Südamerika Reiseberichte

Argentinien
 
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Donnerstag, 20.09.07 - just arrived in Buenos Aires
Nach langem ruhigem Flug sind wir in der 3-Millionenstadt (plus ca. 10 Mio. im Umland) gelandet, wo wir am Flugplatz abgeholt wurden, d.h. abgeholt werden sollten.Abholung kam nicht, Zettel mit Telefonnummer liegt zuhause im Bus, alles wird gut! Im Internetcafe suchte ich die Telefonnummer der Schule heraus und Katja, Chefin dort und aus der Schweiz hierher gezogen, versprach mir, sich um unsere Abholung zu kümmern. Kurze Zeit später fing uns jemand ein, der uns mit einem Adresszettel in ein offizielles und darum sicheres Taxi setzte. Nach Zahlung von 79 Pesos wurden wir von einem freundlichen Fahrer sicher ins Getümmel der Stadt und zu unserem neuen Heim gefahren.
Hier haben wir jetzt ein nettes Zimmer ohne Fenster bezogen, der Kontakt zur Sprachschule steht und wir werden nachher zur Planung unseres Unterrichtes mal dorthin laufen, Entfernung ca. 10 Straßenblocks (hier Manzana=Apfel genannt).
Am Ende des ersten Tages haben wir eine gefühlte Fußgröße von ca einem Quadratmeter und haben die speziellen Herausforderungen der Stadt ganz gut gemeistert: wir sind in keinen der millionenfach herumliegenden Hundehaufen getreten und haben trotz verkehrt laufender Sonne letztendlich unser Quartier wieder gefunden.
Morgen früh um 10 Uhr fängt die Schule an und wir sind für heute mit neuen Eindrücken abgefüllt.

Freitag, 21.09. - Frühlingsanfang in Buenos Aires
Morgens um 7:30 weckte uns das beharrliche Piepsen des Weckers unseres Zimmernachbarn Marco aus Brasilien.
Auf dem Weg zur Schule waren wir wieder in der falschen Richtung unterwegs. Diesmal bemerkten wir unseren Irrtum schon an der dritten Querstraße. Inzwischen wissen wir auch, dass wir gestern beim Einzeichnen unseres Basislagers um eine Querstraße verrutscht und darum jedes Mal in die falsche Richtung losgelaufen sind. So lernten wir schon vor dem Unterricht wieder etwas mehr von Buenos Aires kennen, als wir zeitlich eingeplant hatten und kamen etwas spät und außer Atem in der Schule an. Aber da wir hier in Lateinamerika sind, hatte noch niemand bemerkt, dass wir zu spät dran waren und wir begannen unsere Spanischlektionen in Ruhe nach einer Tasse Kaffee.
Dann ging es allerdings zur Sache. Als man dort für heute mit uns fertig war, stolperten wir, abgefüllt mit spanischer Grammatik, ohne weitere Umwege zurück in unser Domizil.
Im kleinen Supermarkt in der Nachbarschaft besorgten wir uns für ziemlich kleines Geld einige Grundnahrungsmittel und brutzelten uns in der sehr spärlich eingerichteten Küche der Wohnung ein Bauernfrühstück zusammen.Der Rest des Tages ging mit der Aufarbeitung des Gelernten und der Erholung von derselben dahin.
Über diese Stadt erfuhren wir heute, dass es hier tatsächlich den Beruf des Hundespaziergängers gibt. Man sieht häufig Menschen mit zehn oder mehr angeleinten Hunden die schmutzigen Bürgersteige entlanggehen. Einer der Hunde macht garantiert gerade den Rücken rund..
Die unwahrscheinlichen Mengen von Hundekot scheinen allerdings außer uns niemanden so richtig zu stören, was wohl daran liegt, dass es angeblich Glück bringt, in anderer Wesen Hinterlassenschaften zu treten. Diese Stadt muss voller Lottogewinner sein!

Sonnabend, 22.09.
Heute scheint zum ersten Mal richtig die Sonne, es beginnt tatsächlich der Frühling. Nach einem ausgedehnten Frühstücks- und Mittagsausflug zu einem sehr reichhaltigen und vielfältigen "Tenedor libre"- Bufett (all you can eat, für 19 Pesos = ca. 4 Eur pro Person) mit der gesamten Wohnungscrew überlegen wir nun, was wir mit dem schönen Tag weiter anfangen wollen. Die Welt steht uns offen!

Abends sind wir mit runden Füßen von einer Tour in die Erholungsgebiete der Stadt zurück: der alte Hafen wurde - und wird noch - zu einer teuren Flaniermeile ausgebaut mit riesigen Glas- und Stahlpalästen, Hotels und Restaurants. Ein Großsegler liegt dort, einige große Yachten, es gibt eine Ausstellung alter Rennwagen - man spaziert und schaut, die Sonne scheint.
Plötzlich gab es einen großen Auflauf: ein Hund war in das Hafenbecken gefallen und konnte an den hohen Kaimauern nicht aus dem Wasser kommen. Er wurde mit Hilfe eines schnellen Bootes der Hafenpolizei aus dem Wasser gefischt und seinen Besitzern zurück gegeben. Die Menschen hier lieben ihre Hunde sehr!
Ich fühlte mich in dieser Gegend etwas an die Kieler Woche erinnert, wenn auch das Angebot an lukullischer und kultureller Unterhaltung etwas schmaler war. Immerhin durften wir eine kleine Sambaband erleben, die fantastisch trommelte und es roch überall sehr nach Gegrilltem. Die Menschen waren sehr entspannt und genossen ihr Frühlingswochenende.
Was mir den Genuss etwas schmälerte, war das große Müllaufkommen: In der Lagune, um die herum alles lagert und spaziert, schwimmen haufenweise leere Flaschen und andere Abfälle, es stinkt stellenweise bestialisch nach Urin. Die Priorität liegt hier eindeutig noch nicht auf der Reinhaltung der Landschaft. Immerhin sahen wir einige Container für die Trennung der Abfälle stehen - sie wirkten allerdings recht unbenutzt.
Weiter in Richtung Meer folgt ein großes Naturschutzgebiet mit Spazierwegen rund um einige Lagunen. Da war heute viel los: Man joggt, fährt Fahrrad, spaziert oder liegt zu zweit verknotet auf den Rasenflächen - es ist schließlich Frühling!
Papageien, Tauben, Kormorane und kleinere, mir unbekannte Vögel finden das auch und sind sehr aktiv. Auf diesen Wegen kamen wir bis ans Meer, das hier noch nicht wirklich Meer ist, sondern noch zum Rio de la Plata gehört. Dementsprechend riecht es auch nicht nach Meer - der Gestank von gammeligem Fisch und Exkrementen lag bedauerlicherweise sehr penetrant in der Luft und trieb uns vom steinigen Strand fort. Nach einem Rundgang von ca 5km kamen wir wieder in das feudale Hafenviertel, wo die Reichen und Schönen in den Cafes saßen und gut gestylte Inlinefahrer ihre Runden auf dem glatten Pflaster drehten.

Sonntag, 23.09.
Unsere Wohnungsgenossen erzählten uns gestern Abend vom großen Touristenmarkt in San Telmo, einem Altstadtviertel hier in der Nähe. Da sie sehr angetan waren, wollten wir uns das Spektakel auch anschauen und spazierten bei sonnigem, aber etwas kühlerem Wetter dorthin. Etliche Straßenzüge und eine große Markthalle waren voller Verkaufsstände für Schmuck, Kleidung, Antiquitäten und jede Menge Ramsch (unter anderem eine etwas vergilbte Ausgabe eines deutschen Propagandablattes namens “Der Freiwillige” von 1962).
Es fiel mir allerdings nicht schwer, ohne großartige Ausgaben hindurch zu kommen: Es gab kaum Dinge, die ich unbedingt hätte haben wollen. Interessanter fand ich die verschiedenen Schausteller: Einige fantasievolle lebende Standbilder wie auf der Rambla in Barcelona standen auf der Straße herum, ein Marionettenspieler ließ eine scheinbar stark betrunkene Figur sehr gekonnt herumstolpern und dann gab es - hier in der Hauptstadt des Tango - natürlich auch Tangovorführungen zu sehen.
An einigen Straßenecken saßen sehr gute Musiker: Ein sehr virtuoses Gitarrenduo spielte spanische Musik, verschiedene Trommelbands brachten das Blut in Wallung, Klezmermusik und wieder Tango waren da zu hören und zu beklatschen - fantastisch!
Mitten im Trubel fanden wir ein sonniges Plätzchen zum Schauen und Capuccinoschlürfen (sehr teuren Cappuccino für hiesige Verhältnisse!). Gegen Abend war unser Bedarf an Menschen und Bewegung vorläufig gedeckt. Auf dem Heimweg wurde eine kleine Pizza eingeworfen und der erste Sonntag in der neuen Welt gemütlich beendet. Morgen früh geht es wieder zur Schule.

Montag, 24.09.
Um 8 Uhr aufstehen, Frühstück, eine halbe Stunde Fußweg zur Schule, vier Stunden konzentrierter Spanischunterricht, eine halbe Stunde Weg zurück, Essen kochen, Schularbeiten bis abends um halb zehn, ab zu Bett - morgen geht's schon um 9 Uhr weiter mit der Schule... Das war unser Montag... :-)

Mittwoch, 26.09.
Die erste Woche unseres Aufenthaltes in Buenos Aires ist noch nicht vorüber und doch kommt es uns vor, als wären wir schon viel länger hier. Die Mitbewohner unserer WG sind uns schon so vertraut mit ihren Eigenarten und auch der Weg durch die Stadt zur Schule klappt schon ganz selbstverständlich ohne Stadtplan. Die Köpfe qualmen jedes Mal nach der Schule, dann hilft es, erstmal essen zu gehen, um wieder auf der Erde anzukommen. Heute haben wir ein vegetarisches Restaurant erfolgreich getestet. Das dortige Mittagsbuffet war sehr reichhaltig und ausgesprochen lecker, für ca. 2,50 Euro pro Person!
Zufällig (in einer Millionenstadt!) kam noch Katja, die Betreiberin unserer Sprachenschule, mit zwei anderen Mädels herein: So konnten wir selbst die Mittagspause noch zum Spanischlernen nutzen.
Der übrige Teil unserer Tage vergeht mit Schularbeiten und etwas hauseigener Konversation: Gestern sind wieder ein paar junge Frauen aus London angekommen, die mit einem Around-The-World-Ticket unterwegs sind und nach drei Wochen Buenos Aires und zwei Wochen Cusco nach Neuseeland und Australien weiterjetten werden.
Für Freitag haben wir einen Termin mit Mirko aus Hamburg, der hier lebt, ein Reisebüro betreibt und uns evtl. mit der Zollabwicklung der Fahrzeuge helfen kann.

Freitag, 28.09. - Wochenende!
Nachdem ich mir heute noch weitere 5 -10 Anwendungsmöglichkeiten des Subjunktivs und zwei Formen des Futurs in den Kopf gefüllt habe, kommen nun zwei Tage Pause zum Verarbeiten des ganzen Lernstoffes und zur weiteren Erkundung der Stadt.
Wir kommen nun gerade von einem ausgiebigen Treffen mit Mirko ( www.argentina.go ) zurück, der hier nicht nur eine Reiseagentur betreibt, sondern selbst auch begeisterter Motorradfahrer mit hiesiger Reiseerfahrung ist. Es gab viele Geschichten auszutauschen und einige Tassen Kaffee und Bier zu bearbeiten, bevor er zu seiner Familie nach Hause fuhr. Wir spazierten weiter durch die Stadt, die Freitag abends gegen 9 Uhr allmählich zu ihrem nächtlichen Leben erwacht und dann einen ganz anderen Eindruck macht als am Tage. Dazu kommt natürlich, dass es heute Abend zum ersten Mal richtig angenehm warm ist und man ganz gemütlich draußen sitzen kann.

Sonntag, 30.09.
Wir hatten ein erholsames Wochenende, an dem wir unsere Einweihung in die Nutzung des hiesigen Busverkehrs erleben durften und außerdem feststellen konnten, dass es in dieser Stadt doch ein paar grüne Flächen gibt. Die Bosques de Palermo sind ein Haupterholungsgebiet der Stadtbevölkerung und, wie auch das Ökoreservat in der Nähe des Hafens, an den Wochenenden ziemlich gut besucht bis völlig überlaufen. Trotzdem tat es gut, ein Weilchen im grünen Gras des botanischen Gartens in der Sonne zu liegen, bis uns die lauernde Anwesenheit einiger Interessenten an unseren Taschen die Gemütlichkeit vermieste und wir weiterzogen. Es handelte sich dabei um insgesamt vier Männer, die sich fast unbemerkt Zeichen gaben und von verschiedenen Richtungen versuchten, sich uns zu nähern. Dabei schlenderte einer von ihnen mehrfach in unserer Nähe vorbei und zwei andere kamen von hinten durch die Büsche geschlichen, vor denen wir saßen. Ganz schön dreist, aber nicht erfolgreich diesmal. Als sie bemerkten, dass wir sie unsererseits beobachteten, zogen sie weiter…

In den hohen Palmen der Parks tobten einige gelbgrüne Papageien herum, auf einer Wiese trommelte man und tanzte Samba. Viele Nachwuchsweltmeister spielten mit vollem Einsatz Fußball und überall lagerten Familien mit Kindern und genossen den schönen Tag.

Nach dem schönen Ausflug blieben wir im Haus und widmeten uns unseren Hausaufgaben.

Montag, 01.10. bis Freitag, 05.10.
Spanisch bis zum Anschlag, nachmittags Schularbeiten, dann und wann ein Spazier- oder Behördengang. Mehr gibt es von dieser zweiten Woche in Buenos Aires nicht zu berichten. Anstrengend ist es und unsere Stimmung schwankt zwischen: "klappt doch schon viel besser" und "das lerne ich nie" hin und her. Ebenso schwankend ist das Wetter: Am Montag früh fing es an zu donnern, im heftigen Gewitter ging ich mit eingezogenem Kopf zur Schule und als wir abends zu Bett gingen, donnerte es immer noch.

In Deutschland habe ich noch nie erlebt, dass es einfach nicht wieder aufhört zu Gewittern!

Am Dienstag war es wieder halbwegs trocken und die letzten beiden Tage waren relativ freundlich und warm. Wir sind als Flachlandbewohner nicht daran gewöhnt, morgens erst ein Stück Himmel in der Stadt zu suchen, um das aktuelle Wetter herauszufinden...

Montag, 15.10.
Wir vertreiben uns die Zeit recht relaxed am verlängerten Wochenende. Die Stadt ist ruhig, für hiesige Verhältnisse steht der Verkehr fast still. Bei erfreulicherweise wieder steigenden Temperaturen haben wir die letzten beiden Tage so ähnlich verbracht wie die "echten" Porteños, wir haben im Park in der Sonne gesessen, beim Cumbiatanzen zugeschaut und das Nichtstun genossen.

Donnerstag, 18.10. - die erste Nacht im Zelt...
Jetzt geht es endlich richtig los! Am Dienstagabend durften wir endlich, nach einem weiteren Tag Rennerei durch die diversen Büros rund um den Hafen, mit unseren Fahrzeugen auf die Straße. Die Nacht verbrachten wir noch in der Stadt, da es schon zu spät zum Losfahren war. Etwas unruhig war ich, weil die Motorräder auf einem unüberdachten, wenn auch bewachten Parkplatz standen - war aber alles okay am nächsten Morgen.

Als wir alle unsere Sachen in den Koffern verstaut hatten, war es schon 14 Uhr und wir verabschiedeten uns von den lieben Leuten unseres "Südamerikateams", die noch einen Tag länger in der Stadt bleiben würden. Man trifft sich sicher „on the road“.
Im heftigen Verkehrsgetümmel fuhren wir ein Stück aus der Stadt hinaus und fragten uns zu Dakar Motos durch, um dort bei Javier und Sandra noch ein paar kleine Dinge an den Moppeds zu regeln. Wir wurden freundlich aufgenommen und durften unser Zelt hinter dem Haus auf dem frisch gemähten kleinen Rasen aufbauen. Einige andere Leute aus verschiedenen Ländern waren gerade im Aufbruch, so entstand in der Garage genug Platz für unsere Bikes und wir konnten schrauben. Nach Feierabend saßen wir noch lange mit Daniel aus Deutschland, der hier seit einiger Zeit "hängen geblieben" ist, in der Küche zum Quatschen.

Freitag, 19.10. - irgendwo im Delta
Am frühen Nachmittag verabschiedeten wir uns von Javier und Daniel und liefen zuerst einen Supermarkt an, um uns mit Proviant zu versorgen. Als wir auf den Parkplatz abbiegen wollten, übersah ein junger Rollerfahrer Thomas' Blinker und rauschte ihm von hinten gegen die linke Packtasche. Ich hörte nur ein Quietschen, dann den Aufprall und sah im Rückspiegel zwei leicht bekleidete Menschen über die Straße purzeln. bei genauerem Hinsehen stellte sich heraus, dass beide unverletzt waren und der Roller ein kaputtes Schutzblech hatte. Bei Foster ist leider der Falz an der Rückseite des Alukoffers aufgebogen, scheinbar hat die Schweißnaht jedoch gehalten. So kamen alle noch mal mit dem Schrecken davon, aber uns wurde mal wieder deutlich, wie schnell es gehen kann...

Sonnabend, 20.10. - La Paz
Drei Tage sind wir nun gefahren, Richtung Nordwesten. Nach ein paar Stunden auf der berüchtigten Ruta 14 fanden wir am Donnerstag einen verlassenen Campingplatz, sehr nett an einem See gelegen und von einigen Rindern und vielen bunten Vögeln bewohnt. Bei so viel Wasser gab es dort allerdings auch extrem viele hungrige Mücken, die uns abends schnell ins Zelt trieben. In der Nacht rollte der Schwerlastverkehr unvermindert weiter, es war sehr laut, obwohl wir uns sehr weit von der Straße entfernt hatten. Morgens, als wir bei schönem Sonnenschein an einem der tatsächlich vorhandenen Tische frühstückten, kam ein Knabe auf einem Pferd vorbei und kassierte 10 Pesos für die Übernachtung. Weiter ging es die Ruta 14 bis nach Gualeguaychu. Man hatte uns mehrfach vor den korrupten Polizisten auf dieser Straße gewarnt und so waren wir vorbereitet, als wir wegen angeblich überhöhter Geschwindigkeit angehalten wurden. Da wir plötzlich beide kaum noch ein Wort Spanisch verstanden, wurde das Geschäft für die Uniformierten zu schwierig und sie schickten uns weiter.
An der Strecke fielen mir Schilder auf, auf denen stand: "No a las papeleras, si a la vida!" Als ich dann in der Stadt ein Auto mit selbiger Aufschrift im Heckfenster sah, fragte ich die Fahrerin, was das zu bedeuten hat. Sie erklärte mir, dass in der Region viele Eukalyptuswälder seien, die von einer finnischen Firma abgeholzt und vor Ort in einer großen Fabrik zu Papier verarbeitet würden. Die dadurch entstehende Wasserbelastung des Rio Uruguay ist es, wogegen sich eine Bürgerbewegung gebildet hat. Scheinbar gibt es aber in dieser Bewegung selbst wenig Hoffnung, dass die Proteste etwas bewirken, da die Fabrik ja nun mal schon da ist.
Nach Einkauf und einer Runde durch die Stadt suchten und fanden wir die Ruta 20, eine kleine geteerte Straße, die uns von dem Schwerlastverkehr und weiteren auf zu verhängende Bußgelder ausgerichteten Polizeikontrollen wegbringen sollte. Das war tatsächlich schon viel angenehmer! Die Landschaft ist hier in Entrerios, der Gegend zwischen den Flüssen, nicht sehr spannend, weil sehr flach, aber dafür ist es sehr grün durch das viele Wasser. Auf der Karte suchten wir nach den wenigen Möglichkeiten, ohne Benutzung der zwei Hauptrouten bis nach Iguaçu zu den berühmten Wasserfällen zu gelangen und fanden eine 60 km lange Schotterpiste, die zu einem kleinen Ort namens Villaguay führte. Sehr staubig und holperig war die Strecke, entgegenkommende LKW überzogen uns mit dicken Sandwolken, aber wir konnten recht gut fahren. Scheinbar hatte ich eine Schraube am Kettenschutz nicht ordentlich festgezogen, denn plötzlich hing das Teil quer und wir mussten nach den ersten 20 km an einem landwirtschaftlichen Silo anhalten. Zwei dort arbeitende nette Männer kamen uns zur Hilfe und schauten besorgt auf mein kleines Mopped mit dem schweren Gepäck. Sie rieten uns, doch lieber Teerstraßen zu fahren, damit nichts kaputt geht. Tatsächlich wackelt der doch recht stabil gebaute Heckrahmen mehr als erwartet.
Nach weiteren 40 km waren wir froh, nach dem Geschüttel wieder Teer zu erreichen! Wir fanden ca. 200 m entfernt der Straße einen Platz fürs Zelt auf dem Randstreifen eines bestellten Feldes. Ein angenehmer Fahrtag bei schönem Wetter!
Der Samstagmorgen begrüßte uns mit dicken Wolken. Während des Zusammenpackens fing es an zu regnen und das so heftig, dass wir schleunigst wieder ins Zelt krochen. Es prasselte dermaßen, dass wir uns Sorgen darüber machten, ob der Boden unter den Seitenständern der Moppeds standhalten würde. Thomas ging also wieder raus, sicherte das Zelt vor den heftigen Windböen und die Moppeds mit breiteren Auflagen. Um nicht die gesamte Kleidung durchzunässen, warf er mir erst die Stiefel, dann die Lederhose ins Zelt und lief in Unterhose in dem warmen Regen herum. Sicher eine halbe Stunde dauerte der Wolkenbruch, während dem man nur ca. 10 m weit über das Feld gucken konnte. Es donnerte ununterbrochen, mir war ziemlich ungemütlich zumute. Als der Regen nachließ, stand das Feld komplett unter Wasser - nur unser Zeltplatz lag scheinbar ein paar Zentimeter höher und war relativ trocken. Das Zelt hat somit seine erste Starkregenprobe erfolgreich gemeistert: Drinnen blieb alles trocken.
Nach diesem ersten Guss regnete es immer wieder, eine Gewitterfront folgte der anderen und für uns gab es nichts zu tun als abzuwarten. Am frühen Nachmittag hörte der Regen auf und wir beschlossen, doch noch ein Stück zu fahren und packten zusammen. Leider musste ich feststellen, dass die feste Piste durch die inzwischen durchgefahrenen Trecker total aufgeweicht und matschig verspurt war, die Koppeleinfahrt selbst war zu einem nett strömenden Bach geworden - Hilfe!
Und als ob das nicht unsere Nerven genug beansprucht hätte, wollte Foster nicht anspringen. Gab einfach keinen Ton von sich außer einem kurzen Klacken des Magnetschalters! Glücklicherweise war es scheinbar nur die Batterie, die durch die lange Tour ohne Licht auf dem Schotter überfordert war und so konnte Jolly mit Startstrom aushelfen, bevor wir uns, erstaunlicherweise ohne Bodenkontakt, durch den Matsch wühlten bis zum Teer. Die darauf folgenden 130 km geradeaus durch die Pampa mit halbhohem Buschwerk und einzelnen Rinder- Estancias waren danach eine wahre Wohltat. Am späten Nachmittag erreichten wir La Paz, eine kleine touristische Stadt am Rio Paraná, der hier in voller Breite von mehreren hundert Metern vorbeifließt und viele Argentinier zum Baden, Fischen und zu 42 Grad warmen Thermalquellen anlockt.
Wir nahmen uns ein Zimmer im scheinbar ersten Hotel am Platz, das über einen verschlossenen Parkplatz verfügt und tauchten mit einer heißen Dusche und einem leckeren Essen im Restaurant wieder in eine andere Welt ein.

Sonntag, 21.10. - Faulenzertag in La Paz
Nach dem Frühstück im Hotel spazierten wir durch die Stadt und promenierten bei herrlichem Sonnenschein am Fluss entlang. Ein wirklich schöner Ort: Jenseits des Flusses sieht man Wald und Buschland, weißer Strand und viele bunt blühende Büsche säumen das diesseitige Ufer. Auf einer Terrasse am Fluss kehrten wir ein und beschäftigten uns in diesem schönen Ambiente mit der überfälligen Dokumentation.

Ob wir wohl noch einen Tag bleiben??

Montag, 22.10. - Esquina
Hier ist es ja noch schöner! Wir haben ein kleines Paradies gefunden: eine "Cabaña" direkt am Fluss mit Palmen und Orchideen drum herum, mit eigenem Pool mit frischem Wasser und sehr netten Leuten dabei. Sie waren gleich sehr bemüht, uns glücklich zu machen und so durften wir die Moppeds mit in den kleinen Innenhof nehmen. Dort stehen sie jetzt unter Dach zwischen den Orchideenkübeln und dürfen sich ausruhen, während wir unser gemütliches Zimmer in Beschlag nehmen und es draußen wieder mal regnet und donnert. Die Strecke von La Paz hierher war kurz, nur 96 km, während der sich der Himmel von Westen her zuzog und es ein wenig zu tröpfeln anfing.
Wir sind von vorgestern noch etwas wolkenbruchgeschädigt und wollten so etwas nicht unbedingt auf der Straße haben. Aber wir hatten Glück und kamen fast trocken hier an.
Der Ort selbst scheint etwas kleiner als La Paz und wirkte beim Durchfahren fast ausgestorben. Alle Geschäfte waren geschlossen und es waren nur wenig Menschen auf der Straße. Es scheint aber nur an der Mittagszeit gelegen zu haben, ab 17 Uhr machen die Läden wieder auf, erfuhren wir von unseren Hauswirten.Unser Zimmer ist recht groß, liegt eine Treppe rauf unter dem Dach und erinnert mich vom Stil sehr an Onkel Walters Haus (Insider-Info...), mit einer hohen Holzdecke, dunkelrot bemalten Böden und geweißten Wänden. Aus dem Fenster schauen wir durch die Palmen direkt auf den Rio Corrientes, der hier eine Kurve macht und sich um einige Inseln herum verzweigt, bevor er sich in den Parana ergießt. Wir haben ein eigenes schönes Bad und zahlen mit Frühstück nur 80 Pesos. Thomas wird seine liebe Mühe haben, mich hier wieder loszueisen.
Bevor wir aus La Paz abgefahren sind, haben wir noch einen Besuch bei einer Mittelstufenschule unter Führung einer katholischen Schwesternschaft gemacht. Dort haben wir von unserem Projekt erzählt und einen Flyer abgegeben. Die Rektorin und ihre Stellvertreterin waren sehr angetan von unserer Idee und wollen den Kontakt zum Bernstorff-Gymnasium aufnehmen. Sie überlegten, mit ihren Erdkundelehrern über Möglichkeiten der Zusammenarbeit zum Informationsaustausch zu sprechen. Ich bin gespannt, ob sich daraus etwas entwickelt.
Inzwischen ist es nach Mitternacht, es blitzt seit den frühen Abendstunden überall am Horizont und quer über den Himmel, dann und wann regnet es. Rund ums Haus blinken Glühwürmchen in der Luft. Ein Schauspiel der Extraklasse! Während unseres Abendessens in einem Restaurant im Zentrum fiel mehrmals für einige Zeit der Strom aus - kein Wunder bei soviel Elektrizität in der Luft. Trotzdem schmeckte mein Pollo con crema de palmitos sehr lecker und für Thomas findet sich auch immer irgendetwas ohne totes Tier.
Mit unseren Hauswirten haben wir mal wieder richtig Glück: Edit ist Laborantin im hiesigen Krankenhaus und ihr Mann Carlos regelt die Vermietung der Ferienwohnungen. Von den beiden Einkommen bezahlen sie ihren drei Kindern das Studium, denn so was wie Bafög gibt es hier nicht. Beide sind sehr nett und haben mir viel über den Ort und seine Belange erzählt. Für morgen hat Edit uns einen Termin mit einer hiesigen Schule organisiert: sie arbeitet in einem Elternrat mit und kennt daher die Lehrer gut. Den deutschen Namen hat sie von ihren Schweizer Vorfahren, sie spricht aber selbst kein Deutsch. Als sie gegen Abend ihre Haushaltshilfe nach Hause fahren wollte, steckte sie mich kurzerhand mit ins Auto und zeigte mir mit viel Zeit den ganzen Ort. Ich war begeistert von soviel Interesse!
Dienstag, 23.10.
Bis morgens hatte sich das Gewitter verzogen, es war warm und der Himmel leicht verschleiert. Nach dem liebevoll angerichteten Frühstück mit hausgemachter Marmelade im Familienesszimmer durften wir im Haus den Internetrechner benutzen, um unsere Mails zu checken, bevor wir den Ort bei Tageslicht und mit der Kamera begucken gingen. Die Leute grüßten freundlich und ließen sich durch die Kamera nicht stören.
Ein kleiner barfüßiger Junge kam zu uns und fragte nach Geld für neue Schuhe. Ich erzählte ihm von unserem geplanten Treffen mit der Schule und dass ich dort erfragen würde, ob es hier viele Kinder ohne Schuhe gibt. Vielleicht, wenn da Hilfe nötig ist, lässt sich ja was organisieren?
Er war etwas irritiert durch meine Reaktion, aber erzählte mir doch immerhin, dass er zehn Geschwister hat. Ist natürlich problematisch für die Eltern, so viele Kids mit Schuhen zu versorgen.
Wir hingegen sitzen jetzt am hauseigenen Pool, in dem ich auch schon, gemeinsam mit einem kleinen Frosch, gebadet habe. Die Palmen rascheln im leichten Wind, der Blick schweift über den Fluss mit seinen Inseln - welch ein Luxus!
Mittwoch, 24.10.
Das Treffen mit der Schule gestern war ein voller Erfolg! Die Rektorin begrüßte uns freundlich und fragte, mit welchen und wie vielen Schülern wir sprechen wollten. Da ich diese Frage nicht so recht beantworten konnte, sammelte sie aus verschiedenen Klassen ca. 20 Kids im Alter zwischen 14 und 17 Jahren zusammen und holte den Informatiklehrer dazu, der uns im Computerraum einen Rechner startete für die Präsentations-CD. Als alle vollzählig waren, erzählte Edit freundlicherweise eine Einführung über uns und unser Projekt, während der die Kids interessiert zuhörten und auch schon nachfragten. Ich beantwortete die Fragen, so gut ich konnte und wir zeigten ihnen die CD. Es zeigte sich, dass das Hauptinteresse der Kids im sozialen Bereich lag. Es gibt in dieser Schule scheinbar ein ausgeprägtes soziales Engagement: Z.B. arbeiten etliche von ihnen an den Wochenenden an dem Wiederaufbau eines abgebrannten Hauses. Ich erzählte von unserem Treffen mit zwei barfüßigen Kids am Morgen, die uns um Geld für Schuhe angebettelt hatten, und sie bestätigten, dass es hier viele arme, vielköpfige Familien gibt, in denen es nicht genug zu Essen gibt. Ca. eine Stunde lang dauerte unser Austausch, dann entließen wir sie in ihren Unterricht. Nun liegt es an ihnen, den Kontakt nach Satrup aufzubauen. Vielleicht entsteht eine Solidargemeinschaft für die bedürftigen Kids der Stadt?
Auf dem Rückweg in unser luxuriöses Heim waren wir sehr beeindruckt von allem, was wir gehört und gesehen hatten.
Gleich heute morgen ging es weiter: Als wir noch im Bett lagen, kamen zwei Lehrerinnen einer anderen Schule, einer kleinen Grundschule, die besucht wird von eben diesen armen Kindern, und fragten an, ob wir nicht eine Patenschaft für sie übernehmen könnten. So schnell spricht sich unsere Anwesenheit herum.
Es fehlt an Geld für das Essen (und Gas zum Kochen), das die Kinder dort bekommen, an Schuhen und Kleidung, eigentlich an allem. Viele Kinder sind unterernährt und gehen schon vor der Schulpflicht dorthin, weniger zum Lernen als wegen der Mahlzeiten.
Viele Familien haben 10 -15 Kinder, keinen aktiven Vater, die Mütter können wegen der vielen Kids nicht arbeiten. Die Aufklärung über die Möglichkeiten der Empfängnisverhütung hängt hinter der Notwendigkeit her, es fehlt am Geld für die Pillen und am geistigen Horizont für die Einsicht. Das Bewusstsein dafür entwickelt sich nur langsam, während die aus Versehen gezeugten Kinder hungern.
Nun haben wir also morgen früh noch einen Termin in dieser Grundschule, wo ein Projekttag zum Thema Naturkatastrophen stattfinden soll. Ich kann dort natürlich keine Hilfe zusagen, da wir ja nur das Verbindungsmedium sind, aber vielleicht lässt sich ja mit der Satruper Schule eine Sachspendenaktion realisieren. Es gibt bei uns so viele Kids, die die Turnschuhe oder die Hose vom letzten Jahr nicht mehr anziehen mögen.
Eine weitere nette Aktion fand heute Nachmittag statt: Eine Party, die alle hiesigen Schulen für uns ausgerichtet hatten für die Integration der Sonderschüler. Auf einer Wiese vor der Sonderschule waren viele Stände aufgebaut, wo einfache Wettspiele stattfanden. Dazu gab es eine Band, die zum gemeinsamen Tanz aufspielte. Die Sonne schien vom wolkenlosen Himmel, alle waren fröhlich und wir wurden von den Kids, die wir gestern kennen gelernt haben, herzlich begrüßt. Wir fühlen uns hier schon recht heimisch.
Donnerstag, 25.10. - Bella Vista
Heute Mittag haben wir uns aus Esquina verabschiedet und sind 200 km weiter nach Norden gefahren. Die Landschaft ist nach wie vor flach und grün, ab und zu wird das Grasland von kleinen Eukalyptuswäldern oder Palmenhainen unterbrochen. Viele gelbe und violette Blumen blühen am Straßenrand und auf den Wiesen, manchmal komme ich mir vor wie in Dithmarschen. Die Straße führt meist schnurgerade Richtung Norden, wir fahren eigentlich nur auf den mittleren Stollen. Das Wetter meinte es heute immer noch gut mit uns, es ist wolkenlos und heiß, ein kräftiger Westwind zerrt an den Moppeds, das Fahren ist angenehm nach drei Tagen in Esquina. Doch bevor wir losgefahren sind, hatten wir ja noch diesen besagten Schultermin, der den ganzen Vormittag in Anspruch nahm. Wir wurden dem gesamten Kollegium, das aus ca. 10 Lehrerinnen besteht, vorgestellt, überall gab es die üblichen Wangenküsschen. Dann zeigte man uns die ärmlichen Räumlichkeiten: die Küche, in der ein Schrank mit zusammengewürfeltem Geschirr und einem zweiflammigen Gaskocher für große Töpfe steht, den Kindergartenraum, fast gänzlich ohne Spielzeug, alles sehr einfach eingerichtet und renovierungsbedürftig. Erstaunlicherweise gibt es aber einen gut bestückten Computerraum, ein Internetanschluss soll bald installiert werden. Die Kids haben Computerunterricht ziemlich von Anfang an.
Die Präsentation fand auf dem Schulhof statt, die kleineren Kinder in ihren weißen Schulkitteln sagten ihre auswendig gelernten Texte auf und die größeren erklärten uns die Zusammenhänge der handelsüblichen Naturkatastrophen. Sehr nett!
Doch bevor es richtig losging, fand sich ein Reporter der hiesigen Radiostation ein und wollte mich kurz ein paar Dinge zum Projekt fragen - eh ich es mich versah, hatte ich einen Knopf im Ohr und war live im Radio! Hilfe!
Bestimmt eine Viertelstunde lang durfte ich über unser Projekt, die Hintergründe unserer Reise und meinen Eindruck von Land und Leuten erzählen. Wenn mir die Vokabeln fehlten, half mir Martin, der Reporter, weiter - es war sehr aufregend! Nun sind wir wohl berühmt...
Freitag, 26.10. - Bella Vista
Unterbrochen von einer Müslipause im Schatten eines Eukawäldchens erreichten wir Bella Vista gestern am späten Nachmittag und fanden einen kleinen Campingplatz oberhalb des Rio Parana.
Der Name "Schöne Aussicht" hat seine Berechtigung! Rund um diesen nicht eingezäunten Platz wohnen scheinbar ziemlich arme Leute, es herrschte ein reger Fußgängerverkehr bis in den späten Abend. An einigen der aufgemauerten Parillas wurde gegrillt, der Spielplatz war gut besucht, obwohl wir offensichtlich die einzigen Übernachtunggäste waren.Der Platzmeister schloss uns das überraschend saubere und gut ausgestattete Bad auf, wir konnten duschen, sollten dann hinterher den Schlüssel wieder abgeben, damit niemand Unberechtigtes hinein gehen könne. Er erzählte, es sei nur so zu regeln, dass es sauber und heil bleibe.
Die Übernachtung berechnete er uns mit 7 Pesos pro Person.
Während ich hier im Schatten eines Baumes sitze und schreibe, haben wir stille Gesellschaft eines kleinen Jungen, der scheinbar nichts anderes zu tun weiß, als uns zuzugucken. Ich hab ihm ein Papier mit einer Skizze der Weltkarte gemalt, um ihm zu zeigen, wo wir herkommen und hab mit ihm geübt, seinen Namen zu schreiben, was er in seinem Alter eigentlich schon können müsste. Er heißt Ramon Antonio Blanco, hat vier Geschwister und keinen Vater und geht offensichtlich noch nicht zur Schule.
Eine ca. 70 cm große Echse huschte eben vorbei, Ramon lief hinterher, kam aber gleich wieder zurück. Ob er sich noch etwas von uns erhofft? Eine Apfelsine hat er bekommen und schnell verdrückt, vielleicht denkt er, dass da noch mehr kommt.
Nun wird gepackt und weitergefahren, es ist schon sehr warm! Beim Zeltabbau hilft Ramon kräftig mit, also bekommt er noch etwas Kleingeld als Lohn.
Wir fahren weiter nach Norden, Richtung Posadas. Es ist immer noch flach, viele große und kleinere Termitenhügel aus goldbrauner Erde wachsen aus dem grünen Land, Störche und verschiedene große Greifvögel ziehen Kreise über uns. Die Eukalyptuswälder werden größer, einer zieht sich schon über mehrere Kilometer hin, hier sind die Bäume sicher schon 20 Meter hoch, die Luft ist beim Vorbeifahren angenehm frisch. Etwas abseits der Straße sehen wir einen Straußenvogel durchs hohe Gras laufen.
Nach 220 Kilometern Tagesleistung finden wir nahe dem Dorf Loreto (ca. 30 km vor der Abzweigung von der Ruta118 wieder auf die Ruta 12) eine öffentliche Badestelle an einem kleinen See. Wieder gibt man sich jede erdenkliche Mühe, uns zufrieden zu stellen und so steht nachher das Zelt auf einer Betonfläche unter dem Vordach des neu gebauten Hauses, in dem sich hinten die sauberen Duschen und vorne ein kleiner Raum für den Ausschank befinden, in dem die Moppeds die Nacht verbringen dürfen.
Die freundlichen Leute fegen den Beton, bringen Klopapier und lesen uns jeden Wunsch von den Augen ab. Leider können sie auch nichts gegen die Millionen von Mücken unternehmen, die heute besonders aufdringlich sind. Einige fast taubengroße Kröten laufen zwar um das Zelt herum und schießen mit ihren langen Klebzungen viele Mücken und Leuchtkäfer ab, aber sie kommen gegen die Mengen nicht an und so flüchten wir nach einer erfrischenden kühlen Dusche ins mückensichere Zelt.
Sonnabend, 27.10.
In der Nacht war es sehr warm. Selbst die Haut am Körper war noch zuviel Kleidung. Heute Morgen entlud sich dann die aufgestaute Wärme und es schüttete kräftig. Die Kids, die schon vor acht Uhr zu Fuß gekommen waren, um hier einen schönen Tag am See zu verbringen, suchten schnell Schutz im Waschraum. Nach dem ersten Schauer wurde die Luft schon sehr viel angenehmer, aber nun will es scheinbar erstmal nicht wieder aufhören zu regnen und zu donnern. Zum Glück können wir bei den Moppeds im Raum sitzen und hier unseren Beschäftigungen nachgehen. Leider fiel der Strom aus und so ist es relativ dunkel hier.
Inzwischen ist es wieder abends und die Sonne ging in einem fantastisch bewegten Wolkenhimmel unter, während wir bequem wie Oma und Opa auf der Terrasse saßen und die Kekse futterten, die wir im Ort Loreto anstatt Brot eingekauft haben. In den Ort ist es von hier nicht weit. Man geht dem Trampelpfad über drei Koppeln nach und dann ist man schon am ersten Haus. Dann folgt man der Sandstraße zwei Querwege weit und nach zwei weiteren Abschnitten nach rechts kommt man schon zu dem größten Laden hier, was so in etwa einem der alten Tante Emma Läden entspricht. Immerhin mit Kühlschrank! Dort erregten wir großes Aufsehen, so oft verirren sich wohl keine Europäer hierher. Also, wie gesagt, Brot gab es heute keins, aber Milch und Joghurt, kalte Cola, Wasser und eben die Kekse. Unsere Habseligkeiten ließen wir ohne Sorgen in der Obhut der netten Familie zurück. Diese Leute machen auf uns einen sehr entspannten und zufriedenen Eindruck. Sie wohnen mit sechs Personen und zwei freundlichen Hunden in einem kleinen Häuschen mitten auf dem Platz unter ein paar großen Bäumen und haben viel Spaß miteinander. Der Familienvater arbeitet scheinbar tagsüber irgendwo anders, aber jetzt am Wochenende sitzt er viel draußen und spielt Gitarre, während die Kinder nett miteinander spielen und toben. Dabei wird in der ganzen Familie viel gelacht. Die Mutter, eine kleine freundliche Frau, die uns zum Abendbrot mit ein paar leckeren Empanadas versorgt hat, scheint mit ihrem Leben rundum zufrieden zu sein. Zwischen den Schauern hatten wir vorhin Besuch vom Bürgermeister des Ortes, der sich erkundigte, ob hier alles gut für uns sei und der nun auch über unser Projekt und unsere Reisepläne informiert ist.
Sonntag, 28.10. - Posadas
Nächtliche Unterhaltung bis morgens um drei durch ein paar junge Leute des Dorfes, die mit lauter Musik und noch lauterem Gelächter dafür sorgten, dass wir nicht schlafen konnten. Um sieben waren sie schon wieder da, noch betrunkener und noch lustiger. Erst als sie uns endgültig aus dem Schlafsack gescheucht hatten und sie endlich fragen konnten, ob sie die Moppeds mal sehen dürften, waren sie zufrieden und zogen ab. Der Bürgermeister hatte geplaudert und sein Sohn war einer der nächtlichen Besucher, der mit diesem Besäufnis sein Examen als Rechtsanwalt (mit 22Jahren) feiern wollte.
Nach ein paar kleinen Wartungsarbeiten an den Bikes und herzlicher Verabschiedung von den Hütern des Badeplatzes ging es bei heißem Sonnenschein weiter. Auf dem Weg nach Posadas schauten wir am Sperrwerk des Parana vorbei, wo ausgerechnet heute keine Führungen stattfanden, die heutige Wahl legte das ganze Land lahm. Die freundlichen Grenzer am Staudamm machten es aber doch möglich, dass wir mit einem Wachmann eine Runde über den Damm drehen konnten. Er zeigte uns alle wichtigen Stationen, vom Schiffshebewerk bis zum Fahrstuhl für Fische, natürlich nur von außen, aber immerhin! Hinterher ein kleiner freundlicher Smalltalk mit den Grenzern, wir bekamen eiskaltes Wasser zu trinken und fuhren dann weiter Richtung Posadas. Auf dem Weg änderte sich endlich auch ein wenig die Landschaft, wir kamen über die ersten seichten Hügel, bevor wir vom Großstadtmoloch verschlungen wurden.
Wegen der heutigen Wahl war auch am Sonntag sehr viel Verkehr, dazu gibt es hier wenig Straßenschilder und so kurvten wir bei mehr als 35°C einige Zeit durch die Stadt, bis wir ein Hotel (ziemlich teuer) und die ersehnte kalte Dusche gefunden hatten. Aus dem siebten Stock sehen wir in einiger Entfernung den Rio Parana und auf der anderen Seite Paraguay. Man hatte uns gesagt, Posadas wäre eine schöne Stadt - bisher haben wir davon nichts gesehen. Dafür mal wieder ein starker Kontrast zwischen arm und reich: Auf der Plaza vor dem Hotel wohnen Leute in Plastikplanenzelten, auf der Straße wird viel gebettelt vor großen Bankengebäuden und Hochglanz-Schickimicki- Läden. Wenn wir unsere Internetbedürfnisse erledigt haben, fahren wir so schnell wie möglich hier wieder raus. Ich hoffe, den Weg aus der Stadt ohne Hitzschlag zu überleben.
Macht’s gut bis zum nächsten Mal und schreibt uns mal!

Eure Globusbiker
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