder in den Ort brachte. Etwas früher als geplant ließen wir uns absetzen, denn wir wussten nicht, wohin mit unseren Beinen und konnten diese irgendwann nicht mehr hochhalten. Lieber gingen wir den Rest des Weges zu Fuß und sortierten dabei unsere Knochen.
Eine kalte Dusche weckte die Lebensgeister wieder und die letzte Pizza in Rurrenabaque füllte am Abend gut die Mägen.
Eine letzte Runde durchs Dorf mit einigen Besuchen bei unseren inzwischen geschlossenen Bekanntschaften hinterließ das Gefühl, schon irgendwie heimisch zu sein an diesem schönen Ort. Morgen geht es also dann weiter zu neuen Orten - schön, aber irgendwie auch schade...



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