Südamerika Reiseberichte

Kolumbien
 
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Freitag, 03.10. - Tumbaco
Thomas fuhr heute nochmal mit neuen Erkenntnissen zur Post, wo er interessante Dinge erfuhr. Wie wir von unserer Basisstation erfahren hatten, wog das Paket beim Start in Deutschland 600g mehr, als bei der Ankunft in Ecuador. Und nun zauberten die Pöstler hier einen Zettel hervor, auf dem zu lesen war, dass das Paket einen Umweg über die Dominikanische Republik hinter sich hat (?) und schon bei der Ankunft in Ecuador nur noch 4300 anstatt 4900g schwer war. Also steht zu vermuten, dass die langen Finger zu einem Dominikanischen Postmenschen gehörten und der auch den verräterischen Zettel mit dem Originalgewicht und der Inhaltsangabe vernichtet hat.
Während Thomas sich mit der Post beschäftigte, genoss ich einen ruhigen Tag bei Ernesto und Christel, saß in der Sonne und las, in der freundlich-ruhigen Gesellschaft von Canelo, dem Pferd. Es schnoberte an meinem Buch herum und blieb dann dösend neben mir stehen. Er suchte ganz offensichtlich Anschluss.
An unserem letzten Abend in Tumbaco (wir wären gern noch länger geblieben, müssen uns aber nun sputen, um rechtzeitig in Cartagena anzukommen) aßen wir, wie die letzten Abende auch, mit unseren Gastgebern ihr leckeres Sauerteig-Roggenbrot und tranken ein Gläschen Rotwein. Es ist so gemütlich in dem schönen Lehmhaus mit den runden Wänden, wo das Holz der Möbel und Deckenbalken so gut nach Leinöl duftet und jeder Winkel mit Liebe gestaltet wurde, dass wir uns wie zu Hause fühlten.
Dazu sind die beiden Bewohner des Hauses so freundlich und unkompliziert, das trägt auch sehr zum Zuhausegefühl bei.

Sonnabend, 04.10. - von Tumbaco bis ca 50km vor der kolumbianischen Grenze
Als ich morgens aus unserem Häuschen trat, begrüßte mich ein leises, dunkles Wiehern. Bald kam auch die kleine Hundemeute angelaufen, der Rüde, Schnuffel genannt, grinste mich mit hochgezogener Oberlippe freundlich an. Beim Frühstück im Sonnenschein saß mir das Kätzchen auf dem Schoß...
Richtig nett hier mit den ganzen Haustieren!
Vor der Abfahrt fuhr ich mit Christel und Ernesto zum Bio-Gemüsemarkt, der in Tumbaco jeden Samstag stattfindet. Habe ich erwähnt, dass Ernesto für den ecuadorischen Biogemüsebauernverband arbeitet? Gutes Brot, leckere Biotomaten, Ziegenkäse, hmmm!
Und dann mussten wir uns mal wieder verabschieden. Schade eigentlich...
Die nun folgenden 120km bis Ibarra waren sehr anstrengend für uns, weil die Straße sehr befahren war und mal wieder jeder der Erste sein wollte. Da hier im Umkreis der Hauptstadt viele schnelle und teure Autos von vielen testosteronschwangeren Jünglingen gefahren werden (heute ist ja auch noch Sonnabend!), mussten wir sehr konzentriert und defensiv fahren, um am Leben zu bleiben. Dadurch hatten wir wenig Zeit, die schöne Landschaft zu genießen.
Fast hätten wir dabei doch den Äquator verpasst! Im letzten Moment sahen wir das Hinweisschild und hielten kurz an, um jedenfalls ein paar Fotos von uns auf dem Nullmeridian zu schießen. Eine vernünftige Äquatorüberquerung hab ich mir spannender vorgestellt. Naja, von jetzt ab steht die Sonne mittags tendenziell halt wieder im Süden...
Glücklicherweise ließ der Verkehr hinter Ibarra nach und wir konnten uns etwas entspannen. Bis Tulcan, direkt an der Grenze wollten wir fahren, um morgen früh gleich den Sprung ins neue Land zu tun. Doch nach der Hälfte der verbliebenen Strecke braute sich vor uns ein dicker schwarzer Wolkenhaufen zusammen, aus dem es bedrohlich anfing zu blitzen. Wenige Minuten, bevor der Regen richtig losprasselte, fanden wir eine einfache Unterkunft, wo die Motorräder im Trockenen direkt vor unserer Zimmertüre stehen können. Das Zimmer selbst ist keine tolle Sache: nackter Betonboden und ein Waschbecken ohne Wasserhahn, eine der beliebten elektrischen Suizidduschen, aus der bislang keine Wasser kommt, frei aus der Wand stehende abisolierte Kabelenden... Aber ein Bett mit scheinbar unbenutzter Wäsche und vor allem: ein Dach über dem Kopf!

Sonntag, 05.10. - Einreise nach Kolumbien bis El Estrecho
Um sieben Uhr früh klingelte der Wecker. Frühstück aus dem Küchenkoffer im Zimmer, um 8:20 Uhr saßen wir schon auf den Moppeds. Wir hatten uns vorgenommen, die über 350km bis Popayan heute zu schaffen. Aber, wie sollte es anders sein - das wurde natürlich nix, denn die Grenze war zwischen uns und unserem Plan und klaute uns über zwei Stunden des Tages. Nicht, dass es irgendwas Besonderes gab, nein, die Leute brauchen einfach so lange!
Zum Beispiel musste ein Zöllner von den Typenschildern der Motorräder mit Blaupapier und Tesafilm einen Abdruck machen. Und seine Chefin, die die temporäre Einreise für die Moppeds leitete, wusste sich nicht anders zu helfen, als die 90 Tage von heute an auf dem Kalender abzuzählen, dabei leise die Zahlen mitflüsternd. Wirklich von 1-90 zählte sie, hatte wohl noch nie davon gehört, dass die meisten Monate so um und bei 30 Tage lang sind...
So kamen wir also erst kurz vor Mittag weiter und mussten uns dann in der nächsten Stadt, Pasto, mit Bargeld versorgen. Erst fand sich gar kein Bankautomat, dann rückten die ersten beiden kein Geld raus. Der Dritte spuckte mir schließlich was entgegen.
Als ich zurück zu Thomas kam, der bei den Motorrädern gewartet hatte, guckte er mich leicht gestresst an: er war umzingelt von freundlich-neugierigen Kolumbianern, die alle unser woher/wohin wissen wollten. Von der ganzen Sucherei in der Stadt war ich schon so entnervt, dass nicht mal ich noch Lust hatte, Fragen zu beantworten.
Wir flüchteten aus der Stadt und suchten ausserhalb ein Restaurant. Dort hatte man noch nie davon gehört, dass es Menschen gibt, die keine toten Tiere essen. Die Bedienung war damit völlig überfordert, holte erstmal eine andere Dame, die etwas Englisch sprach. Das Ergebnis war trotzdem eher mäßig erst kam eine Suppe, aus der sie das Fleisch herausgefischt hatten (bis auf ein paar kleine Stückchen..) und dann bekam Thomas etwas Salat und trockene frittierte Bananenplatten. Er war sehr unzufrieden. Meine Forelle schmeckte recht lecker...
Noch 250km bis Popayan, das war nicht mehr zu schaffen, denn es war schon fast 16 Uhr und die Strecke führt in Tausenden von Kurven durch die Berge. Neben der Straße fiel der Berg manchmal sehr steil ab, es gab fantastische Blicke in schroffe Täler zwischen den grünen Bergen, die meist in kleine Felder aufgeteilt sind und wie grünes Patchwork aussehen.
Der Verkehr ließ etwas nach, die Straße war meist recht gut, nur ab und zu hatte sie große Löcher vom Steinschlag. Man musste also schon aufpassen und nicht zuviel in die Gegend gucken. Nachdem wir bisher auf der heutigen Strecke etwas gefroren hatten, wurde es auf den letzten 50km immer wärmer, bis es, trotz bedecktem Himmel richtig tropisch heiss wurde.
Kurz vor der Dämmerung fanden wir eine Tankstelle mit angeschlossenem Hotel an der Straße. Die Preise sind seit gestern explodiert: gestern zahlten wir 15, heute 18000 für unser Zimmer. Erstaunlicherweise ist es heute trotzdem billiger, denn 18000 kolumbianische Pesos sind nur 10USD wert Und nun entleert sich draußen der Himmel in einem wahren Sturzregen, es donnert und wir haben es wieder mal rechtzeitig unter Dach geschafft!
Eine Garage gab es allerdings nicht. Nun stehen unsere Beiden an der Tankstelle im Licht, an ein Rohr gekettet. Der "Joven", der für Hotel und Tanke zuständig ist, hat uns versichert, dass er die ganze Nacht Wache halten würde und es kein Sicherheitsproblem gäbe. Hoffen wir's Beste!

Montag, 06.10. - El Estrecho
Die Nacht an der Tankstelle war recht laut, denn die Laster fahren und tanken auch nachts. Trotzdem waren wir gegen 9 Uhr auf den Motorrädern. Der Himmel war bedeckt bei 26°C, angenehmes Fahrwetter. Und so grün ist es hier überall! Die Panamericana führt hier durch fruchtbares Hügelland mit vielen Bäumen, die die Straße mit ihren weit ausladenden Ästen oft zu einem grünen Tunnel machen.
Am Straßenrand spazieren große, schlanke, dunkelhäutige Menschen gelassenen Schrittes entlang, tragen Brennholzbündel oder Früchte von A nach B oder sitzen einfach nur still im Schatten der Bäume. Ich fühlte mich plötzlich an den Senegal erinnert.
Gegen Mittag passierten wir die Stadt Popayan, um die es tatsächlich eine Umgehungsstraße gibt. So konnten wir das Gedänge und Geschiebe der Stadt vermeiden.
Überhaupt merken wir deutlich die bessere Infrastruktur Kolumbiens: die Straßen sind gut ausgebaut und werden instand gehalten. Es liegt sehr viel weniger Müll herum, als wir es inzwischen gewohnt sind, das Gras an den Straßenrändern wird kurz gehalten und es laufen kaum Tiere frei auf der Straße herum. Die ganze Landschaft wirkt aufgeräumt und wie ein großer Park. An der Tanke der letzten Nacht gab es sogar verschiedene Mülleimer für Karton, Plastik und Restmüll!
Das einzig Störende ist der Verkehr, aber wir fahren im Moment halt auf der Panamericana und die wird nicht nur von uns benutzt. Da müssen wir nun durch...
Am frühen Nachmittag, als wir eben ein Restaurant an der Straße angelaufen hatten, entlud sich ein heftiges Gewitter über uns. Wir warteten ein Weilchen und fuhren fast trocken weiter. Bis zur nächsten Gewitterfront hatten wir über die Hälfte der Reststrecke nach Cali hinter uns und warteten diesmal an einer Tankstelle darauf, dass es aufhören möge, zu knallen. Da das zweite Gewitter recht heftig war und sich nur langsam fortbewegte, kamen wir in Cali mitten in den völlig verrückten Feierabendverkehr hinein. Tausende von kleinen Moppeds drängelten sich von alle Seiten durch den langsameren Autoverkehr, man musste höllisch aufpassen und keine plötzliche Bewegung nach rechts oder links tun, um nicht überrollt zu werden. Das Hostel, welches wir anlaufen wollten, lag dazu noch gaaanz auf der anderen Seite dieser drittgrößten Stadt Kolumbiens. Als wir nach vielmaligem Fragen endlich in der Nähe des Hostels waren, war es dunkel. Das letzte Stück des Weges fuhr ein hilfsbereiter Moppedfahrer vor uns her, ohne den wir die Adresse NIE gefunden hätten!
Mikkel aus Dänemark, der dieses nette Hostel gerade vor zwei Monaten eröffnet hat und der selbst Motorradfahrer ist (hat unterwegs eine nette Kolumbianierin kennengelernt und wird nun Papa, weshalb er seine Reise hier beendete), begrüßte uns und half, die Moppeds neben sein eigenes in einem abgeschlossenen Vorraum seines Hostels unterzubringen. Für heute Nacht gab es nur zwei Betten im Dormitorio, aber das war uns nach dem Stress der Stadt herzlich egal. Auf dem riesengroßen Bildschirm im Gemeinschaftsraum lief ein anspruchsloser lustiger Film, bei dem wir uns wieder entspannen konnten..

Dienstag, 07.10. - Cali
Mit verstöpselten Ohren schliefen wir gut. Als wir endlich aufstanden, saßen die vielen Gäste der Nacht schon in ihrem Overland-Truck, es kehrte Ruhe ein im Hostel. Hab ich Ruhe gesagt? Stimmt nicht wirklich, denn vor dem Haus, wo ein Patio zum Draussensitzen entstehen soll, arbeitet ein Pressluftmeissel und stemmt den Beton weg.
Wir wechselten vom Schlafsaal in ein eigenes Zimmer, gleich neben der Küche und einem Klo. Das passt gut, denn ich hab scheinbar was gegessen, was meinen Darm in Aufruhr versetzt hat. Zur Ablenkung davon spazierten wir drei Blocks weiter zu einem gigantischen Konsumtempel - eine der größten "Malls" von ganz Südamerika. Dort kann man alles kaufen, was man nicht braucht!
Für uns war daher nichts dabei. Das Einzige, was wir suchten, nämlich Aufkleber mit der kolumbianischen Flagge, gab es nicht. Trotzdem war es interessant, durch die gepflegten Passagen mit Läden voller Markenklamotten zu schlendern, das teure Essen aller Restaurants zu riechen und die Reichen und Schönen zu beobachten, von denen es hier scheinbar eine größere Anzahl gibt.
Am frühen Nachmittag hörten wir,zurück im Hostel Casa Blanca, ein bekanntes Motorengeräusch: Carola hatte, mit Hilfe eines vorausfahrenden Taxis, unser Domizil gefunden! So machten wir die noch fällige Ersatzteileinkaufstour zu viert: Mikkel vom Hostel kam freundlicherweise mit und zeigte uns die entsprechenden Läden. Ich habe nun zwei neue Reifen und Carola einen neuen Kettensatz. Also brauchen wir noch einen Tag hier zum Schrauben.

Mittwoch, .08.10. - Cali
Vor dem Hostel auf dem Bürgersteig wechselte ich unter den erstaunten Blicken der Passanten meine Reifen. Einige Hilfsangebote vorbeikommender Männer, die mich bedauerten, weil ich so eine schwere Arbeit allein tun "muss", lehnte ich dankend ab.
Einer der freundlichen Arbeiter, die vor dem Hostel die Terrasse bauen, wollte mir dann helfen, den neuen Vorderreifen auf die Felge zu bringen - mit dem Ergebnis, dass er hinterher in der falschen Richtung montiert war und ich ihn wieder abnehmen musste. Allein gehts doch besser als mit übereifrigen Helfern..
Eine lustige Begegnung hatte ich noch: ein freakiger Uruguayaner, der hier wegen Problemen mit seinen Papieren festsitzt, fragte mich, woher ich sei. Als er Deutschland hörte, sang er mir die erste Zeile von "Oh, Tannenbaum" vor. Er hatte es von dem Radfahrer Holger gelernt, den wir in Azul (Argentinien) im letzten Jahr kennengelernt hatten und den er in Uruguay mal in seine Wohnung eingeladen hatte. Ist es nicht lustig, wie klein die Welt ist?
Um den kolumbianischen Gesetzen Genüge zu tun, nahmen wir uns später ein Taxi ins Zentrum der Stadt und statteten uns mit den obligatorischen Warnwesten, bestückt mit dem Kennzeichen des Motorrades, aus. Zwar meinten alle, die wir fragten, wahrscheinlich sei es für Touristen nicht verpflichtend, aber da sich keiner richtig sicher darüber war und es im Zweifelsfall richtig teuer wird, ohne dieses modische Accessoire erwischt zu werden, gingen wir lieber den Weg des kleineren Übels.
Wir beendeten den Tag so dekadent, wie nur möglich, bestellten uns eine Riesenpizza, die wir uns vor dem riesigen Bildschirm mit einer Dose Bier zu einem schlechten amerikanischen Film mit spanischen Untertitelngenehmigten.
In der Nacht hat es geregnet, morgens war es trocken. Also kann es weitergehen. EIgentlich schade, dass wir es im Moment so eilig haben, es ist nett hier mit Mikkel und Diana! Aber in zwei Wochen fährt das Segelschiff vorerst zum letzten Mal nach Panama und wir wollen mit!



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