Dies wird wohl der letzte Bericht aus Ecuador sein, denn in den nächsten Tagen fahren wir über die kolumbianische Grenze.
Leider gab es in der letzten Woche (u. a.) unangenehme Erfahrungen zu machen, wobei ich nicht so weit gehen würde, damit das sehr schöne Land Ecuador als solches zu belasten. Vielleicht hatten wir in den anderen
Ländern bisher nur mehr Glück oder hier halt etwas mehr Pech - mir hat es hier trotzdem ausnehmend gut gefallen! Thomas ist dazu anderer Ansicht, nachzulesen in seinem Fahrtenbuch.
Montag, 22.09. - Cuenca
Heute wurden wir in den Club der "In Südamerika Beklauten" aufgenommen: Thomas saß im Internetcafe und bearbeitete Fotos, als er von links von einem Mann angesprochen wurde. Im selben Moment zockte sich ein Komplize
den kleinen Rucksack, der rechts neben ihm auf dem Boden stand und verschwand damit. Als Thomas sah, was passiert war und hinterher rannte,
war der Dieb natürlich über alle Berge...
Die Polizei bedauerte den Vorfall, machte uns aber keine Hoffnung, die gute Kamera mit dem neuen
teuren Objektiv (heul!) und den kleinen Jornada Computer, der für unsere ganzen Daten so wichtig war incl. Speicherkarte, jemals wieder zu sehen. So
ein Mist, der älteste Trick, auf den wir immer vorbereitet waren, und doch funktioniert er! Das ist ein ziemlicher Schlag für unsere
Reisekasse, wenn wir die Kamera ersetzen wollen, um weiterhin gute Fotos zu machen.
Beim Aufsetzen der Anzeige erfuhren wir, dass es der 76. Fall dieser Art des Jahres sei...
Der Tag war ziemlich überschattet von dieser Geschichte.
Dienstag, 23.09. - Cuenca
Der nächste Tag war ebenfalls mit der Nachbearbeitung des Diebstahls gut
gefüllt: lauter Telefonate und E-Mails mussten erledigt werden, um alle
Konten und Kreditkarten zu sichern. Zum Trost setzten wir uns
nachmittags ins gepflegte Cafe Austria, wo es guten Käsekuchen und
Filterkaffee gab, dazu einen "Spiegel" (erst einen Monat alt) und gute
Jazzmusik aus den Lautsprechern. Das Cafe wird von einem Österreicher
geführt und hat einen guten Ruf wegen seines Ambientes und des guten
Kuchens (auch Sachertorte und Apfelstrudel gibt es dort!)
Gegen Abend wollten wir dann mal einen Supermarkt aufsuchen, um das
Angebot an Vollkornbrot etc. zu testen. Glücklicherweise wollte unser
Hotelier im selben Moment nach Hause fahren und nahm uns in seinem alten
Jeep mit durch die Stadt.
Unterwegs erzählte er, dass er das Hostal erst vor einem Jahr gekauft
hat. Es sei sehr heruntergekommen gewesen und er sei nun dabei, es
wieder zu renovieren. Nun bringe es schon Geld ein und er verwendet
etwas davon, um arme Kinder mit einer warmen Mahlzeit zu versorgen. 20
Kids kommen jeden Mittag und werden in einem speziellen Speisesaal (in
dem unsere Motorräder die letzten drei Tage verbracht haben) verköstigt.
In einem Nebenraum hat jedes Kind ein kleines Fach, in dem Seife und
Zahnputzzeug stehen! Die einzige Bedingung für die Verköstigung ist,
dass die Kinder zur Schule gehen. Das ist doch mal ein schönes privates
Engagement!
Mittwoch, 24.09. - von Cuenca nach Zhud
Ein gutes Frühstück, ein letzter Blick ins Internet wegen der Sicherung
der Bankdaten und dann fädelten wir uns bei schönem Sonnenschein aus der
Stadt. Die Strecke nach Norden mag wohl landschaftlich recht schön sein,
aber für unseren Geschmack war dort erstens viel zu viel
Schwerlastverkehr, der uns den Atem nahm und zweitens ist die ganze
Gegend zersiedelt.
Am Stadtrand von Cuenca fuhren wir an vielen
Luxusvillen mit großen Gärten und glänzenden Dächern vorbei - hier gibt
es richtig reiche Leute!
In der Stadt Biblian verloren wir dann Thomas
irgendwo aus den Augen. Carola und ich dachten, er wäre vor uns und
gaben Gas, holten ihn aber nicht ein. Nach 40km stoppten wir an einem
Cafe und warteten ein Weilchen. Als er nicht kam, fuhr ich die 40km
wieder zurück. Nichts. Niemand hatte ein großes blaues Motorrad gesehen.
Nun war ich doch etwas in Sorge und fuhr die Strecke zum dritten Mal ab,
mir alle möglichen Szenarien vorstellend. 10km vor dem Punkt, an dem ich
Carola verlassen hatte, kam Thomas mir dann entgegen: er hatte uns in
Biblian aus den Augen verloren, war umgekehrt und dann müssen wir uns in
der Stadt irgendwie verpasst haben. Zu allem Überfluss hatte er dann
unterwegs schon wieder einen platten Reifen (warum, ließ sich nicht mehr
feststellen, nachdem er auf der Felge ins nächste Dorf gerollert war:
der Schlauch war inzwischen völlig kaputt) und musste sich Hilfe für die
Reparatur suchen. Der Kompressor und der Hinterachsschlüssel fahren zur
Zeit bei mir mit, weil Jollys Vorderreifen etwas Luft verliert. Ich muss
dann wohl währenddessen an der Werkstatt vorbeigerauscht sein, in der
Foster verarztet wurde. Nach zwei Stunden hatten wir uns alle
wieder gefunden und konnten weiter.
Der Tag war inzwischen schon fast
rum. Es fehlten noch 20km bis zum Abzweiger, an dem Carola zur Küste
abbiegen will. Wir überlegten uns, dort nach einem Hostal zu suchen und
uns erst morgen früh zu trennen. Dummerweise kam auf dieser letzten
Strecke so dichter Nebel auf, dass wir kaum die Häuser am Straßenrand
sehen konnten. Da just dort auch noch Baustelle war und man den Zustand
der Straße erst im letzten Moment erkennen konnte (zu allem Überfluss
scheinbar nur für uns, denn es kamen uns auf unserer Seite noch
überholende LKW entgegen) wurde es richtig stressig.
Wir fragten immer
wieder nach einer Hospedaje und alle nickten freundlich: es sei nur noch
1km, oder: gleich da vorne. Trotzdem suchten wir noch etliche Zeit, bis
wir tatsächlich eine kleine einfache Herberge mit Cabañas fanden. Die
Motorräder müssen heute mal draußen im Nieselregen stehen, es ist kühl
in unserem Zimmerchen unter dem nackten Eternitdach, aber wir sind
immerhin im Trockenen und kriegen nachher auch noch was Warmes in den
Magen.
Donnerstag, 25.09. - von Zhud nach Baños
Morgens verabschiedeten wir uns kurz und schmerzlos von Carola, die nun
erstmal Richtung Küste weiterfährt und machten uns selbst auf den Weg
nach Riobamba. Der Himmel war blank geputzt und wir konnten nun erst
sehen, wie nett die Gegend ist, in der wir gestern Abend gestrandet
waren.
Bei erträglichen Temperaturen und unterschiedlicher Bewölkung genossen
wir die grünen, meist landwirtschaftlich genutzten Berglandschaften. Die
Straße war gut und schwang sich in vielen Kurven gen Norden. Manchmal
schauten wir von oben auf eine Wolkendecke, die sich nur in einem Tal
festgesetzt hatte: im nächsten Tal schien die Sonne, keine Wolke weit
und breit!
In Riobamba, Hauptstadt der Provinz Chimborazo, auf 2750m Höhe zwischen
den ecuadorianischen Schneebergen Chimborazo (6310m), Tungururahua
(5016m, aktiv, letzter größerer Ausbruch mit Ascheauswurf 1999, dauernde
leichte Aktivität), Altar (5319m), Carihayrazo und Sangay gelegen,
ließen wir uns von zwei freundlichen Motorradpolizisten im
verkehrsreichen Zentrum zu einem "Moto Repuesto" -Laden führen. Dort
konnte Thomas endlich einen passenden neuen Hinterreifen kaufen: der
alte ist sehr abgefahren und hat an der Flanke ein richtiges Loch, das
langsam immer größer wurde. Wir hoffen sehr, dass damit die Serie der
Reifenpannen zu beenden ist! Ich hätte auch einen neuen Reifen brauchen
können, aber aus bekannten Gründen müssen wir im Moment mit den Ausgaben
etwas umsichtig sein. Das Bargeld könnte uns bald ausgehen und ohne
Kreditkarten kommt man so schlecht an Nachschub...
Mit dem neuen Reifen an den Sturzbügel getüddelt ging es gleich weiter
Richtung Baños, einem kleinen touristischen Ort am Fuße des Tungurahua
(ja, ganz richtig, der aktive Vulkan s.o.). Die Attraktivität des Ortes
erklärt sich nicht nur aus den Thermalquellen, die schon dem Namen Baños
zu entnehmen sind, sondern auch den Möglichkeiten der Vulkanbeobachtung
und überhaupt der interessanten Landschaft am Osthang der Anden, mit
schönen Wasserfällen und einem ganzjährig angenehmen Klima.
Von Riobamba kommend gibt es eine kleine, in engen Kurven verlaufende,
geteerte (!) Straße von Mocha durch ein kleingliedriges Obstanbaugebiet,
das in seiner hügeligen Art etwas an Angeln oder Schwansen erinnert.
Leider heute auch durch das kühle, windige Wetter...
Blühende Obstbäume überall, kleine Dörfchen mit schmucken Häusern, wenig
Verkehr. Sehr angenehm.
Weiter Richtung Baños geht es immer bergab, von über 2700m bis auf
1800m. Schon von Weitem sieht man den schwarzen dampfenden Vulkankegel,
an dessen Westseite eine breite Aschenspur von der oben erwähnten
letzten größeren Eruption zeugt. Damals wurde Baños für 3 Monate
komplett evakuiert und bekam von dem Ascheauswurf allerhand ab. Immer
noch arbeitet es in dem Berg, der natürlich von den Vulkanologen genau
beobachtet wird! Dies nutzen die lokalen Touranbieter und fahren,
besonders abends, zu exponierten Punkten, von denen man, mit etwas
Glück, kleine Eruptionen mit Lava-, Geröll- und Ascheauswurf erleben
kann.
Wir fuhren auf gut Glück durch den Ort, trafen ein deutsches Pärchen,
die uns Informationen über das Backpackerhostal, vor dem wir gelandet
waren, geben konnten. Während wir noch dort auf der Straße standen, kam
Daniel, der Schweizer Moppedfahrer, den wir in Peru schon zweimal
"zufällig" getroffen haben, vorbei spaziert!
Wir checkten im Hostal ein (sauberes Zimmer mit Doppelbett und eigenem
Bad mit richtig heißer Dusche, freier Internetzugang, Küchenbenutzung,
Moppedparkplatz im geschlossenen Hof, für 8,50 Dollar pro Person) und
testeten dann zur Feierabendentspannung eins der Thermalbäder "Piscinas
de la Virgen". Für 2 USD hat man dort Zugang zu diversen Becken
unterschiedlicher Temperatur, von 18-42 Grad. Die Anlage ist ansprechend
gestaltet und liegt malerisch unterhalb eines hohen Wasserfalls, der
abends angestrahlt wird.
Freitag, 26.09. - Baños
Reparatur- und Besichtigungstag.
Im übersichtlichen Zentrum von Baños fand eine
Wahlpropagandaveranstaltung statt. Auf der Plaza war eine Bühne
aufgebaut, hochglänzende Prospekte wurden verteilt, die Straße war voll
mit bewaffneten Soldaten, den Finger am Abzug. Am Sonntag ist Wahl, der
scheinbar recht beliebte Präsident Rafael Correa möchte seine neue
Verfassung einführen. Um seine Integrität unter Beweis zu stellen, tritt
er jeden Sonntagabend mit verschiedenen Journalisten im Fernsehen auf
und stellt sich ihren Fragen. Bisher haben alle Ecuadorianer, mit denen
ich darüber gesprochen habe, gemeint, er sei ein guter Präsident, der
wirklich Dinge in seinem Land verbessern möchte.
Während Thomas im Hostal Stunden am PC verbrachte, streunte ich durch
den Ort und schaute mich um, saß auf einer kleinen Plaza unter blühenden
Jacaranda- und anderen Bäumen, guckte mir die Kirche und das benachbarte
alte Kloster mit seinem sehr schönen Patio an und spazierte ziellos
herum.
Später erledigten wir unsere Reifenjobs auf dem Hof des Hostals und
gingen anschließend in eine nahe gelegene Kneipe, wo jeden Abend ein Film
vorgeführt wird. Heute gab es "The last King of Scotland", einen
heftigen Film über Machtmissbrauch und Abhängigkeit am Beispiel von Idi
Amin, der uns recht still und nachdenklich zurückließ.
Wie ist doch auf Reise jeder Tag anders. Häufig sehe ich mich um und
wundere mich, wie unterschiedlich Tage, Orte, Situationen sein können!
Langweilige oder auch nur vorhersehbare Tage gibt es in unserem
Reiseleben so gut wie nie. Das macht für uns einen großen Teil der
Faszination des Reisens aus, macht andererseits manchmal auch Angst, je
nachdem...
Sonnabend, 27.09. - Baños
Nach einem Vormittag am Rechner auf der Suche nach Infos zu unserem noch
ungelösten Transportthema Kolumbien-Mexico machten wir uns auf zu
"Regine's Cafe". Davon hatte uns Richard, ein lustiger Amerikaner, der
mit seiner Riesenschnauzerhündin Helga im selben Hostal abgestiegen ist
und mit dem Hund ein überdachtes dreirädriges Mopped durch Ecuador
fährt, erzählt. Es sei unbedingt empfehlenswert, hatte er gesagt. Und er
hatte recht!
Ein paar km außerhalb von Baños, neben einem Wasserfall an
den grünen Berg gebaut, fanden wir ein unglaublich fantasie- und
kunstvoll gestaltetes Refugium der besonderen Art. In organischen Formen
um die vorhandenen Bäume herum gebaut entstand hier mit sehr viel Liebe
zum Detail ein gastronomischer Gebäudekomplex, in dem man sich nur
wohlfühlen kann. Der rauschende Wasserfall, all die schönen
Naturmaterialien, das nette Ehepaar Dieter und Regine, die uns gleich
ihr ganzes Reich zeigten und bis spät abends mit uns klönten: ich wollte
gar nicht wieder weg dort!
Gegen Abend kam noch ein Schweizer Paar, in Riobamba lebend und dort im
Bio-Gemüseanbau tätig (ja, das gibt es hier tatsächlich!). Gemeinsam
saßen wir in dem gemütlichen Ambiente, erzählten uns was und tranken
verbotenerweise ein Bier. Verboten deshalb, weil morgen hier ja über die
neue Verfassung abgestimmt werden soll und es in Ecuador ein Gesetz
gibt, das am Vortag einer Wahl den Genuss von Alkohol verbietet.
Eigentlich keine schlechte Idee - so kann sich jedenfalls niemand damit
rausreden, dass er nicht im vollen Besitz seiner geistigen Kapazität
gewählt habe.
Erst um 23 Uhr kamen wir mit dem Taxi zurück, mit von den vielen Worten
des Tages schwirrendem Kopf. Was für interessante Leute wir doch immer
wieder treffen!
Sonntag, 28.09. - immer noch in Baños
Den Vormittag brauchten wir wieder für Transportrecherche und
Neubeschaffung der gestohlenen Dinge via Internet. Zeit- und
Energie raubende Angelegenheit!
Um uns etwas Bewegung zu beschaffen,
spazierten wir danach durch das sonntägliche Städtchen, auf der Suche
nach ein paar Chiclets verkaufenden Kids: wir wollten sie vor laufender
Kamera interviewen, um dahinter zu kommen, warum sie diese Arbeit machen
müssen. Wir fanden vor der Kirche zwei 13-jährige Mädchen, die sich auf
unseren Deal: wir kaufen Informationen anstatt Chiclets, einließen. Das
Gespräch verlief allerdings recht schleppend, denn die Mädels waren sehr
irritiert durch die Videokamera, aber ein paar interessante Dinge
erfuhren wir doch: sie gehen in der Woche zur Schule und fahren am
Wochenende mit dem Bus aus ihrem Dorf, wo sie mit ihren Eltern leben,
nach Baños zum Verkauf ihrer Kaubonbons. Dort teilen sie sich ein
kleines Zimmerchen, wofür jede 50 Cent bezahlt und versuchen, mit
Mitleid erregendem Gesichtsausdruck Touristen zu erweichen. Sie kaufen
Boxen mit kleinen Bonbonpäckchen und verdienen, wenn sie nicht zu viele
Bonbons selber vernaschen, an einer Box mit 48 Päckchen 10 Dollar. Die
Eltern haben eine kleine Landwirtschaft, wo sie auch noch mithelfen. Die
beiden waren schmuddelig, aber ausreichend gekleidet und in gutem
Ernährungszustand. Auf die Frage, wofür sie das Geld bräuchten, sagten
sie, sie würden davon Schulbedarf kaufen. Wer weiß, ob das stimmt oder
ob es eine gut klingende Erklärung für fragende Touris ist? Sie wünschen
sich, ihren Job nicht mehr tun zu müssen und mehr Zeit für andere Dinge
zu haben.
An den gesamten Hintergrund ihrer Lebensumstände kam ich in diesem
Gespräch natürlich nicht heran, aber aufschlussreich war es doch.
Nach einer halben Stunde entließen wir sie aus unserem Interview und
begaben uns auf eine kleine Moppedtour. Jenseits des Tales gibt es eine
sehr steile Serpentinenschotterstraße auf einen dem Vulkan
gegenüberliegenden Berg, da schraubten wir uns hinauf. Oben hatten wir
einen Logenplatz auf den dampfenden Kessel und auf beide Richtungen des
Flusstales. Durch die zwischen und über den Bergen hängenden weißen
Wolken schien die Sonne und zauberte wechselnde Licht-Schatten-Effekte.
Als wir genügend Aufnahmen mit der Videokamera gemacht und uns eine
Weile umgeschaut hatten, war unser nächstes Ziel nochmal "Regine's
Cafe". Wir wussten, dass es dort heute Käsekuchen geben würde...
Wieder trafen wir dort interessante Gesprächspartner, die sich hier in
Ecuador um Hilfsprojekte kümmern, die von privaten Spendern aus der
Schweiz finanziert werden, aber teilweise nicht gut verwaltet werden.
Dabei ging viel Geld in falsche Kanäle, was nun klar wurde. Jetzt geht
es darum, dass Andreas, von Beruf Unternehmensberater, retten soll, was
zu retten ist und darum, eine bessere Organisationsform zu finden.
Spannend! Wer sich über die speziellen Projekte informieren möchte, kann
auf www.ecuadorhilfe.com wahrscheinlich mehr erfahren.
Das Ende vom Lied für uns war, dass wir wieder erst spät abends zurück
ins Hostal fuhren, den Kopf voller Eindrücke.
Montag, 29.09. - von Baños nach Tena
So ein Mist, ausgerechnet heute regnet es in Strömen seit morgens um 5
Uhr. Wir packen unsere Sachen und hoffen, es wird etwas trockener, bis
wir nachher aufs Motorrad steigen..
Einige Stunden und 150km später sind wir in Tena. Der Regen beruhigte
sich rechtzeitig, so dass wir im fast Trockenen losfahren konnten. Die
ersten 50km ging es durch das Flusstal bergab, auf Teerstraße mit
relativ viel Verkehr und vielen unbeleuchteten Tunnels. Herrliche
Wasserfälle überall, die Vegetation wurde wieder üppiger, die Temperatur
stieg. Das Phänomen kennen wir ja inzwischen, aber es ist doch immer
wieder faszinierend. In dem kleinen Ort Puyo eine kleine Kaffeepause
(eine neue Variation des Cafe con leche: heute wurde uns mal heiße
Milch und eine Dose mit Kakaopulver aufgetischt, also mal gar kein
Kaffee..).
Noch 90km bis Tena, sagt die Karte.
Alles geteert, sagen die Leute an der Straße.
Nach ca. 25km hörte der nagelneue Teer auf, es ging etliche Zeit über
sehr holperige, nasse Übergangspiste mit großen runden Steinen und viel
Baustellenverkehr. So war das nicht abgemacht! Thomas konnte heute zum
ersten Mal seinen neuen Hinterreifen testen und ist damit sehr
zufrieden, während ich mit meinen abgefahrenen Pirelli MT60 af nasser
Piste etwas am Rutschen bin.
Hinter dem nächsten Ort dann aber doch wieder Teer bis kurz vor Tena,
einem kleinen unattraktiven Städtchen, in dem wir heute übernachten
werden. Ein freundlicher Mann, der uns auf der Straße ansprach, zeigte
mir ein Hostal, wo die Moppeds einen abgeschlossenen Hof mit zwei Hunden
und entsprechend viel Scheiße als Nachtquartier bekamen. Bei dem Gestank
klaut hier bestimmt keiner was!
Unser Zimmer hat ein eigenes Bad, TV und Miefquirl und kostet 6 USD pro
Person. Aus dem 2.Stock können wir hier über die Stadt gucken. Im Westen
die Berge mit dicken Wolken um die Hüften, auch über uns sieht es sehr
nach Regen aus. Da kommt bestimmt noch was runter, aber wir sind im
Trockenen.
Nach der kühlen Dusche, mit der ich versuchte, mir den Sand vom Kopf zu
waschen, der auf dem Weg zum Hostal aus einem Rohbau geflogen kam, bin
ich wieder frisch. Thomas hat sich leider eine leichte Erkältung
eingefangen und fühlt sich nicht so gut (wobei ich es sowieso
erstaunlich finde, dass wir bisher so wenig gesundheitliche Probleme bei
den doch stark wechselnden Temperaturen haben).
Dienstag, 30.09. - von Tena nach Tumbaco
Mitten in der Nacht regnete es so heftig, dass wir von dem Lärm der
Tropfen auf den umliegenden Blechdächern wach wurden. Wir sorgten uns
etwas um die heutige Pistenstrecke. Als wir früh um 7 Uhr aufstanden,
regnete es immer noch, wenn auch nicht mehr so stark. Doch während wir
in einem Schnellrestaurant ein brauchbares Frühstück aßen, wurde es
etwas heller, der Regen hörte auf.
Um 9 Uhr saßen wir schon auf den Motorrädern und freuten uns, dass die
angekündigte Piste auf den ersten 40km durchgehend betoniert war. Dass
es nun schon wieder regnete, störte uns daher nicht so sehr. Nur 20km
steinige Holperpiste durch die ersten Berge mussten wir abarbeiten, dann
begann schon wieder die neue Teerstraße, auf der wir bis Baeza und
weiter Richtung Quito fahren konnten. Die Landschaft war so grün durch
den vielen Nebel und Regen, den sie hier haben, dass an der Straße sogar
die Zaunpfähle wieder ausschlagen! So tot kann Holz gar nicht sein, dass
es hier nicht wieder zum Leben erweckt wird. Und überall läuft das
Wasser aus den Bergen - so viele Wasserfälle gibt es sonst wohl
nirgendwo!
Ein typisches Erlebnis: an der Straße ging ein Mann und spielte mit
seinen zwei Hunden. Als ich näher kam, ging einer der Hunde mitten auf
der Straße in Lauerstellung, um mich zu jagen, wie es die Hunde in
Südamerika immer gerne tun. Um ihn nicht zu überfahren, bremste ich
scharf ab und sprach ihn an. Er schaute mich verdutzt an: das lärmende
Teil kann sprechen? Ich fuhr wieder schneller, er erinnerte sich an sein
Vorhaben und rannte neben mir her, bis ich den Gashahn aufdrehte und ihn
abhängte. Im Rückspiegel sah ich ihn noch etwas verwirrt auf der Straße
stehen und mir nachschauen.
Ab Baeza ging es stärker bergauf, leider mit mehr Verkehr. Besonders die
vielen Busse machten uns das Leben schwer: sie überholten einander und
uns ohne Rücksicht auf Verluste, in Kurven und bei Gegenverkehr. Einige
Male hätten sie uns fast erwischt, größere Mengen Adrenalin
überschwemmten die Blutbahn! Schade um die herrliche Landschaft, dass
wir uns so auf den Verkehr konzentrieren mussten.
Doch dann erreichten wir ungeschoren den kleinen Ort Papallacta, den uns
mehrere Leute aufgrund des schönen Thermalbades empfohlen hatten. Extra
deswegen waren wir heute Morgen so früh losgefahren, denn wir wollten
uns natürlich ohne Eile im warmen Wasser herumlümmeln.
Im Gegensatz zu
der Therme in Baños war hier das Wasser kristallklar, es war kaum was
los und wir konnten ganz allein in einem großen Becken mit körperwarmem
Wasser plantschen und zuschauen, wie die Wolken aus dem Osten durch das
Tal empor und über die Berge krochen. Zwischendurch regnete es etwas,
dann war es wieder trocken, uns war's egal.
Um nicht zu spät im ca. 70km
entfernten Tumbaco bei Quito anzukommen, fuhren wir um halb vier Uhr
nachmittags weiter. Über einen hohen regnerischen Pass führt die Straße
nach Quito. Dort oben war der Straßenbelag durch viele Längsrillen sehr
eierig zu fahren und so glatt, dass ein kleiner Geländewagen, der mich
kurz zuvor überholt hatte, in einer Kurve ins Schleudern kam, sich
mitten auf der Straße einmal komplett um seine Achse drehte und, mit
einem Rad in der Wasserablaufrinne, auf der Gegenfahrbahn stehen blieb.
Zum Glück kam gerade niemand von vorn! Der Fahrer muss sich wohl sehr
erschrocken haben, denn danach blieb er ganz brav weit hinter mir.
Ein Stündchen später waren wir in Tumbaco bei Ernesto angekommen. Ich
habe ihn vor unserer Abreise aus Deutschland über einen ebay-Handel
"virtuell" kennen gelernt - nun dürfen wir ein paar Tage in seinem
Gästehäuschen wohnen und unsere Pöster aus Quito einsammeln (zur
Erinnerung: das Paket, was wir in Cusco nicht abholen konnten, weil der
Zoll so teuer werden sollte, wurde uns von unserer lieben und
hilfreichen Basisstation zuhause hierher geschickt). Schauen wir morgen
mal, ob wir hier erfolgreicher sind!
Mittwoch, 01.10. - Tumbaco
Abenteuer Großstadt! Den richtigen Bus zu finden, der von Tumbaco in die
Stadt hinein fährt, war noch einfach, aber dann vom Busbahnhof ins
Zentrum zu kommen, war schon schwieriger. Nach einigem Rumfragen saßen
wir in einem Bus, wussten aber nicht, wo wir wieder raus sollten und
fuhren eine Ehrenrunde. Beim zweiten Versuch half uns der Busfahrer,
richtig umzusteigen.
Nun fanden wir die Post auf Anhieb und sie hatte
sogar offen. Nach einigem Papierkrieg und der Zahlung von ca. 20USD
händigte man uns die beiden Pakete problemlos aus. Der Zollmensch
schaute nur einmal flüchtig hinein, wir leider auch nicht genauer: erst
etwas später, als wir beim Chinesen Mittag aßen und unsere Schätze
begutachteten, fiel uns auf, dass ein wertvolles Teil fehlte. Das Loch
im Paket hatten wir wohl gesehen, aber es sah nur nach einem leichten
Transportschaden aus... Nun sahen wir auch, dass der Teil des
Packscheins, auf dem das Gewicht steht und ebenfalls der normalerweise
beigepackte Lieferschein fehlten!
Wieder zurück zur Post: dort meinten sie, wir hätten das fehlende Teil
sofort anmelden müssen, bevor wir mit dem Paket das Haus verlassen. So
könnten sie leider nichts mehr für uns tun... Thomas war von diesem
zweiten Diebstahl in so kurzer Zeit so angepestet, dass er sich damit
nicht zufrieden geben konnte. Wir schauten also zusammen das
Überwachungsvideo an, auf dem man das Loch im Paket sehen konnte. Dann
schlug ein junger Zöllner vor, die einzige Möglichkeit wäre nun, das
ursprüngliche Gewicht des Paketes herauszufinden, denn wenn sich dies
vom Eingangsgewicht in Quito unterscheiden würde, könne man darauf eine
Beschwerde schreiben. Na ja, und dann?
Als wir endlich mit diesem ärgerlichen Vorgang und dem dazu nötigen
Internetbesuch fertig waren, war es schon fast dunkel und wir sahen zu,
dass wir "nach Hause" kamen, denn Quito ist ein gefährliches Pflaster,
wo wir nicht im Dunklen herumgeistern wollten. Der Taxifahrer, der uns
zum Busbahnhof brachte, erzählte von einem Kollegen, der zuhause
überfallen, mit Drogen willfährig gemacht und seines Autos beraubt
worden sei. Solche Vorgänge seien nicht selten in dieser Stadt, die wir
schon gar nicht mehr anschauen wollen... Die ständige Sorge, beklaut
oder überfallen zu werden, ist es nicht wert.
Zurück im grünen friedlichen Paradies von Ernesto und Christel atmeten
wir wieder auf, saßen abends noch ein Weilchen mit unseren netten
Gastgebern in ihrer gemütlichen Küche zusammen.
Donnerstag, 02.10. - Tumbaco
Die Sonne half uns morgens aus dem kuscheligen Bett: heute war Basteltag
angesagt. Bis zum Abend hatte Jolly einen neuen Kettensatz, der
Kettenschutz war weiter optimiert, wir haben frisch gefettete Stiefel,
die gewaschene Wäsche ist trocken und verpackt, einige Näharbeiten
wurden erledigt und dergleichen. Ernesto kochte für uns mit und wir aßen
zusammen in seinem schönen Naturgarten in der Sonne. Tut richtig gut, so
ein "Haushaltstag" ohne das Grundstück zu verlassen.
Nachmittags saßen wir neben "unserem" Häuschen am Tisch und hatten
Gesellschaft nicht nur von den drei netten Hunden oder der schmusigen
Katze, sondern auch von dem kleinen, 22 Jahre alten Pferd, das hier den
Beruf des Rasenmähers ausübt. Es suchte ganz offensichtlich Anschluss,
beschnüffelte alle Dinge auf dem Tisch und pustete mir freundlich von
hinten in den Nacken.