Südamerika Reiseberichte

Brasilien
 
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Freitag, 11.07. - Cobija
Das von den Polizisten an der Kontrollstation vor der Stadt empfohlene Hotel war leider ausgebucht. Schade, denn es gibt dort einen Pool. Das zweite Hotel hatte ein Zimmer für uns, statt der angekündigten Klimaanlage nur einen Miefquirl, aber das reichte uns auch. Herrlich war es, unter der kühlen Dusche den Schweiß und Staub der letzten Tage abzuspülen! Am hoteleigenen, langsamen Internetrechner konnten wir zumindest die inzwischen aufgelaufene Post beantworten und abends auf einem ersten Spaziergang an einem Imbiss ein einfaches warmes Essen kaufen.
Was diese Stadt ausmacht, ist die zollfreie Einkaufsmöglichkeit für brasilianische Grenzgänger. In Scharen kommen sie her und kaufen elektronische Geräte etc. ein. Auf der Straße wird viel Portugiesisch gesprochen und der einzige funktionierende Geldautomat der Stadt kann dem Geldbedarf der Einkäufer nicht nachkommen. Ich fühlte mich sehr an Flensburg und die dort Sprit einkaufende Dänen erinnert. Das gesamte Zentrum der Stadt besteht aus Läden, die eigentlich alle die gleichen Dinge verkaufen: Schnaps, Elektronik, Kinderspielzeug, Uhren, Kitsch, Klamotten. Auf der anderen Seite des durch die Stadt fließenden Flusses ist schon Brasilien. Es gibt eine Grenzstation, aber man muss nicht an ihr vorbei. Man kann zwischen den beiden Stadtteilen frei pendeln und auf beiden Seiten einkaufen. Im brasilianischen Teil gibt es viele Läden für Wandfarben und einige Supermärkte bieten Waren an, die es in Bolivien nur selten gibt.

Sonnabend, 12.07. - Über die Grenze nach Brasilien
Heute klappte nichts einfach so! Dreimal lief ich morgens umsonst zum Bankautomaten, der immer leer gelutscht war und kein Geld ausspucken konnte. Zwischendurch wollte ich Trinkwasser kaufen und fand keinen Laden dafür. Als ich endlich einen solchen gefunden hatte, schleppte ich das Wasser in einer Plastiktüte (die mir unterwegs riss und die Flaschen über den Boden kullern ließ) quer durch die Stadt.
Als wir schließlich losfahren konnten, gab es an den Tankstellen kein Benzin. Nur direkt an der Grenzstation gab es welches. Das sah man daran, dass sich eine Schlange aus sicher 50 Motortaxis die Straße entlang wand, die alle an die Zapfsäule wollten. Ein Grenzbeamter wollte uns helfen und diskutierte mit den Soldaten an der Tankstelle (die Tankstellen werden hier von der Armee überwacht, um den Schwarzmarkt in Grenzen zu halten), dass wir prioritär abgefertigt werden müssten, weil wir von weit her kämen und über die Grenze wollten. Die Soldaten ließen sich überzeugen und wir bekamen vor allen anderen, die aber trotzdem freundlich nach unserem Woher und Wohin fragten, unsere Tanks gefüllt. Glück gehabt!
Die Ausreise aus Bolivien war in 10 Minuten erledigt und wir konnten die Einreise nach Brasilien starten. Das erwies sich als deutlich zeitraubender. Erstens hatte der Zoll Mittagspause. Zweitens war Wochenende und viele Brasilianer hatten die freie Zeit für einen zollfreien Einkauf in Cobija genutzt. All die Waren müssen registriert werden, so standen viele Leute vor mir, die alle ihre Kartons mit Radiorecordern und Mikrowellengeräten neben sich stehen hatten. Ein Mann hatte die Rolle des Koordinators übernommen und verteilte handgeschriebene Zettelchen mit Nummern. Meine war die 42.
Als die Mittagspause zu Ende ging, formierte sich eine lange Schlange der Wartenden in der prallen Sonne. Nach einer Stunde kam ein Zollbeamter an der Warteschlange vorbei und erzählte mir, wir müssten unbedingt erst zur Policia Federal und unsere Einreisestempel holen und danach mit Kopien aller unserer Papiere zurückkommen (und uns wieder hinten in die Schlange stellen!). Die Policia Federal wohnt am anderen Ende der Stadt...
Kopien macht man irgendwo in einer Farmacia, wo genau, konnte er uns nicht sagen. Um meine geplagten Leser nicht zu lange mit den Einzelheiten aufzuhalten, nur soviel: es dauerte vier Stunden, bis unsere Einreise in trockenen Tüchern war und wir fahren konnten (Näheres zur Grenzzeremonie in Thomas' Fahrtenbuch).
Komplett durchgeschwitzt und erledigt, raus aus der Stadt und einen Schlafplatz suchen. Als erstes fragten wir bei einem Motel, ob wir auf dem Grundstück zelten dürften - das ging nicht. Also weiter. Nach 25km stellten wir fest, dass wir in der falschen Richtung unterwegs waren und drehten um. Die Sonne sank schnell, wir brauchten dringend einen Zeltplatz. Der Grenzbeamte hatte gesagt, es wäre wohl möglich, frei zu zelten, aber wir sollten dann sehr aufpassen, dass uns niemand folgt, denn es gäbe in Brasilien Leute, die anderen Leuten Dinge wegnehmen wollen. So, in etwa, sagte er.
Dies beachtend, bogen wir in einen Sandweg ab, der von der Hauptstraße abzweigte und folgten ihm ein Stück. Dann sahen wir ein relativ neues Schutzdach auf einer Wiese mit Bäumen stehen, unter dem Dach hingen einige Hängematten und es stand dort ein kleines Zelt. Ich stoppte spontan und fragte eine jüngere Frau, die glücklicherweise Spanisch sprach, ob es möglich sei, hier zu übernachten. Sie bejahte ohne Zögern und erzählte, dies sei ein Zentrum der spirituellen Erholung und Heilung. Sie kämen aus Bolivien und hätten heute Abend, wie an jedem Sonnabend, eine Zusammenkunft, zu der wir auch herzlich eingeladen seien. Na, so ein Zufall. Wir durften unter den Bäumen unser Zelt aufbauen und alsbald gab es ein warmes Abendessen, zu dem wir ebenfalls eingeladen wurden. Thomas aß nur etwas Reis, legte sich dann gleich ab, so schlapp fühlte er sich. Da bahnt sich was an...
Abends hielten unsere Gastgeber eine Versammlung ab, in der viel gesungen und eine spezielle pflanzliche Medizin, Daime genannt, getrunken wurde. Von den erstaunlichen Heilerfahrungen mit dieser Medizin hatten sie uns vorher schon viel erzählt, nun durften wir sie selbst ausprobieren. Es schmeckte ungewohnt und sehr eigen, aber nicht unangenehm. Mit großem religiösem Ernst bekamen wir den Gemeinschaftsbecher überreicht, dann bekam Thomas eine Hängematte zugeteilt und durfte sich in der Nähe der Gemeinschaft ausruhen. Stunden vergingen, in denen die Mitglieder der Gruppe mit rhythmischer Unterstützung durch eine Rassel abwechselnd aus einem Liederheft vorsangen, mehr oder weniger musikalisch, aber sehr ausdauernd. Irgendwann waren alle so müde, dass der Abend beendet wurde und jeder sich in seine Hängematte oder in sein Zelt zurückzog.

Sonntag, 13.07. - nahe Brasilea
In der Nacht hörten wir das laute Schnarchen unserer freundlichen Gastgeber, die unter dem Schutzdach in ihren Hängematten schliefen. Thomas fühlte sich morgens etwas besser, aber am Vormittag stieg das Fieber auf fast 39 Grad. Wir werden wohl heute nicht weiterfahren, stattdessen evtl. morgen einen Arzt aufsuchen.
Zum gemeinsamen Frühstück gab es Reis, Nudeln, gekochte braune Bohnen und etwas Leber - ach ja, und ein paar kleine Fischchen aus dem nahen Bach, danach verteilten sich alle Anwesenden auf verschiedene Arbeiten. Die Männer holten Wasser vom Bach, Frauen und Kinder gossen die Heilpflanzen, die überall auf dem Grundstück stehen. Mein Angebot, dabei mitzuhelfen, wurde gerne angenommen. Zwischendurch wurde pausiert und süßer Tee aus Lemongrass getrunken. Dann werkelten die Männer an einem hölzernen Neubau, in den ein ständiger Bewohner einziehen soll, der dann die Pflanzen auch in der Woche hüten und begießen kann.
So verging der Vormittag und wieder gab es eine warme Mahlzeit. Danach fingen alle außer uns an zu packen, denn am Nachmittag wollten sie wieder nach Hause. Wir bekamen die herzliche Genehmigung, hier bleiben zu können, so lange wir wollen bzw. aus gesundheitlichen Gründen müssen.
Inzwischen ist es Abend geworden und wir sind allein. Wir haben das Schutzdach in Beschlag genommen, das Zelt steht darunter, die Motorräder in der Nähe. Ein vielstimmiges Grillenzirpen, ein paar Frösche, sonst herrscht Ruhe. Leider ist das Fieber weiter gestiegen, Thomas kann kaum aufstehen und wir wissen nicht, was mit ihm los ist. Vielleicht eine Nierenbeckenentzündung, die Symptome weisen auf so etwas hin. Wir werden wohl mal die Reiseapotheke in Betrieb nehmen.

Montag, 14.07. - Ruhetag
Das Fieber ist nach einem Kügelchen Belladonna aus der homöopathischen Reiseapotheke gesunken und Thomas fühlt sich heute etwas besser. Immerhin liest er wieder und hängt nicht im halben Dämmerschlaf in der Hängematte. Mir ist etwas langweilig und ich würde gerne bald weiterfahren, aber daran ist heute auf jeden Fall noch nicht zu denken. Stattdessen gieße ich die Heilpflanzen, sammele Brennholz für die Küche, damit die lieben Leute am kommenden Wochenende für ihre Geburtstagsparty genug vorfinden und bringe den Katadynfilter zum Einsatz. Bisher hatten wir immer genug Flaschenwasser und haben ihn darum nicht gebraucht, aber hier geht es uns allmählich zur Neige. Um nicht extra losfahren zu müssen, filtere ich lieber das Wasser des Baches - für einen 2,5l Kanister Trinkwasser brauche ich ca. 15 Minuten, allerdings ist das Pumpen sehr kräftezehrend. Auf dem Land hier steht ein Baum, der voller sehr saftiger orangener Zitronen hängt (sehen aus wie Mandarinen, sind aber sauer). Mit dem gefilterten Wasser und etwas Zucker gibt es eine leckere Limonade.
So vertrödeln wir den Tag, bei knapp 30°C im Schatten... Irgendwann höre ich lautes Rascheln von Schritten im Laub in der Nähe: ein großer weißer Zebubulle schaut vorbei, lässt sich durch unsere Anwesenheit aber nicht aus der Ruhe bringen. Kurz vor Sonnenuntergang spaziere ich zu der kleinen Badestelle am Bach und genieße die Abkühlung der Naturdusche. Die Badestellen bestehen hier meist aus ein paar Brettern, die über dem Wasser ein Viereck bilden. Da stellt man sich nackig in die Landschaft und spült sich ab. An dieser speziellen Badestelle stehen ein paar kleine Palmen, die vom Abendsonnenschein vergoldet werden, während ich herumplantsche.

Dienstag, 15.07. - Rekonvaleszenz...
Allmählich kehren Thomas' Lebensgeister zurück, aber er hat noch Temperatur und ist sehr schwach. Wir warten noch etwas, bevor wir losfahren. Zum Glück habe ich ein dickes Buch (Dan Brown,"Illuminati", sehr spannend!) zu lesen: bis abends habe ich fast 700 Seiten verschlungen. Ein leichter Wind kühlt uns etwas, mittags fallen ein paar dicke Regentropfen auf unser Dach. Ein metallicgrüner Kolibri brummt ab und zu vorbei und nascht an den Hibiscusblüten in der Nähe. Zum Abendessen brate ich uns in der einfachen Küche auf dem gemauerten Herd ein paar Nudeln, dazu gibt's etwas Käse und Ketchup - unsere Vorräte gehen zur Neige. Aber immerhin kann Thomas wieder ein bisschen essen, es geht bergauf.
Wie gut, dass wir mal wieder den richtigen Ort zum richtigen Zeitpunkt gefunden haben - oder er uns. So ruhig gelegen, mit dem Dach über dem Kopf, der geliehenen Hängematte, dem nahen Bach, dem Zitronenbaum und der Küche, die wir nutzen dürfen, absolut perfekt für diese erzwungene Genesungspause. Ob die Medizin nun geholfen hat oder nicht, wissen wir nicht, aber der Name des Ortes: "Zentrum für spirituelle Erholung" passt für uns zweifellos.

Mittwoch, 16.07. - ein letzter Ruhetag..
Beim Frühstück manschen wir uns das völlig geschmacksfreie und trockene weiße Brotsurrogat mit etwas Kakao, Milchpulver und heißem Wasser zu einem Brei zusammen. Das schmeckt zwar auch nicht viel besser, aber es rutscht immerhin leichter den Hals hinab, als trocken.
Vorgestern habe ich unsere letzten gekochten Eier das Fliegen gelehrt: sie waren leider schlecht geworden. Wahrscheinlich waren sie es schon, als ich sie gekauft habe, denn bisher konnten wir gekochte Eier ohne Probleme ein paar Tage mitführen, ohne dass sie verdarben. Die Margarine war schon mehrmals flüssig im Koffer, wird auch nicht leckerer davon. Passt perfekt zum Carokaffee mit Trockenmilch, die sich gerne am Grund der Tasse im Klumpen versammelt, um den letzten Schluck zu einem besonderen Erlebnis zu machen. So beschränkt sich die morgendliche Nahrungsaufnahme darauf, dem Körper etwas Energie zuzuführen, ein Genuss ist das nicht. Ich sehne mich nach einem "richtigen" Frühstück!
Ein großes Eichhörnchen klettert in der Nähe von einem Baum herunter und schaut uns neugierig an. Interessant, was hier so kreucht und fleucht! Hinter meinem Motorrad habe ich vorgestern aus Versehen einen Termitentunnel zertreten, der wie eine kleine Erdwurst über dem Boden gebaut war. Innerhalb von zwei Tagen intensiver Arbeit, die wir interessiert mit der Lupe beobachteten, haben die wuselnden Tierchen das Loch wieder geflickt - zu dumm, dass ich heute nochmal draufgetreten bin! Die müssen ja jetzt völlig frustriert sein, es tut mir leid!
Da Thomas nun mal ein echter Warmduscher ist, haben wir ihm heute Wasser für den Duschsack heiß gemacht. Beim Aufhängen rutschte der Sack ab und entleerte das ganze Wasser über uns beide! Also nochmal: Wasser holen, Feuer machen, warten, umfüllen, aufhängen. Beim zweiten Mal kriegen wir es besser hin und Thomas kann genüsslich heiß duschen. Ich hab es lieber kühl und wasche mich und die Wäsche an der Badestelle. Dort hocke ich nackt in der heißen Sonne am Bach, schrubbe die Wäsche und mich selbst und fühle mich wie eine Eingeborene.
Da wir nun endgültig beschlossen haben, morgen weiterzufahren, bereiten wir heute alles schon soweit vor, dass es morgen auch bald nach dem Frühstücksbrei (buahh) losgehen kann.
Die letzte Nacht auf diesem schönen Platz ist etwas unruhig: der Vollmond macht viel Licht und viele Tiere nutzen die helle Nacht. Verschiedene Hunde kommen vorbei und schauen sich bei uns um, Eulen und andere Nachtvögel flattern herum und erzählen sich was und auch die Rinder in der Umgebung brüllen heute mehr als sonst. Als ich gerade durch das Mückengitter aus dem Zelt schaue, sehe ich vorne am Überzelt ein paar lange Spinnenbeine um die Ecke tasten. Wie gut, dass das Zelt so dicht schließt und keine Vogel- oder andere Spinne zu uns rein kann!

Donnerstag, 17.07. - Iberia (Peru)
Nach letzten Vorbereitungen machten wir uns am Vormittag wieder auf die Socken. Füllten in Brasilea die Küchenvorräte auf und richteten die Motorräder Richtung Westen, der Teerstraße nach. Ungefähr 110km Brasilien lagen vor uns. Grünes hügeliges Weideland mit kleinen Seen und vielen Palmen lag beidseits der gut ausgebauten und ausgeschilderten Straße, sehr bequemes Fahren. Ein großer Schwarm dicker unbekannter Insekten knallte uns gegen die Helme und Windschutzscheiben, als wir in Villa Assis für die Ausreise aus Braslilien anhielten, fielen uns die Viecher überall aus den Klamotten. In allen Ritzen der Motorräder hingen sie fest und zirpten verzweifelt, scheinbar eine Art Zikaden?
Die brasilianischen Grenzbeamten hatten herrlich kühl klimatisierte Amtszimmer, da war ich doch mal froh, dass ich die Beauftragte für derlei Dinge bin. Es wurde viel in den Rechner eingetippt und wieder mussten wir viele sinnlose, aber wichtige Formulare unterschreiben, aber es gab keine Probleme. Dann suchten wir die peruanische Grenze und folgten den großen Straßenschildern, die uns erstmal in die Irre führten. Nachdem wir mehrere Leute gefragt hatten, glaubten wir deren Aussage mehr als den Straßenschildern und kamen richtig nach Iñapari, der ersten Ortschaft auf peruanischem Boden. Einen Grenzposten fanden wir dort erstmal nicht. Wieder großes Herumfragen nach der Migrationsbehörde, die scheinbar nicht gefunden werden will: ein unscheinbares Haus ohne offizielles Outfit, Flaggen, Schilder oder Ähnlichem an einer schlechten sandigen Nebenstraße. Dafür ging der Papierkram dort recht flott und wir suchten als nächstes eine Geldwechselstube auf (ziemlich schlechte Kurse, aber in Grenzen verhandelbar), tauschten dort unsere letzten Bolivianos und Reales in peruanische Soles ein. Die Dollars behielten wir erstmal in der Tasche, vielleicht gibt es in Puerto Maldonado bessere Kurse.
Am Ortsausgang wartete noch der Zoll auf uns, wieder waren Kopien fällig, die Thomas schlauerweise neulich gleich doppelt hat machen lassen. Da aber leider auch von dem heutigen Einreisepapier eine Kopie nötig war, musste er trotzdem nochmal zurückfahren und einen Kopierer suchen. Diese leidigen Grenzen, wie einfach wäre das Leben ohne sie!
So, und nun stehen wir mal wieder in einem noch unbekannten Land, es ist schon später Nachmittag und wir brauchen einen Schlafplatz. Da man uns über Peru so viele Dinge erzählt hat, wie z.B. von Überfällen auf Freicamper in der Nacht etc. und wir das Land selbst noch nicht einschätzen können, beschließen wir, erstmal im Hotel zu übernachten. Die nächste Stadt, Iberia, liegt in knapp 60km Entfernung, dort wollen wir es versuchen. Die Carretera Oceanica, die einstmals den Kontinent komplett geteert durchkreuzen soll, ist hier schon fertig, wir kommen gut voran und erreichen Iberia noch vor Sonnenuntergang.
Eine saubere und günstige Hospedaje mit einem freien Zimmer für uns ist schnell gefunden, nur wie kriegen wir die Motorräder hinter Schloss und Riegel? Ein zu schmaler Gang neben dem Haus wird uns angeboten, das wird nix. Da hat der Besitzer die Idee, die Moppeds in den Gastraum zu fahren. Der wird nachts abgeschlossen, sagt er. Und da stehen sie nun auf gefliestem Boden, mit Zeitungspapier unterm Seitenständer und unter den manchmal tropfenden Ketten. Vorsichtshalber haben wir alles abgebaut, was ohne Weiteres abzubauen geht und hoffen nun, dass wir morgen noch alles so vorfinden, wie wir es hinterlassen haben.

Freitag, 18.07. - Puerto Maldonado
Mein erster Gang heute Morgen führte mich zu den friedlich schlafenden Motorrädern, alles noch dran.
Recht früh für unsere Verhältnisse kamen wir aus Iberia los, nach einem spartanischen Frühstück auf dem Bett und einem Smalltalk mit ein paar Waldarbeitern, die ebenfalls in der Hospedaje übernachtet haben. Vor dem Haus stand ein großer Truck mit Teilen eines gefällten Urwaldriesen auf dem Auflieger...
Die ersten 90km durften wir noch über den Asphalt gleiten, dann begann eine viele Kilometer lange Baustelle der besagten Carretera del Pacifico. Mit hunderten von Arbeitern und vielen großen Maschinen wird dort an der baldigen Fertigstellung der Strecke gearbeitet. Die vielen Stopps und Umleitungen von einer auf die andere Seite der Straße waren nicht weiter schlimm, man konnte überall auf festgefahrener Erde gut fahren. Und da die Straße ständig feucht gehalten wird durch große Wassersprengwagen (neben denen manchmal begeistert ein paar Kinder herliefen, die sich über die Dusche freuten) staubte es nicht einmal.
Erst 30km vor Puerto Maldonado wurde es richtig nervig, weil die breite Straße mit viel losem Kies bedeckt war, fürchterlich anstrengend zu fahren. Dazu fuhren die Autos hier besonders schnell und rücksichtslos. Die Steine spritzten nur so. Hinter einer Kurve lag ein Moped auf der Seite, ein angetrunkener Mann versuchte, es in Gang zu bringen, es fehlte eindeutig an Sprit im Vergaser, was aber scheinbar an einem verdreckten Benzinfilter lag. Trotzdem zapften wir ihm etwas Sprit aus Fosters Tank, damit er jedenfalls genug hätte und fuhren dann weiter. Das angebotene Katzenfell als Dankeschön lehnte ich dankend ab.
Als wir in der erstaunlich großen Stadt ankamen, war ich unter meiner Montur klitschnass. Wir erreichten den Fluss "Madre de Dios", dem wir neulich in Bolivien schon begegnet waren und fuhren einen steilen Hang hinab zu einer kleinen Fähre. Die Fährleute wollten pro Mopped 10 Soles von uns, ließen sich dann auf 7 herunterhandeln. Unterwegs fiel uns dann ein Tarifzettel ins Auge, der an die Bordwand gepinnt war. Darauf stand 2,5 Soles pro Mopped... So ein Halunke, wollte er uns doch einen Touristenpreis abknöpfen. Als ich ihm mit einem Augenzwinkern die 5 Soles in die Hand drückte, war er sehr enttäuscht und protestierte halbherzig, aber konnte dem Hinweis auf die geschriebenen Tarife nichts Richtiges entgegensetzen. Man kann es ja mal versuchen...
Wir fanden mit Hilfe eines Mototaxifahrers ein gutes Hotel, wo die Moppeds mit in den hoch umzäunten Hof hinein durften. Unser Zimmer liegt dicht dabei und morgen gibt es ein Frühstücksbüfett, alles ist gut. Schnell unter die kalte Dusche!! Ein gemütlicher Spaziergang mit anschließendem richtig leckerem und sogar heiß serviertem Essen im Restaurant unseres Hotels taten gut nach der anstrengenden Fahrt. Ebenso wie einen Abend lang vor der Glotze abhängen...
Puerto Maldonado ist als Ausgangspunkt für Touren in den Dschungel beliebt, darum gibt es eine gewisse touristische Infrastruktur, wie Internetcafes, Restaurants und Souvenirläden. Diese überwiegen aber bisher noch nicht im Stadtbild und wir sahen auch nur wenige Touristen. Straßenkarten von Peru verkauft hier niemand. Unsere Frage danach stieß durchweg auf Erstaunen und Ratlosigkeit.

Sonnabend, 19.07. - von Puerto Maldonado nach Mazuco
Schon vor sechs Uhr morgens waren wir wach, mussten noch ein Weilchen im Bett bleiben, weil es fürs Frühstücksbüfett noch zu früh war. Aber dann! So ein gutes Frühstück hatten wir schon lange nicht mehr! Richtiger Kaffee, sogar mit heißer Milch! Frische Brötchen mit Butter, Marmelade oder frischem Rührei, Aguacate mit kleinen Käseempanadas, frische Früchte, Kuchen, Saft - wow, mein Wunsch (siehe vor ein paar Tagen) wurde gehört! Wir schlugen uns hemmungslos und genüsslich die Mägen voll, bereit für den Tag!
Das nun auf unserer Karte eingezeichnete Stück Teer war leider viel zu kurz, schon bald eierten wir wieder über staubige Schotterpiste mit viel zu viel losem Kies und zu schnellen Autos. Man wird von hinten kurz angehupt und dann rauschen sie vorbei, dass die Steine nur so fliegen. Nach den ersten 30km hätte ich mich am liebsten zum Sterben irgendwo an den Straßenrand gelegt, so müde war ich auf diese uneffektive Piste. Zum Glück wurde der Untergrund irgendwann fester und der Verkehr weniger, so kamen wir endlich etwas besser voran. Trotzdem waren wir um vier Uhr nachmittags noch über 40km von unserem Etappenziel Mazuco entfernt (insgesamt waren es 175km heute) und kamen nur mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 30km/h vorwärts.
In dem kleinen Ort Santa Rosa gab es kein freies Hostalzimmer mehr, noch 30km bis Mazuco, mal wieder ein Wettlauf mit dem Sonnenuntergang. Und nun begannen die Kurven, wir haben die ersten Berge erreicht. Und hier wird gerade massiv an der neuen Straße gearbeitet. Riesige Mengen von Erde werden hier nachts bewegt, dann wird die Straße gesperrt, bis morgens muss sie wieder einigermaßen befahrbar sein. Auch jetzt war sie nur einigermaßen befahrbar: weiche Erde war über den Tag von den Trucks in tiefe Rillen zerfahren worden, durch die wir uns mühsam bergauf und bergab arbeiteten. Dabei mussten wir oft in den noch weicheren Straßenrand ausweichen, wenn nämlich LKW von vorn angekrochen kamen, die die gesamte Spur benötigten. Als wir über den Pass des Berges kamen, war die Sonne im Untergehen begriffen und tauchte den Urwald in Gold. Viel zu schön hier, um so in Eile vorbeizufahren.
Für die letzten 15km wendete sich unser Glück noch einmal, ein Stück schon fertiger Teerstraße brachte uns noch vor Einbruch der Dunkelheit in das turbulente, laute Städtchen Mazuco. An der Straße fand sich schnell ein Hostal mit freiem Zimmer, die Motorräder konnten mit rein in den Eingangsraum und wir hatten Feierabend.
Dieses Hostal ist allerdings ein Abenteuer für sich: auf dem Hof, an dem auch unser Zimmer liegt, hingen große Mengen Wäsche auf vielen Leinen, ein großer Dieselgenerator lärmte, um Strom für die Nacht zu produzieren. Das Zimmer ausreichend und recht sauber, mal wieder fehlen jegliche Aufhängemöglichkeiten für unsere nass geschwitzten Moppedsachen, die inzwischen einen dermaßen intensiven Geruch bekommen haben, dass mir morgens beim Anziehen schon bald schlecht wird. In Cusco werde ich sie gründlich waschen, bis dahin werden sie abends auf links gedreht und über Nacht getrocknet, so gut es geht. Schön ist das nicht!
Auf dem besagten Hof begegnete mir ein rattengroßer Schatten, zu schnell zum genauen Identifizieren. Wie gut, dass unser Zimmer eine gut schließende Tür hat - wobei das Fenster im Bad ein kaputtes Mückengitter als einzige Sicherung hat und die Badezimmertür 10cm über dem Boden endet...
Unser Abendbrot bestand aus einer frischen Bananenmilch und einem leckeren Stück Schokoladenkuchen, gemixt bzw. gebacken von der Hostalwirtin. Mehr brauchen wir heute nicht, ab zu Bett. Über unseren Köpfen, direkt auf der dünnen Sperrholzdecke, toben die Ratten herum, man kann sie durch die Ritzen fast sehen.
In der Nacht gibt es einen heftigen Regenguss mit Donner und Blitz, auf dem Blechdach hört es sich an, als wolle die Welt untergehen. Wie gut, in einem wie auch immer gearteten Haus im Trockenen zu sein!

Sonntag, 20.07. - von Mazuco nach Quincemil
Dieser Ort hat seinen Namen von der jährlichen Regenmenge: 15000mm regnet es hier, damit sei es der Ort mit der zweithöchsten Regenmenge weltweit, wurde mir erzählt. Nach drei Stunden abenteuerlicher Fahrt durch die Berge, davon gleich mehr, sind wir hier eingetroffen und fanden im Hostal Municipal für uns und die Motorräder eine Herberge. Der Standard der Unterbringung sinkt, der Preis auch: das Zimmer, im 1.Stock an einem Laubengang mit schöner Aussicht über die kleine Plaza, wurde lange nicht geputzt, die sanitären Anlagen auf dem Hinterhof spotten jeder Beschreibung. Aber dafür haben wir auch nur 7 Soles (1€ entspricht in etwa 4,5 Soles) pro Person bezahlt, plus 5 Soles für die Unterbringung der Moppeds im Flur des Amtsgebäudes gleich nebenan.
Die gefahrene Strecke fing mal wieder ganz harmlos an, ein paar Kilometer Teer zum Warmwerden sozusagen. Dann ging es in endlosen Kurven durch die Berge, den nächtlichen Regen sah man der Straße noch sehr an - so staubte es jedenfalls nicht so. Lange Strecken mit Baustellen boten viele Überraschungen, es war von allem was dabei. Irgendwann standen wir an einem ca. 20 Meter breiten Fluss, der sich mit einiger Strömung über die Schotterpiste wälzte, Schockschwerenot! Einige LKW holperten hindurch, sehr tief war das Wasser nicht, aber der Grund schien recht geröllig. Ein Moppedfahrer vor uns fuhr ohne Schuhe an der schmalsten Stelle hindurch, hatte arge Probleme, weil dort viele große Steine und viel Strömung lauerten. Wir beschlossen, lieber der Fahrspur der Trucks zu folgen. Ich fuhr zuerst, Thomas machte den Kameramann, auf dem Sprung, mir zu helfen, wenn ich umkippen sollte. Das passierte zum Glück nicht, es ging zwar recht tief ins Wasser, aber Jolly hielt gut die Spur und ich war mächtig stolz auf uns beide! Thomas kam problemlos nach, weiter ging es.
Ein Stück weiter dasselbe Spiel nochmal, etwas kürzer, aber dafür tiefer. Mit etwas Gewackel kamen wir beide relativ trocken hindurch.
Die dritte Flussdurchfahrt war dann richtig lang und ging auch noch leicht um die Kurve, da mochte ich nicht mehr so hineinfahren. Dicke Steine und ein paar tiefe Stellen waren mir zu riskant. Darum zog ich meine Fahrsachen aus, meine Badeschuhe an und ging erstmal zu Fuß hinein, die Lage zu peilen. Dann beschloss ich, Jolly lieber mit Thomas' Hilfe hindurch zu schieben. Leider war auf einmal so viel Verkehr, dass wir richtig in Stress kamen, die Moppeds aus der schmalen Fahrspur zu bringen, bevor sie von einem Bus platt gefahren würden. Nun stand Jolly schon bis zu den Radnaben im Wasser und wir mussten Foster erstmal rüberbringen. Wir hatten beide mit unseren Badelatschen wenig Halt auf den rutschigen Steinen, ich versuchte von hinten zu sichern, so holperten wir langsam auf die andere Seite. Unfallfrei! Mit Jolly hinterher, geschafft. Eine Frau in einem Taxi, das arge Schwierigkeiten hatte, die steile Auffahrt jenseits des Flusses hinauf zu fahren, sagte, dieses sei die letzte breite Furt gewesen. Na hoffentlich!
Und tatsächlich lief es nun problemlos weiter, es war zwar immer noch hinter fast jeder Kurve Wasser auf der Straße, aber meist waren es nur kleine Bäche, die höchstens 3-4 Meter breit waren und die wir schon gar nicht mehr ernst nehmen konnten. Nun hatten wir Zeit, den feuchten Bergwald mit seinen bunten Blumen und Schmetterlingen zu genießen. Wieder einmal sahen wir einzelne der handgroßen metallicblauen Schmetterlinge. Leider sind diese ganz besonders unentschlossen, wenn es um den richtigen Platz zum Landen geht. Thomas versuchte lange, ein brauchbares Foto zu schießen, aber das Tierchen gaukelte nur langsam in der Gegend herum und wollte sich nirgends hinsetzen. Also kein vernünftiges Foto..
Erst kurz vor unserem Tagesziel Quincemil gab es noch einmal eine richtige Herausforderung. Ca. 40m, große Steine und eine harmlos erscheinende Einfahrt. Ohne mir lange den Kopf zu zerbrechen fuhr ich hinein und war auf einmal mitten im Fluss zwischen den Steinen im tiefen Wasser am Schlingern. Ein paarmal dachte ich, das wär's nun gewesen und sah mich schon mit vollen Klamotten im Wasser liegen, aber irgendwie ging es doch noch weiter und ich kam mit einer Ladung Wasser in den Schuhen auf der anderen Seite an. Thomas versuchte es auf der anderen Seite der Furt, wurde von einem drängelnden LKW in der Furt (!) überholt und steckte plötzlich fest, das Hinterrad drehte an einer tiefen Stelle durch, er kam allein nicht weiter. Um ihm zu helfen, sprang ich nun doch mit Hose und Schuhen ins Wasser, räumte mit den bisher noch trockenen Handschuhen ein paar große Felsen aus dem Weg und dann schoben wir, mit einem Truckfahrer zur Hilfe, den schweren Foster aus dem knietiefen Wasser. Ein paar Männer, die den Fluss zum Baden nutzten und eingeseift in der Nähe standen, amüsierten sich köstlich über unsere Aktion.
Nur eben das Wasser aus den Stiefeln schütten, ist eh alles egal, und weiter. Bis nach Quincemil waren es nur noch ein paar Minuten, die drohend über uns hängende Regenwolke konnte uns nicht mehr erreichen. So blieben wir jedenfalls von oben trocken. Nach 71km haben wir das Gefühl, einen strammen Arbeitstag hinter uns zu haben...
Hier erfuhren wir nun, dass der Pass, über den wir eigentlich morgen fahren wollten, wegen Bauarbeiten von morgens um sechs bis abends um sechs geschlossen ist. Also müssten wir hier um drei Uhr morgens losfahren, um rechtzeitig dort zu sein! Auf dieser Piste, mit weiteren Wasserdurchfahrten, auch noch im Dunklen unterwegs sein und die schöne Landschaft nicht sehen? Das passt nicht! So habe ich weiter geforscht und erfahren, dass wir auch direkt in dem Ort, wo die Sperrung anfängt, nächtigen können und von dort morgens um halb sechs starten für die Passüberfahrt. Um halb sechs ist es hier schon hell. Vielleicht ist von dort die restliche Strecke bis Cuzco an einem Tag zu schaffen - das klingt schon besser.

Montag, 21.07. - Quincemil bis Marcapata (3073m)
Abends und in der Nacht regnete es fast ununterbrochen wie aus Eimern. Als wir morgens früh aufstanden, schüttete es immer noch. Wir überlegten schon, ob es überhaupt möglich sei, weiter zu fahren, aber dann lichteten sich die Wolken und es wurde trockener.
Beim Frühstück auf dem Bett klopfte ein Mann an unsere Tür, der uns in sein Haus zum Frühstück einladen wollte. Schade, etwas zu spät. Er wollte offensichtlich mit jemandem reden, der nicht von hier stammt. Er ist italienisch-spanischer Abstammung, in Lima geboren und wohnt nun hier in Quincemil, was ihn aber anscheinend nicht glücklich macht. Ein intelligenter und frustrierter Mann, der soviel zu erzählen hatte, dass ich kaum hinterher kam. Er lud uns ein, in seinem Haus zu übernachten, dort klassische Musik nach Wunsch zu hören und was wir uns sonst noch wünschen könnten. Nun haben wir uns aber in Cusco verabredet und wollen gerne bald dort sein, darum waren wir etwas unentschlossen. Als dann die Sonne rauskam und die Straße trocknete, entschieden wir uns gegen eine Verzögerung und fuhren ab.
Und nun liegt eine kurze und schöne Tour hinter uns. Erst fuhren wir noch durch den Dschungel, auf etwas matschiger Piste, die aber kaum aufgeweicht war. Die diversen Wasserdurchfahrten waren zum Teil recht lang, aber relativ unproblematisch. Man kriegt allmählich Routine. Nach 30km war die Straße staubtrocken, hier ist von dem Regen, der in Quincemil so ausgiebig aus den Wolken fiel, nicht ein Tropfen angekommen, seltsam! Auf den letzten 15 der heute zu fahrenden 70km ging es in Serpentinen steil bergan, die Haarnadelkurven waren von den vielen Trucks, die sich hier entlang quälen, sehr zerfahren, ansonsten war der Weg easy to ride durch schöne Gegend. Die Bäume wurden allmählich weniger, die Felsen mehr, einige große rote Blumen (Amaryllis?) leuchteten am Wegesrand zwischen den staubigen Blättern hervor. Wir hatten keine Eile und machten viele Fotostopps.
Als wir in dem Bergstädtchen Marcapata ankamen, wurde ich gleich von zwei freundlichen Polizisten angesprochen, die uns rieten, in dem Dorf Aguas Calientes, 1km vor Marcapata, bei dem dortigen Hotel nach einem Zimmer zu fragen. In Marcapata selbst laufen Vorbereitungen für eine große Feria auf Hochtouren und alle Hostalzimmer seien belegt, meinte der Polizist. Für unsere Weiterfahrt morgen holte er gleich die nötigen Informationen ein: um 9 Uhr können wir die Sperre passieren, also brauchen wir nicht mal besonders früh aufstehen, so ein Glück.
Wir suchten und fanden das besagte Hostal, was gleichzeitig die Thermalbäder beherbergt. Die Motorräder müssen heute draussen bleiben, denn es geht viele Stufen hinauf. Der Hostalwirt meint aber, es gäbe kein Problem. Na, hoffen wir's Beste! Wir haben alles abgebaut, was abzubauen geht und die beiden kuschelig zusammengeschlossen.
Der fantastische Ausblick über einen rauschenden Fluss und das dazugehörige Tal entschädigt für mangelnden Komfort und ein lange nicht gefegtes Zimmer. Das Thermalbad macht einen sehr zweifelhaften Eindruck, ich weiß noch nicht, ob ich mich ins Wasser trauen kann, ohne mir irgend etwas einzufangen. Schön warm ist es allerdings und wird offensichtlich von der lokalen Bevölkerung fleißig genutzt. Es wird wohl für die allermeisten die einzige Möglichkeit für ein warmes Bad sein. Die ganze Anlage ist in einem nicht direkt gepflegten, aber auch nicht völlig verwahrlosten Zustand. So lebt man hier eben.
Später fassten wir uns doch ein Herz und nutzten das heiße Wasser für ein entspannendes Bad, Wenn man sich danach gut abduscht, sollte es wohl gehen..

Dienstag, 22.07. - von Marcapata nach Cusco
Früh morgens schälten wir uns unter den schweren Wolldecken hervor und packten nach einem Minimalfrühstück unser Geraffel zusammen. Pünktlich um Viertel vor neun standen wir an der Straßensperre, um neun wurde geöffnet und wir konnten fahren. Leider hatte sich ein Bus vorgedrängelt, hinter dessen Auspuff wir nun lange Zeit herfahren mussten. Im Baustellenbereich hätten wir sonst viel schneller fahren können. Hinter der Baustelle allerdings rasten die Busse dermaßen schnell den Pass hinauf, dass wir froh waren, als sie vor uns verschwunden und wir noch am Leben waren.
In endlos erscheinenden Serpentinen ging es bis auf fast 4800m hoch, auf steiniger Piste mit so engen Kurven, dass diese von den Trucks und Bussen völlig zerfahren waren. Wunderschöne karge Berglandschaft mit schneebedeckten Gipfeln, zu unserer Linken erhob sich der über 6200m hohe Ausangate, erfreute die Augen. Nun, nach fünf Wochen Dschungel und Pampa können wir die Schönheit der Anden wieder richtig wahrnehmen und würdigen. Ein paar kurze Fotopausen auf dem kalten und windigen Pass waren die einzigen Unterbrechungen unserer Fahrt, denn wir waren ziemlich duselig von der Höhe und wollten schnell wieder etwas weiter runter.
Auf der anderen Seite des Passes sahen wir eine blaue Lagune unterhalb des schwindelerregenden Steilhanges, kleine Steinhäuser mit steinernen Wällen drum herum boten ebenfalls genügend Fotomotive. Nach 60 heftigen Pistenkilometern erreichten wir nach ca. zweieinhalb Stunden den schon fertigen Abschnitt der neuen Straße und waren überglücklich, den nagelneuen glatten Teer unter den Rädern zu spüren. Noch 110km bis Cusco. Seit langer Zeit die ersten Eukalyptusbäume, karge Weiden, geschwungene Hügel auf 3500m Höhe und Kurven, die tatsächlich als Kurven gefahren werden konnten, Urlaub für die Globusbiker.
Noch über einen Pass von 4189m kurvten wir, dann ging es hinunter in ein Tal, an dessen Ende wir am Nachmittag Cusco erreichten. Wie üblich sind die Vorstädte laut und abgasverseucht, geradeaus kamen wir in das historische Zentrum der Stadt, das auf den ersten Blick einen sehr angenehmen Eindruck hinterließ. Etwas orientierungslos fuhren wir durch schmale Gassen mit schöner Pflasterung und fanden bald die Plaza de Armas, das Zentrum des Tourismus in dieser sehr beliebten alten Stadt. Von dort aus fanden wir ohne Probleme zu unserem Ziel, dem Campingplatz Quintalala, etwas über der Stadt gelegen und von einem freundlich-offenen holländischen Paar, Gonna und Helmie geleitet.
Auf der grünen Wiese stand das Auto von Erwin und Isabella, die mal wieder schneller waren als wir, aber auch den kürzeren Weg von La Paz am Titicacasee entlang gefahren sind. Noch zwei weitere Paare trafen wir hier, abends gab es viel zu erzählen.

Mittwoch, 23.07. - Cusco
Die Nächte sind kalt hier oben auf knapp 3600m. Morgens hatten wir ein weißes Zelt vom Rauhreif. Nach nächtlichen 28-30°C in den tropischen Regionen müssen wir uns wieder umstellen und die Wolldecke über die Schlafsäcke breiten.
Zum Glück hat Quintalala einen beheizbaren Aufenthaltsraum mit Küche und warmer Dusche, so können wir trotz der Kälte gemütlich frühstücken. Sobald die Sonne scheint, wird es angenehm warm, aber jede Wolke lässt die Lufttemperatur sofort empfindlich sinken.
Für heute hatten wir auf dem Zettel stehen, unser Paket aus Deutschland abzuholen und unsere leer gefutterten Lebensmittel aufzufüllen. Das Paket bekamen wir nicht, weil der DHL-Mensch nicht gewillt war, uns weiterzuhelfen, da wir seiner Meinung nach eine ungültige Paketnummer angegeben hatten. So könne er nicht herausfinden, wo das Paket sei. Toll! Auf Verdacht gingen wir zur staatlichen Post und siehe da: in einem Buch der eingegangenen Pakete fand sich das Gesuchte. Leider war die Ausgabe schon geschlossen, also morgen früh um 8:30. Hmmm...
Erfolgreicher war der Einkauf im großen Megamarkt, wo wir seit langem mal wieder nach Herzenslust "shoppen" konnten. Außer der beliebten Nougatcreme und natürlich Vollkornbrot gab es alle Leckereien, nach denen es uns nach Wochen der sehr einfachen Ernährung verlangte. Für abends hatten wir ein gemeinsames Grillen verabredet, was mit einigen Flaschen Rotwein und vielen Geschichten bis in den späten Abend ging. Das so genannte Rinderfilet war zwar zäh wie Leder, aber sonst war alles gut.

Donnerstag, 24.07. - Cusco
Wir erleben hier mal wieder ein Husarenstück südamerikanischer Bürokratie: unser Paket mit Ersatzteilen konnte uns heute Morgen nicht etwa einfach ausgehändigt werden. Wir sollten stattdessen über 500USD Einfuhrzoll bezahlen! Unser Protest, wir würden den Inhalt doch sowieso wieder mit aus dem Land hinaus nehmen, brachte nur insofern Erfolg, als dass wir in dem Fall nur eine temporäre Einfuhr der Dinge vornehmen und dafür den Einfuhrzoll "nur" als Sicherheit hinterlegen müssten. Ob wir den dann tatsächlich bei der Ausreise aus Peru wiederbekommen würden, erscheint fraglich. Wir wurden zu einem Zollbroker geschickt, der die entsprechenden Papiere regeln sollte. Dort saßen wir lange Zeit, während er auf seinem Monitor irgendwelche Informationen sammelte. Dann wollte er beim Zoll anrufen, um zu klären, wie der Vorgang weitergehen sollte und bekam den gewünschten Gesprächspartner nicht an die Strippe. Wir wurden gebeten, später wiederzukommen.
Nach einer Stunde und einem Cafe con leche saßen wir wieder in seinem Büro und trugen dem Broker eine neue Idee vor: da die Dinge im Paket ja allesamt Ersatz für Ähnliches in unserem Equipment darstellen, könnten wir die alten Teile ja zurückschicken und die neuen demnach nur als Austausch deklarieren. Der Broker fand diese Idee gut und meinte, er wolle dem Zoll dies vorschlagen. Wenn es dort akzeptiert würde, bräuchten wir nur beim Zoll eine "Propina", zu Deutsch: Bestechungsgeld zahlen (wieso eigentlich?) und könnten unser Paket abholen. Da sowohl die Post als auch der Zoll bis nachmittags um zwei geschlossen haben, konnten wir weiter erstmal nichts tun und fuhren "heim".

Etwas frustriert warten wir nun, wie es weiter geht.

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