Südamerika Reiseberichte

Kolumbien
 
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So, dies ist nun der letzte Bericht aus Südamerika, den es von dieser unserer Reise gibt, denn wir verlassen nach über 30000 gefahrenen Kilometern diesen riesigen Zip-fel Land, dessen Wirbelsäule wir vom äußersten Süden in Feuerland bis zum nörd-lichsten Punkt hier in Kolumbien abgefahren haben und wenden uns Zentralamerika zu.
Dies tun wir mit einem lachenden und einem weinenden Auge, wie ihr euch nach der Lektüre der letzten 13 Monate sicher denken könnt. Ein zusammenfassender Rückblick folgt demnächst.
Aber nun erstmal die Erlebnisse der letzten Woche:

Donnerstag, 16.10. - Coveñas
Abends stand das Zelt wieder an demselben Ort wie am Vortag unseres Besuches bei den Toros. Ein anderer Campingplatz wollte das dreifache Geld haben, da erinnerten wir uns ans Bewährte und kehrten wieder bei unserer alten Dame ein, die sich freute, uns wieder zu sehen. Bei schönem Wetterleuchten in den Wolken und zirpenden Grillen als Begleitmusik zum leisen Plätschern des Ozeans erholten wir uns von den vielen Worten bei der lieben Familie Toro und von einer anstrengenden Internetsitzung.
Der heutige Tag diente nun mal ganz und gar der Entspannung. Wir blieben einfach, wo wir waren und ließen den Tag ruhig verstreichen. Thomas hängte seine Hängematte auf und las dort, Pfeifchen rauchend, sein Buch, während ich alle paar Stunden baden ging und zwischendurch ebenfalls mein aktuelles Buch durchschmökerte. Krimis sind ja sonst nicht so mein Metier, aber auf Reisen nehme ich, was ich ergattern kann und dieser war dann doch ganz interessant.
Ein paar Bekannte unserer alten Dame kamen zwischendurch zum Kokosnüsse ernten und wir bekamen auch jeder eine mit der Machete aufgeschlagen. Die Milch war erfrischend und lecker, das Fruchtfleisch ersetzte eine ganze Mahlzeit. So lässt es sich leben, wenn einem die Nahrung fast ohne Zutun in den Mund wächst! Nun sind wir frisch und gestärkt für die nächste Etappe morgen früh.

Freitag, 17.10. - Coveñas nach Santa Veronica
Zwei ganze Kokosnüsse sind vielleicht doch ein bisschen zu viel - der Meinung war jedenfalls mein Verdauungssystem...
Bei sehr schönem Wetter, nach einem letzten Bad im fast spiegelglatten Meer, brummten wir heute weiter. Die Straße durch das grüne Flachland, das ziemlich an Schleswig-Holstein, die warme Variante, erinnert, war fast leer, so konnten wir entspannt fahren. Mittags kamen wir an Cartagena vorbei, fuhren nur drum herum - zum Anschauen dieser Stadt, die sehr schön sein soll (Weltkulturerbe der Menschheit!) kommen wir in ein paar Tagen zurück. Jetzt wollen wir erst noch nach Santa Marta, dem einzigen Ort weltweit, wo Meer und Schneegipfel direkt nebeneinander wohnen.
Auf der weiterführenden Strecke Richtung Barranquilla war es uns zu voll, aber es gab eine Alternative in der Nähe der Küste. Dort, auf einer nagelneuen Straße, war wenig los und wir fanden in dem kleinen Fischerdorf Santa Veronica zwar keinen Campingplatz, aber einen freien Platz für unser Zelt direkt am Strand, mit perfektem Blick auf den Sunset. Die Familie, die ich gefragt hatte, meinte, außer ihnen sei hier kaum jemand am Strand und wir könnten unbehelligt hier campen.
Das Wasser ist hier etwas unruhiger als in Coveñas, aber genau so warm. Erfrischend ist es erst, wenn man aus dem Wasser wieder rauskommt und im Wind steht. Wenn man dann, ein wenig fröstelnd, wieder untertaucht, kommt man sich im Wasser vor wie in der Badewanne. Herrlich!

Sonnabend, 18.10. - Sta Veronica bis Tayrona
Kein Regen in der Nacht, trotzdem ein nasser Zeltboden? Unsere Wasserschüssel hatte sich übergeben, das Wasser war unters Zelt gelaufen.
Mit der aufgehenden Sonne trocknete alles schnell wieder. Weiter Richtung Barranquilla und Sta Marta. Schöne Strecke durch Weideland, dann anstrengend durch den Verkehr der Außenbezirke der Hafenstadt Barranquilla.
Nach Überquerung des großen Flusses Sinú, der uns vor Planeta Rica schon begleitet hat, ändert sich die Landschaft: die Straße läuft durch ausgedehnte Lagunen mit Mangrovenwäldern, im Hintergrund sieht man nun schon die hohen Berge. Allerdings sehen wir nicht viel davon, denn sie verstecken sich in weißer Watte. Zum Parque Tayrona sollten wir fahren, hatten uns viele wohlmeinende Ratgeber zugeraunt, also suchten wir denselben.
Durch Sta Marta, einem hektischen Badeort mit hohen Hoteltürmen wühlten wir uns schnell hindurch, stärkten uns mit einem warmen Essen an der Straße und kamen dann in die grünen urwaldigen Berge hinein.
Der Verkehr ließ wieder nach - Gott sei Dank! An der Straße trafen wir ein Mutter-Sohn-Gespann auf einem kleinen Mopped, die uns über unsere Reise befragten. Sie wollten begierig alles wissen, über Papierkram, Moppedausrüstung etc, denn sie wollen auch eine Reise mit dem Mopped machen. Nach Kanada. Lange standen wir am Straßenrand und unterhielten uns, dann brachten sie uns zu einem kleinen Restaurant in der Nähe des Nationalparks, wo man am Strand zelten darf (was im Park scheinbar nicht geht).
Unter großen Kokospalmen mit lustiger Gesellschaft einer Eichhörnchenfamilie (Kokoshörnchen?), die es tatsächlich schaffen, sich durch die dicke Schale der Kokosnüsse hindurchzuknabbern, endet unsere heutige Tour. Thomas schaukelt lesend in seiner Hängematte, ich guck mich etwas um und spanne vorsichtshalber das Tarp übers Zelt, denn es braut sich was zusammen über dem Meer...
Kurz vor Sonnenuntergang nimmt der Himmel eine leuchtend gelbe Farbe an, es ist drückend schwül - und dann beginnt weit draußen ein Feuerwerk der besonderen Art. Es blitzt kreuz und quer über den Himmel, sekundenlanges Flackern, manchmal sehen wir vier, fünf lange Blitze gleichzeitig ins Wasser springen, gewaltig!
Das Ganze so weit weg, dass vom Donner nur ein leises Grummeln bei uns ankommt. Das Wetter zieht draußen vorbei, nur ein leichter Regen fällt aufs Land, wir gehen beruhigt schlafen...

Sonntag, 19.10. - Tayrona, Casa Grande
Ameisenattacke!
Um zwei Uhr nachts störte ein ständiges Gekrabbel an meinen nackten Armen meinen Schlaf. Im Licht der Taschenlampe sah ich um meine Schlafmatte herum ein emsiges Treiben vieler kleiner Ameisen. Wie kamen die hier herein? Alarmiert schaute ich mich weiter um und entdeckte eine Straße, die zu einer beim Abendbrot benutzten Serviette führte. Dort war erst richtig was los! Überall schleppten sie mit kleinen Schnipseln des leckeren Papiers herum - aber was viel schlimmer war: sie hatten ein paar Löcher in den Zeltboden genagt, der ihnen einen ungehinderten Zugang zur Beute ihres Begehrs bot! Ich weckte Thomas und gemeinsam versuchten wir, der Lage Herr zu werden. Erstmal mordeten wir alle Ameisen, die wir im Zelt erwischen konnten. Überall, unter den Matten, zwischen den Klamotten, unter den Stiefeln, im Helm, an den Zeltwänden, liefen sie herum.
Das ganze Zelt stank wie ein ABC-Pflaster nach Ameisensäure. Dann holten wir das Panzertape aus dem Koffer und versuchten, die perforierte Gegend des Zeltbodens provisorisch abzukleben, was nicht gut funktionierte, weil das Tape auf dem Material nicht haftet, schon gar nicht im feuchtklammen Zustand. Während wir draußen hantierten, wurden wir wehrlose Opfer der lauernden Mückenbande, die sich wahrscheinlich mit den Ameisen abgesprochen hatte. Sicher noch eine weitere Stunde waren wir drinnen mit dem Killen der lästigen kleinen Krabbler beschäftigt (tat uns ja leid, natürlich sind Ameisen nette und nützliche Tiere, aber doch nicht nachts in unserem Bett!) bevor wir einigermaßen Ruhe hatten.
Welch ein Glück, dass es jedenfalls die ganz kleinen Ameisen waren und nicht welche von den größeren Sorten, deren Bisse so weh tun!

Algo extraño - etwas Befremdliches:
Gegen Mittag ging ich über den schönen Strand zu einer Flussmündung, wo man baden kann (das Meer hat hier zuviel Brandung zum entspannten Plantschen). Dort im ruhigen Wasser zog ich meine Kreise, als mich ein ca. 16-18jähriger hübscher Bengel ansprach. Wir smalltalkten etwas, dann schlug er vor, wir könnten etwas um die Wette schwimmen und tauchen. Ok, warum nicht? Wir warfen eine Plastikflasche als Ziel und tauchten hin und her, es machte Spaß und wir hatten viel zu lachen. Mal war er schneller, mal ich.
Nach einer Weile sagte ich, ich müsse nun los, mein "Esposo" wurde auf mich warten. Ob er mich begleiten dürfe, fragte er. Wieder: warum nicht. Die Kolumbianer sind halt ein freundliches Volk!
Auf halbem Weg den Strand entlang meinte er, wir könnten ein paar der orangenen Früchte pflücken, die an den Bäumen neben dem Strand wüchsen. Nett, er will mir was von den Spezialtäten des Landes zeigen! Wir gingen ein paar Meter vom Strand unter die Bäume, aber ich sah nicht eine Frucht am Baum. Da erst klingelten bei mir die Alarmglocken - ich drehte um und wollte, weiter in den Bäumen nach Früchten schauend, langsam zurück an den Strand - da packte er mich plötzlich von hinten um den Bauch und drückte sich in eindeutiger Weise an mich! Ich dachte, ich sei im falschen Film und überlegte fieberhaft, was ich beim Wing Tsun gelernt hab für solche Fälle. Ich befahl ihm, mich sofort loszulassen, konnte mich aber, im Bikini und noch nass vom Baden, barfuß im weichen Sand und mit einem Baum zu meiner Linken, nicht lehrbuchmäßig befreien. Also holte ich, da er nicht losließ, aus und schlug ihm meinen Hinterkopf auf die Nase, schnappte mir dann seinen kleinen Finger und versuchte einen Hebel anzusetzen, was ihn aber wegen meiner mangelhaften Technik nicht so sehr bedrängte. Er raunte mir die ganze Zeit ins Ohr, er habe schon Erfahrung und er wolle mir ja nichts tun, während ich versuchte, ihn verbal von der Absurdität und Sinnlosigkeit seines Vorhabens zu überzeugen.
Irgendwie kam ich von ihm los, er grapschte noch nach meiner kleinen Goldkette und riss sie mir vom Hals. Ich schnappte meine Strandtasche und den Rest der Kette und lief davon, die paar Meter zurück zum Strand. Er folgte mir nicht. So schnell wie möglich ging ich mit weichen Knien den Rest des Weges und erzählte erst Thomas, dann den Leuten vom Restaurant, was passiert war. Etwas später kamen ein paar andere Gäste ebenfalls vom Fluss zurück, sie hatten den Bengel auch gesehen und konnten ihn gut beschreiben. Ein Mann vom Personal des Platzes sagte daraufhin, er glaube, er wisse, um wen es sich handele und fuhr los, dem Ding auf den Grund zu gehen.
Ich bekam ein stärkendes Getränk für meine Nerven von der lieben älteren Frau, der Chefin hier, und musste mich nun erstmal setzen, um den Schreck und die Enttäuschung über diesen Vertrauensmissbrauch zu verdauen.
Sozusagen noch mal mit einem blauen Auge davon gekommen!
Alle waren sehr verblüfft und empört über das Geschehen, was es hier scheinbar noch nie gegeben hat, meinten aber auch, man dürfe halt niemandem trauen und sollte auch möglichst nicht allein herumlaufen (?).
Nach einiger Zeit kam der Mann zurück, erzählte mir, ein Verdächtiger sei gefunden, ob ich ihn identifizieren könnte. Na klar! Thomas und ich fuhren in seiner Begleitung ins nächste Dorf, warteten dort einen Moment, bis ein Mopped mit einem erwachsenen Mann und dem Bengel auf dem Sozius angefahren kam. Der Ältere kam zu uns, nahm mich beiseite und zeigte mir das fehlende Stück meiner Kette. Das hatte der Knabe noch bei sich gehabt...
Er fragte mich, ob mir damit geholfen sei? Ich beschrieb ihm den Vorgang noch mal in Kurzform und sagte, es sei mir nicht daran gelegen, dem Bengel eine fürchterliche Strafe aufzubrummen, er müsse halt begreifen, dass er mit solchen Aktionen nicht durchkommt. Das war scheinbar auch sein Interesse, so waren wir uns einig, gaben uns die Hand und wir fuhren davon. Der missglückte Vergewaltiger stand ein Stück abseits mit gesenktem Blick und sah so nur noch Mitleid erregend aus. Als wir an ihm vorbeifuhren, schaute er mich nicht an...
Der Rest des Tages war für mich gelaufen. Wir sprachen noch lange darüber, was in mir vorgegangen war und wie ich mich effektiver hätte befreien können. Und das mir, mit 48 Jahren! Ich fasse es nicht!
Bei Einbruch der Dunkelheit dann wieder ein grandioses Gewitter auf See. Fast im Sekundentakt flackerte es in mehreren Regionen des Himmels.
Was für ein Schauspiel, im warmen Wind am Strand sitzend!!
Was für ein Tag!!

Montag, 20.10. - von Tayrona nach Sta Veronica
Mit guten Wünschen und vielfacher Entschuldigung für das gestrige unerfreuliche Ereignis, wo sie ja gar nichts dafür konnten, verabschiedeten uns die mitfühlenden Leute des Campingplatzes heute Vormittag. Bei bewölktem Himmel und feuchtheißer Luft freuten wir uns über den Fahrtwind auf der Straße.
Die Strecke zurück kannten wir ja schon, der Verkehr hielt sich in Grenzen: entspanntes Fahren durch die seenahen Berge und die Mangrovensümpfe bis nach Barranquilla. Am Straßenrand immer mal wieder ein paar Männer, die schöne Fische verkaufen wollten. Cienaga, eine recht große Fischersiedlung auf halbem Wege zwischen Sta Marta und Barranquilla, macht einen sehr trostlosen Eindruck. Die Häuser stehen teilweise bis Oberkante Unterlippe im verdreckten, nach altem Fisch stinkenden Wasser, überall liegt Müll herum, die Menschen sind zerlumpt und haben sich scheinbar genauso aufgegeben wie ihr direktes Umfeld.
An manchen Stellen sieht man noch die ursprüngliche Wohnform in palmengedeckten Holzhütten auf Stelzen, heute wohnt man aber wohl lieber in den schlechter zu klimatisierenden Steinhäusern mit Blech- oder Eternitdächern. Nicht alles Neue ist auch besser!
In Barranquilla war vorläufig Ende der Fahnenstange - der Polizeiposten am Stadtrand hielt uns an, um uns zu verkünden, dass Barranquilla heute, wie an jedem 20. im Monat, moppedfreie Stadt sei. Wir könnten heute also nicht weiterfahren, es sei denn, wir würden die Motorräder auf ein Auto laden und uns durch die Stadt tragen lassen! Was natürlich nicht umsonst wäre.
Meine Einwände, dass wir als Ausländer davon unmöglich hätten wissen können und dass wir kein Geld für einen Transporter hätten, bewegten vielleicht ein wenig das Gemüt des etwas korpulenten Comandante, aber auf keinen Fall sein Gesicht. Das blieb völlig ohne Gefühlsausdruck. Da wir nicht scharf darauf waren, am Rande dieser Stadt die Nacht zu verbringen, griff ich zu einer halben Notlüge und drängte auf eine Sondergenehmigung, weil wir morgen früh um 10 Uhr unsere Moppeds in Cartagena aufs Schiff verladen müssten. Keine Regung. Also blieben wir einfach am Posten stehen und unterhielten uns mit einigen Polizeizauberlehrlingen, die uns wie üblich befragten. Einer unter ihnen, Wilmer, hört gerne afrikanische Musik. Wer ihm was Gutes tun möchte, kann ihm mit schönem Gruß von uns, unter wilmeresparragoza@hotmail.com ein paar mp3 Stücke schicken!
So verging die Zeit, während derer es, deutlich sichtbar, in dem coolen Chef der Brigade arbeitete. Um uns loszuwerden (oder um uns entgegenzukommen) gewährte er uns schließlich doch eine Genehmigung, über die Umgehungsstraße um die Stadt herum zu fahren (was anderes wollten wir ja auch gar nicht, aber auch die Umgehung läuft innerhalb der Stadtgrenzen und darf am 20. eigentlich nicht befahren werden.).
Mit einem freundlichen Händedruck bedankten wir uns für die "Collaboracion" und fuhren weiter. Es war richtig angenehm, ohne die Wespenschwärme der kreuz und quer fahrenden Moppeds um die Stadt herumzufahren, im Nachhinein ein echter Glücksfall sozusagen! Trotzdem war natürlich viel Verkehr und da kann es schon mal passieren, dass man eine rote Ampel jenseits der Busse und LKW übersieht: eine Motorradstreife hielt Thomas deswegen an, merkte auch an, dass wir ja heute gar nicht fahren dürften. Sie gaben sich aber mit einer freundlichen Entschuldigung (für die rote Ampel) und der Aussage unserer Sondergenehmigung des Comandante zufrieden und ließen uns ohne Bußgelder oder ähnliches weiterfahren.
Da wir ungefähr wussten, wo wir einen Schlafplatz finden würden, störte es nicht, dass es inzwischen vier Uhr nachmittags war. In Sta Veronica, demselben Fischer- und Badeort wie auf der Hinfahrt, konnten wir wieder zelten. Diesmal neben einem kleinen Strandrestaurant, wo wir auch gleich noch ein gutes warmes Essen bekamen und ich mit einem freundlichen jungen Dalmatiner am Strand Stöckchenwerfen spielen konnte. Er war danach so begeistert von mir, dass er sich gleich vor unserem Zelt zusammenrollte und fest einschlief.
Der karibische Sonnenuntergang war saagenhaft! Leider vertrieben uns die zahlreichen Mücken bald von unserem Platz unter dem klischeehaften Palmenhüttchen ins viel zu warme Zelt.

Dienstag, 21.10. - Sta Veronica nach Cartagena
Es war nun nicht mehr weit bis ans letzte Ziel unserer Zeit in Südamerika: nach knapp 100km erreichten wir die schöne Stadt Cartagena. Der erste Eindruck, als wir über die super gepflegte Küstenstaße hereinkamen (alle paar Kilometer waren hier leuchtfarbig gekleidete Männer mit Motorsensen beschäftigt, die Grünstreifen zu frisieren), bestand aus vielen neuen Hochhäusern mit Blick aufs Meer.
Wir fragten uns durch zum Hafen, um "unser" Schiff zu suchen, fanden es schließlich - es lag weit draußen vor Anker, unerreichbar für uns. Die Telefonnummer hatte ich mir leider nicht aufgeschrieben, darum suchte ich als nächstes ein Internetcafe. Macht erst in einer Stunde auf.
Hmmm, was nun? Thomas begann, mit Fernglas vor den Augen, mit seiner roten Warnweste zum Schiff rüberzuwinken. Ein Hafenarbeiter, der unsere Versuche der Kontaktaufnahme freundlich begleitete und mir zwischendurch eine Kokosnuss schenkte, half beim Winken von einem Punkt aus, zu dem er uns leider keinen Zugang geben durfte.
Endlich, nach über einer Stunde, sah man unsere Bemühungen von der ‚Stahlratte' aus und sie kamen mit dem Schlauchboot rüber. Wir hatten gedacht, wir könnten vielleicht heute schon an Bord, aber das ging nicht. Sie sind noch sehr mit den Vorbereitungen für den jetzt beginnenden langen Karibiktörn beschäftigt und können uns noch nicht an Bord brauchen. Aber immerhin konnten wir weitere Verabredungen treffen und uns ein Hostel empfehlen lassen für die letzten beiden Nächte in Kolumbien.
Dort, im schönen historischen Zentrum der 1533 von Pedro de Heredia gegründeten Stadt (heute ca. 900000 Einwohner), mit noch fast vollständig erhaltenen Festungsanlagen und vielen kolonialen Häusern, mieteten wir uns im Hostel "Holiday", einem netten Backpackertreffpunkt, ein.
Als wir mit den Motorrädern auf den Innenhof fuhren, fanden wir dort u. a. schon Carolas Zebra vor! Na, das war eine nette Überraschung! Da sie morgen mit ein paar anderen Leuten zum Playa Blanca fährt, gingen wir abends zum letzten Mal in Südamerika zusammen essen und spazierten durch die gemütlichen Sträßchen.
Cartagena hat eine Jahresmitteltemperatur von 30°C (ich höre euch schon deutlich aufstöhnen - wir finden es klasse), also auch abends und nachts niemals zu kalt zum Herumschlendern in kurzen Hosen.
Davon profitieren auch die zahlreichen Bettler, die zumindest ohne Kälteprobleme das ganze Jahr über auf der Straße leben können: viele wohnen und schlafen offensichtlich in Hauseingängen. Kolumbien ist ein Land mit starken Kontrasten: große teure Autos und Häuser - sehr arme Menschen am unteren Rand der Gesellschaft.
Sehr viele freundliche, sehr viele hübsche Menschen - einige sehr verkommene Existenzen, vielleicht durch Drogen? Wunderschöne Landschaften, oft sehr gepflegt mit gestutzten Hecken und gemähten Grasflächen und im Allgemeinen wenig Müll an den Straßen - dann wieder arme Siedlungen, wo den Menschen jedes Bedürfnis nach Schönheit im Umfeld verloren gegangen ist.
Ein bisher noch stark kontrollierter und wackeliger Frieden im Land nach 40 Jahren Bürgerkrieg, die Menschen atmen etwas auf und hoffen auf die weitere Entwicklung - ich auch, denn ich möchte gerne wieder herkommen können. Insgesamt wäre Kolumbien ein Land, in dem ich vielleicht leben könnte/wollte. Im Rückblick auf den gesamten Subkontinent genau genommen neben Ecuador vielleicht das landschaftlich am ehesten für mich in Frage kommende Land...

Mittwoch, 22.10. - Cartagena
Da es vormittags heftig regnete, fiel unsere weitere Stadterkundung leider ins Wasser. Stattdessen räumten wir unser Gepäck soweit, dass wir die Motorräder nachmit-tags um drei zum Hafen bringen konnten.
An einem kleinen Holzsteg waren wir verabredet, bauten dort das Gepäck ab, die Leute von der ‚Stahlratte' kamen mit ihrem Schlauchboot, das kaum länger ist als die Motorräder, angefahren, schwupp, stand Foster schon im Boot, von vielen Händen problemlos hineingehoben. Thomas sollte sich während der Überfahrt zum Schiff zur Stabilisierung draufsetzen, die Füße auf dem Rand des Bootes und so ritt er davon, während ich, mit den vielen dunkelhäutigen Zuschauern palavernd und das restliche Equipment bewachend, am Steg blieb. Bald tauchte das Bötchen wieder auf, Jolly hüpfte an Bord und ich durfte übers Wasser reiten.
An der ‚Stahlratte' angekommen, wurde mein Pferdchen mit einer Seilwinde an Bord gehievt, alles völlig problemlos.
Nun konnten wir uns endlich das Schiff anschauen: unten ein großer offener Raum mit geräumigen Kojen, als erste Passagiere konnten wir uns unsere Koje noch aussuchen. Das Gepäck wurde verstaut und die Stammcrew kennen gelernt (über das Schiff demnächst mehr, schaut doch schon mal auf die Homepage www.stahlratte.de!), dann brachten sie uns an Land zurück und wir spazierten durch die nicht so schönen Außenbereiche der Stadt, auf der (erfolgreichen) Suche nach einem Vorderreifen für Foster, der nun auch noch fällig war.
Abends ein letzter Gang durchs Zentrum, wo auf einer kleinen Plaza mit vielen großen Bäumen und einem zentralen Reiterstandbild eine Sambagruppe trommelte und tanzte. Sehr stilvoll! Die nackten braunen Oberkörper der Männer glänzten vor Schweiß, die Mädels schwenkten ihre Röcke bzw. Hüften, Karibikflair total...
Mit den letzten kolumbianischen Penunsen suchten wir ein etwas preiswerteres Restaurant auf und schlenderten danach wieder zum Hostel.
Schade, in dieser Stadt wäre ich gerne etwas länger geblieben! So habe ich hier noch eine Rechnung offen, im übertragenen wie auch im wörtlichen Sinne: wir hatten gleich bei der Bestellung nach dem Gesamtpreis gefragt, da wir nur noch 20000 KoP zur Verfügung hatten. Nachher war die Summe etwas höher und wir mussten die letzten 2500 der Zeche prellen. Man hatte Verständnis und zwang uns nicht zum Geschirrspülen.
Morgen früh um acht sollen wir mit zwei anderen Gästen des Hostels, die auch mit nach Panama fahren, wieder zum Hafen kommen.
Vier Tage Karibiktour mit Inselbesuch und Schnorchelmöglichkeiten erwarten uns, das wird bestimmt oberaffen-schweinegeil!
Südamerika ade, Zentralamerika: wir kommen!



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